Die Märchenschau in Neustadt war eine Attraktion in den 70ern. Unvergessen: Münchhausen auf der Kugel und die Elefantenrutsche.
Im Märchenpark in Ruhpolding werden Kindheitserinnerungen wach. Da gibt es nämlich kleine Hütten, in denen Märchenfiguren stehen, die auf Knopfdruck Geschichten erzählen. Die Anlage ist eine Attraktion im Chiemgau, die jährlich Tausende von Besuchern anlockt.
In Neustadt gab es das schon in den 70er Jahren. Hinweisschilder in der ganzen Stadt führten in die Eisfelder Straße, wo ein Torbogen den Weg in eine andere Welt verkündete.
Vom Papagei begrüßt
Sonntags fein rausgeputzt, unter der Woche einfach mal so, war die Märchenschau immer einen Ausflug wert. "Als ich als Kind den Eingang passiert hatte und am sprechenden Papagei vorbeigesaust war, bin ich sofort zu den Reitpferdchen geflitzt, natürlich zum größten, habe dann sämtliche Groschen eingeworfen. Die Märchenschau war nicht spektakulär für uns Kinder, jedoch immer wieder zauberhaft", schreibt Marti Nachi auf Facebook.
In Erinnerung ist vieles geblieben. Unspektakulär war das nicht! Immerhin flog Münchhausen auf seiner Kugel durch die Luft, drunter ruckelte eine kleine Eisenbahn - vollbesetzt mit Kindern - quer durch den Park. Entlang der schmalen Wege standen die Häuschen mit den lebensgroßen Figuren aus der Grimm'schen Märchenwelt: Rotkäppchen, der Froschkönig, die Bremer Stadtmusikanten, Brüderchen und Schwesterchen, die sieben Geißlein oder Hänsel Gretel. Für zehn Pfennig konnte man den Märchen lauschen und sich verzaubern lassen. Es gab ein Karussell und einen Autoscooter, Schaukeln, kleine Motorboote und - wer erinnert sich nicht - einen riesigen Elefanten, dessen Rüssel man auf Teppichen herunterrutschen konnte.
" Mit aarer Housntasch vuol Zehnerla hott mer ball zwää Stundn zo tun ghott ölles durch zo machn. Und do Vatter hott sich nein Biergarten su lang gsetzt."Facebook-Zitat von Frank Machold
In der Mitte der Gartenanlage ludt ein Biergarten mit Kiosk, an dem man auch Puppen aus Neustadt und andere Andenken kaufen konnte, zum Verweilen ein.
Nicht nur die Neustadter Familien nutzten dieses versteckte Paradies. Nachdem Klaus-Dieter Bätz die Märchenschau von Hermann Steiner übernommen hatte, blühte der Park noch einmal richtig auf. Überregionale Werbung sorgte dafür, dass Neustadt auch für Busreisende interessant wurde. Von Frühling bis Herbst war die Märchenschau geöffnet, im Winter wurden Spielgeräte und Figuren überholt und fürs neue Jahr frisch herausgeputzt. Karin Bätz nähte viele der Kostüme selbst. Alljährlich fand dort "Sang & Klang" statt, ein Festival, bei dem mehrere Musikgruppen auftraten.
Die Diskussionen auf Facebook zeigen, dass die Erinnerungen bei vielen noch heute sehr lebendig sind. "Da kribbelt die Kindheit in einem hoch", schreibt eine Neustadterin. Die Frage, ob das Angebot die Kinder von heute begeistern könnte, taucht immer wieder mal auf, doch die Antworten lassen keinen Zweifel daran (siehe Ruhpolding).
Senioren sollen dort wohnen
Nach dem Tod von Klaus-Dieter Bätz 1998 wurde es plötzlich ganz still. Die Familie konnte die Märchenschau alleine nicht weiterführen. Ein neuer Investor wurde nicht gefunden. Schließlich kaufte die Stadt das Areal. Einige Märchengruppen wurden in den Folgejahren noch beim Neustadter Nikolausmarkt aufgestellt. Viele Figuren waren jedoch marode oder mutwillig zerstört worden.
Heinrich Luthardt, Leiter des Bauhofs, erinnert sich noch an den Rückbau. "Das hat die Stadt rund 150 000 Euro gekostet." Mittlerweile ist das Grundstück verkauft und der ASB will 2019 ein Seniorenzentrum für betreutes Wohnen mit 64 Plätzen bauen.
Die Story vom PferdDas große Pferd vom Eingangsbereich konnte 1999 gerettet werden. Es tingelte durch mehrere Biergärten und Lokale der Stadt, zuletzt war es als "lila Kuh" im Lindenhof eine Attraktion. Als es schließlich zusammenzubrechen drohte, rettete Heinrich Luthardt den Kunststoffhengst und klebte die offenen Stellen mit Glasfaserleim. Sein "Gnadenbrot" bekommt der Hengst momentan in der Garage, die er sich mit Kinderrrollern, Skiern und einem Kärcher teilt. Aus dem braunen Ross ist mittlerweile ein Schimmel geworden. "Ich hab' ihn neu grundiert. Jetzt muss er wieder angemalt werden', verrät sein Retter. Danach möchte Luthardt das Pferd einem Neustadter Verein schenken.
nel