Notenanhebung war "eine eigenmächtige Aktion"

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Große Medienpräsenz: Oberstaatsanwältin Ursula Haderlein kommentierte das Urteil und überlegt jetzt, in Berufung zu gehen. Fotos: Lehmann
Große Medienpräsenz: Oberstaatsanwältin Ursula Haderlein kommentierte das Urteil und überlegt jetzt, in Berufung zu gehen. Fotos: Lehmann
Lehrer, ehemalige Rektoren und betroffene Eltern saßen im Zuschauerraum. In den Pausen wurde eifrig diskutiert.
Lehrer, ehemalige Rektoren und betroffene Eltern saßen im Zuschauerraum. In den Pausen wurde eifrig diskutiert.
 
Burkhard Spachmann inmitten seiner Verteidiger Eckart Staritz (links) und Thomas Bittorf.
Burkhard Spachmann inmitten seiner Verteidiger Eckart Staritz (links) und Thomas Bittorf.
 
 

Nach dem Urteil im Prozess gegen den Schulleiter des Coburger Gymnasiums überlegen Staatsanwaltschaft und Verteidigung in Revision oder Berufung zu gehen. Die Auffassungen gehen weit auseinander.

"Musste das wirklich sein? Ist das notwendig? Es geht doch hier um eine schulinterne Angelegenheit. Alles, was Herr Spachmann getan hat, war doch zum Wohle der Schüler." Fragen und Thesen, mit denen im Vorfeld die Oberstaatsanwältin Ursula Haderlein konfrontiert war.

Ihr Plädoyer am Montag im vollbesetzten Sitzungssaal des Amtsgerichts Coburg eröffnete sie mit ihrer Antwort darauf: "Die Ermittlungen mussten sein, weil es nicht sein kann, dass ein Direktor eingreift und sich über die Schulordnung hinwegsetzt." Sie nannte es außerdem eine Benachteiligung gegenüber den Schülern, die im vergangenen Jahr Abitur an einer anderen Schule gemacht hätten.

Haderlein nannte die Notenanhebung eine "eigenmächtige Aktion" des Angeklagten. Spachmann habe in der Nacht zum 14. Juni vergangenen Jahres den Entschluss allein gefasst, die Noten um einen Punkt anzuheben. Die beiden anderen Mitglieder des Prüfungsausschusses erfuhren davon erst am nächsten Morgen - aus Schülermund.

Die Darstellung Spachmanns, er habe als Zweitkorrektor gehandelt, da Erst- und Zweitkorrektor einer Meinung und damit nicht einzeln zu rechnen gewesen wären, kommentierte sie mit den Worten: "So eine Argumentation habe ich noch nie gehört!" Auch, dass sich die beiden Korrektoren meist einig in ihrer Bewertung sind, nannte sie durchaus den Regelfall. Spachmann sei nicht befugt gewesen "willkürlich einzugreifen".

Die Oberstaatsanwältin unterstellte Spachmann vorsätzliches Handeln. Zugute hielt sie ihm, dass er bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei und den Sachverhalt eingeräumt habe. Sie warf ihm jedoch vor, dass er versucht habe, die Lehrer in ihrer Entscheidungsfindung zu beeinflussen. Er habe maßgeblich zu dem schlechten Klima an der Schule beigetragen und bei der Anhebung der Noten nicht nur an die Schüler gedacht. Seine wahre Motivation sei der schlechte Notendurchschnitt an seiner Schule gewesen. "Spachmann wusste sehr wohl, was er tat." Sie forderte 100 Tagessätze à 90 Euro, zehn mehr als im Strafbefehl im Februar. In der Realschulordnung sei explizit geregelt, was der Vorsitzende des Prüfungsausschusses darf und was nicht. Für die Verteidigung ist damit bewiesen, dass Burkhard Spachmann rechtmäßig gehandelt habe. Auch andere Gerichtsurteile zogen die beiden Rechtsanwälte Eckart Staritz und Thomas Bittorf in ihrer Argumentation für einen Freispruch zu Hilfe.

Strategie der Verteidigung

Fragen nach einer verwaltungsrechtlichen oder strafrechtlichen Würdigung wurden aufgeworfen. Liegt ein Vorsatz vor? Kann eine schriftliche Lüge nachgewiesen werden? Wo steckt die kriminelle Energie? Warum ändert das Kultusministerium die Zeugnisse nicht ab, wenn eine Falschbeurkundung im Amt vorliegt? Was bedeutet eigentlich die Unterschrift Spachmanns unter dem Zeugnis? Kann von einer Falschbeurkundung gesprochen werden? Viele Fragen, die alle der Entlastung Spachmanns dienen sollten.

Sieben Minuten zog sich anschließend Richter Wolfram Bauer zurück. Dann verkündete er das eindeutige Urteil: Schuldig in 86 tateinheitlichen Fällen. Die Strafe allerdings lag mit 60 Tagessätzen à 90 Euro unter dem geforderten Strafmaß. Haderlein hatte 100 Tagessätze gefordert, zehn mehr als im Strafbefehl vom Februar. Die Verteidigung wollte einen Freispruch. Staritz und Bittorf werden jetzt nach einem Gespräch mit ihrem Mandanten über die Berufung entscheiden.



Nachfragen beim Kultusministerium zum Fall Spachmann:

Das Kultusministerium hält sich weiterhin bedeckt. Unsere Zeitung bohrte am Montag nach und bat Pressesprecher Ludwig Unger zu folgenden Fragen Stellung zu beziehen:

Kann in Bayern ein wegen einer Schulangelegenheit verurteilter Oberstudiendirektor Schulleiter sein?
Ludwig Unger Herr Spachmann ist nicht rechtskräftig verurteilt. Die Staatsanwaltschaft und die Verteidigungen können Rechtsmittel dagegen einlegen. Deshalb stellt sich die Frage nicht.

Ist Ihnen ein Fall bekannt, in dem das so ist?
Eine Rechtsverletzung, die zu einer strafrechtlichen Verurteilung führt, kann gleichzeitig ein Dienstvergehen sein, das disziplinarrechtlich gewürdigt werden muss. Der Rahmen der zulässigen Disziplinarmaßnahmen ist groß und ist weitgehend abhängig vom Dienstvergehen.

Hat das bayerische Schulsystem unter dem Fall Spachmann gelitten? Immer wieder wird Kritik laut, dass es sich bei der Anhebung der Noten um einen von "oben ausgeübten Druck" handelt, dem die Schulleiter Rechnung tragen wollen. Im Fall des Casimirianums war 2013 der erste Jahrgang, in dem auch Realschüler Abitur gemacht haben...
Es gibt keine Anweisung des Ministeriums, dass die Noten von Abschlussprüfungen einem bestimmten Schnitt entsprechen müssen. Es geht bei Prüfungen um die erbrachte Leistung und die entsprechende und landesweit vergleichbare Bewertung durch die Lehrkräfte.

Die Fragen stellte Christiane Lehmann.