Den Milchwerken Oberfranken West bricht ein Markt mit 60 Tonnen pro Monat weg.
Alles gestoppt." Kurz und knapp fasst Ludwig Weiß als Geschäftsführer der Milchwerke Oberfranken West den Sachstand bei den Exporten in die Ukraine zusammen. Mit Beginn des russischen Einmarsches sind alle Lieferungen eingestellt worden. Wie es weitergeht, könne ihm derzeit niemand sagen, berichtet Weiß auf Tageblatt-Nachfrage. Viel Hoffnung auf Besserung besteht aber nicht: "Ich denke, das wird so schnell nichts mehr werden."
Die Eskalation der Situation in der Ukraine kommt für die Milchwerke zu einem unglücklichen Zeitpunkt. Schließlich hat sich das osteuropäische Land in den vergangenen Jahren zu einem verlässlichen Absatzmarkt für Wiesenfelder Käseprodukte entwickelt. "Nicht nur Standardprodukte, sondern richtige Spezialitäten", sagt Weiß, sind in der Ukraine gefragt. 60 Tonnen Käse sind zuletzt pro Monat aus dem Coburger Land hinunter Richtung Schwarzes Meer gegangen. Viel Weichkäse war darunter und - was für den Wiesenfelder Milchwerke-Chef besonders wichtig war - sogar mit dem ovalen "Coburger"-Label samt Veste drauf. Täglich war das Exportbüro der Milchwerke zuletzt mit seinen Geschäftspartnern in der Ukraine in Kontakt. Ein aktuelles Problem gibt es sogar noch, sagt Weiß: "Wir haben momentan noch einen Lkw an der Grenze stehen." Ob dieser in die Ukraine weiterfährt oder mit seiner Ladung nach Wiesenfeld zurückkommt, war Ende der Woche völlig offen.
In der Ukraine hatten sich die Wiesenfelder Käseprodukte in den Regalen der klassischen Lebensmittelmärkte und Discounter durchgesetzt. Bei den Wünschen der Endverbraucher gab es keinen Unterschied zu Deutschland. Auch nicht, was die finanzielle Seite angeht. Ludwig Weiß bedauert, dass die Verbindungen jetzt abgerissen sind: "Die Ukrainer waren verlässliche Partner und haben gute Preise bezahlt." Auch wenn es Mitte der Woche überaus schnell ging, dass der Ukraine-Markt von heute auf morgen unerreichbar wurde, ist man bei den Milchwerken auf die weiteren Entwicklungen vorbereitet. So wie halt bei allen "Drittländern", wie Ludwig Weiß solche Exportziele nennt: "Wenn so ein Markt wegbricht, dann darf es uns als Unternehmen nicht groß was ausmachen." 80 Prozent des Wiesenfelder Käses bleiben eh in Deutschland, als Wachstumsmärkte werden nun eben Slowenien, Serbien, Ungarn und Frankreich schnell ausbleibende Verkäufe in der Ukraine ausgleichen.
Warum am 2. Mai vieles anders wird
Doch der Blick des Milchwerke-Geschäftsführers geht nicht nur in die Ukraine. Der 2. Mai ist für Ludwig Weiß ein Tag, den er mit Spannung erwartet. Das ist ein Montag, am Samstag davor laufen die langfristig geschlossenen Lieferkontrakte der Milchwerke mit den großen Kunden aus. Das heißt: Es gelten dann neue Konditionen. "Da wird sich ganz schön was verändern", deutet Weiß an, dass die Preise für Molkereiprodukte aus Wiesenfeld deutlich nach oben gehen werden. Wie deutlich, das vermag der Geschäftsführer nicht zu prognostizieren, weil das auch vom Umgang des Lebensmittelhandels mit der eigenen Gewinnspanne abhängt. Aber bei der Notwendigkeit der Preiserhöhung gibt's für Weiß keinerlei Gewackel: "Sie ist alternativlos."
Die Gründe, warum der Käse teurer wird, sind vielfältig: steigende Energiepreise, plus 30 Prozent bei den Kartonagen und höhere Frachtkosten. Wichtiger ist für Ludwig Weiß als Geschäftsführer der Genossenschaft aber, dass auch die Landwirte von der Preiserhöhung profitieren: "Sie brauchen das dringend, weil sie als Unternehmer auch unter steigenden Kosten zu leiden haben." Die Milchwerke haben deshalb ihre Zahlung pro Kilogramm konventionell hergestellter Milch seit Januar 2021 von 36,5 auf 43,1 Cent im Januar 2022 angehoben. Und Ludwig Weiß würde gerne noch mehr bezahlen, wenn es der Markt für das Qualitätsprodukt Milch hergeben würde. Tut es aber nicht. Weiß ärgert's - weil die Milch und in der Folge auch der Käse in allen Phasen der Produktion streng überwacht und geprüft werde. Und Qualität habe nun mal ihren Preis. Dennoch werden die Milchwerke alles dafür tun, damit der an die Landwirte ausbezahlte Milchpreise weiter steigen wird.
Mit einem Rückgang beim Milchpreis rechnet man in Wiesenfeld vorerst nicht. Da sprechen die Zahlen dagegen. "Wir haben zum ersten Mal seit zehn Jahren einen Rückgang der Milchproduktion in Deutschland", sagt Ludwig Weiß. Dieser liegt bei rund 1,5 Prozent, EU-weit geht man von einer Stagnation aus. Da sei die Preiskurve leicht zu berechnen, sagt der Milchwerke-Chef: "Wenn der Verbrauch bleibt und die Produktion sinkt, muss man nicht lange überlegen." Angst, dass ihm die Lieferanten ausgehen, hat Ludwig Weiß nicht: "Unsere Warteliste ist lang." 720 Landwirte aus Bayern, Thüringen und Hessen lassen ihre Milch nach Wiesenfeld bringen, der "Durchschnittproduzent" kommt auf 2000 Liter pro Tag.
Damit knacken die Milchwerke Oberfranken West heuer eine besondere Grenze. Erstmals wird die jährliche Verarbeitung bei über 500 Millionen Liter liegen. Das sei schon ein Wort, sagt der zufriedene Geschäftsführer: "Mit dieser Menge sind wir als Einzelbetrieb schon ein ganz großer Produzent auf dem Markt."