Die einen lernen Tag und Nacht und glauben doch, es sei nicht genug. Andere schieben das Lernen so lange wie möglich auf und geraten dann kurz vor der Prüfung in Panik: Fälle für Sabine Volkmar.
Der Magen drückt, obwohl er leer ist. Essen ist wegen der Aufregung nicht drin - und nun der Brechreiz. Auf dem Tisch liegt das Blatt mit den Aufgaben. Das Gehirn kennt nur noch drei Gedanken: "Ich versteh nichts. Keine Ahnung. Mir ist schlecht."
Doch woher kommt die Prüfungsangst? Wer studiert, hat in der Regel schon einige Prüfungen erfolgreich hinter sich gebracht. Aber die Situation der Studierenden sei mit der von Schülern vor der Abiturprüfung nicht vergleichbar, sagt Sabine Volkmar von der psychologischen Beratungsstelle der Hochschule Coburg: "Es gibt locker mal sechs Prüfungen innerhalb von zwei Wochen."
53 Prozent aller Studierenden kennen Prüfungsangst. Diese Zahl hat das Deutsche Studentenwerk (DSW) im März veröffentlicht und sich dabei auf eine deutschlandweite Erhebung aus dem Jahr 2017 gestützt. Zwölf Prozent der Studenten, die eine der psychologischen Beratungsstellen des DSW aufsuchen, nennen Prüfungsangst als einen Grund. Diese Angst muss noch gar nicht dazu führen, dass jemand in der Prüfung einen Blackout erleidet . Die Angst wird empfunden. Das genügt.
"Es gib mehrere Ansatzpunkte bei Prüfungsangst", erläutert Sabine Volkmar. So kann man bei der Frage beginnen, warum das Studienfach gewählt wurde. "Wenn das fremdbestimmt war, wird es schwierig", sagt die Psychologin. Ein ungeliebtes Fach mit der Aussicht auf 40 Jahre in einem unbefriedigenden Job - da hilft oft nur die Erkenntnis, dass der Studierende etwas anderes suchen sollte. Aber diese Erkenntnis müsse der oder die Studierende selbst erreichen, betont Volkmar. "Ich bin nur die Unterstützung beim Nachdenken über das Problem."
Der zweite Ansatzpunkt: Liegt es am Zeit- und Selbstmanagement? "Viele fangen viel zu spät zu lernen an. Da ist die Angst berechtigt", sagt Volkmar. Deshalb bietet sie als Mitarbeiterin des Referats Gesunde Hochschule auch Workshops an, die Studierenden helfen sollen, ihren Alltag besser zu organisieren. Denn es werde schon viel verlangt, sagt Volkmar: Es gibt viele Veranstaltungen mit Anwesenheitspflicht, sie müssen vor- und nachbereitet werden, Hausarbeiten sind zu schreiben. "Gerade in den Studiengängen Innenarchitektur und Integriertes Produktdesign mit ihren vielen Abgabeterminen sind die Studenten sehr gefordert", gibt sie zu bedenken.
Dritter Ansatz: Helfen Entspannungsverfahren, den Druck zu mindern und besser mit der Situation umzugehen? Und viertens: der Kopf. Wie bewertet der Ratsuchende seine Situation? Setzt er sich selbst unter Druck, weil er oder sie sich für nicht gut genug hält? Spielen Erfahrungen aus früheren Prüfungen mit hinein? Und, ja, es gebe auch Menschen, die von vornherein ängstlicher sind als andere, sagt die Psychologin.
Meist kommen alle Ansätze zum Zug, denn "ich sehe es immer als vier Zahnrädchen, an denen man drehen kann", umschreibt es die Beraterin. "Bei dem einen ist das eine Zahnrad größer, beim anderen ein anderes." Letztlich gehe es darum, die Prüfungssituation zu akzeptieren.
"Mut ist oft Mangel an Einsicht, während Feigheit nicht selten auf besseren Informationen beruht."
Sir Peter Ustinov