Klang aus der Schroffheit Islands

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Musik aus einer anderen Welt: Der Flensborgarkórinn unter seiner Leiterin Hrafnhildur Blomsterberg sorgte im Neustadter Rathaussaal für tiefe Ergriffenheit. Fotos: Carolin Herrmann
Musik aus einer anderen Welt: Der Flensborgarkórinn unter seiner Leiterin Hrafnhildur Blomsterberg sorgte im Neustadter Rathaussaal für tiefe Ergriffenheit.  Fotos: Carolin Herrmann
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Das Festival junger Künstler Bayreuth bescherte in diesem Jahr den faszinierenden Flensborgarkórinn, den Flensborg Chor aus Island beim sommerlichen Rathauskonzert.

Island. Karge, eisige Berge. Kostbare Inseln von Grün in den Tälern. Weiter Himmel. Eine Stimmung, als gehöre sie schon gar nicht mehr zu dieser Erde. - Im Neustadter Rathaussaal stehen über 20 junge Menschen in Schwarz gekleidet. Ihre Dirigentin, Hrafnhildur Blomsterberg, hat die gebannten Zuhörer im vollen Saal gerade aufgefordert, die Augen zu schließen. Und ohne weitere Mittel, einzig mit der Macht der Musik, sind diese nordischen Landschaften präsent.
In einer stimmungsvoll modernen Komposition von Ola Gjeilo (geboren 1978) beginnen die Nordlichter um uns zu streichen und zu flirren. - Faszinierend, dieser Flensborgarkórinn, der Flensborg Chor aus Island, der in diesem Jahr das Festival junger Künstler Bayreuth für einen wunderbaren Abend nach Neustadt brachte.

Dieses Rathauskonzert gehört alljährlich zu den spannendsten, überraschendsten, bringen die Ensembles des seit 1954 parallel zu den Wagner-Festspielen veranstalteten Jugendtreffens doch immer große Begabungen und für uns sonst kaum zu erlebende Musik aus der ganzen Welt nach Oberfranken. Neustadt hat das Glück, einer der Konzertorte zu sein, die jedes Jahr von einem der Gastensembles bedacht werden.
Mit dem Flensborgarkórinn war ein beeindruckend homogener Chor in höchster Präzision und Differenziertheit zu hören. Dessen ganz eigener klarer Zusammenklang ist in den einzelnen Stimmen nicht so scharf herausgeschliffen, wie wir das von den Chören in unseren Breiten gewohnt sind. Chorleiterin Hrafnhildur Blomsterberg geht es offensichtlich darum, jene weite, abgedämpfte, melancholische Stimmung in die Welt zu tragen, welche die isländische Landschaft und Kultur prägt. Zweimal ließ sie die Stimmen sich gemischt aufstellen, was zu einem besonders samtenen, aber nie verwischten Klang führte.

In den Liedern versunken

Besonders berührend dabei: Diese jungen Menschen geben sich in den eher getragenen, ruhigen Linien folgenden Balladen der isländischen Volkskultur dem Klang hin mit einer konzentrierten Innerlichkeit, mit einer Faszination und Gebanntheit, wie man das von Jugendlichen und jungen Erwachsenen hier kaum mehr gewohnt ist. Aber auch in den komplexeren, zum Teil sakralen Werken nordischer Komponisten des 19. Jahrhunderts, Nils Wilhelm Gade etwa oder W. Person Berger, verstehen sie es, tief hinabzutauchen.
Man spürt das Streben um geradezu meditative Vereinigung in einem großen Ganzen, in der Musik, die von der Kargheit und Härte ihrer Heimat geprägt ist. In den Texten geht es um die Natur, um die Schwere und Unvorhersehbarkeit des Lebens, um Gottes Beistand.
Getragen singend zog der Chor ein und aus. Gerade in den leisen, schwermütigen, aber trotzdem absolut klaren Passagen jagte er den Zuhörern Schauder über den Rücken. Die Sängerinnen und Sänger können sehr wohl auch fröhlich und machtvoll auftrumpfend; bei "Raudi Riddarinn" (Der Rote Ritter, von dem 1978 geborenen Hreidar Ingi Porsteinsson) setzte sich der gesamte Chor in selten gesehenem präzisen Timing kurz stampfend und klatschend in Bewegung: blitzartig meinte man, man das besungene Ritterheer auf sich zukommen zu sehen. Schlichtweg faszinierend.
Doch es war in diesem Konzert eben die Konzentriertheit dieses bei sich und im Klang der nordischen Welt Seins, die sich wie Balsam auf die Seele legte.

Flensborgarkórinn - der Flensborg Chor ist ein gemischter isländischer A-cappella-Chor aus der Stadt Hafnar fjördur. Er wurde 2008 gegründet und zählt insgesamt 35 Sängerinnen und Sänger im Alter von 18 bis 32 Jahren.
 Der Chor wird von Hrafnhildur Blomsterberg geleitet. Sie studierte an der Musikhochschule in Reykjavík, Island und schloss ihr Studium an der Universität von Kalifornien ab. Isländische und internationale Komponisten haben Musik speziell für sie und ihre Chöre geschrieben.
 Flensborgarkórinn gibt Konzerte in aller Welt. Er hat an Wettbewerben und Festivals in den nordischen Ländern, Kanada und Nordamerika und zahlreichen europäischen Ländern teilgenommen.
 2010 gewann er den ersten Preis beim internationalen Chorwettbewerb "The Singing World" in Sankt Petersburg, 2013 zwei Mal Gold beim Internationalen Anton-Bruckner Wettbewerb in Linz.