In Coburg knattern Gespanne im Pulk

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Wenn Individualisten eine Gruppe bilden... In Coburg hat sich eine Reihe von Gespannfahrern zusammengefunden, um ihr recht ungewöhnliches Hobby miteinander zu genießen.
Wenn Individualisten eine Gruppe bilden... In Coburg hat sich eine Reihe von Gespannfahrern zusammengefunden, um ihr recht ungewöhnliches Hobby miteinander zu genießen.
 
 
 
 

Wer ein Motorrad mit Beiwagen fährt, ist sicher ein Individualist. Aber manchmal macht Individualismus eben gemeinsam mehr Spaß als allein.

"Einfach draufsetzen und losfahren ist nicht", das sagen alle, die an diesem Abend zum Parkrondell gekommen sind. Gespannfahrer - Leute aus einer Zwischenwelt. Wer ihre Maschinen fahren möchte wie ein Motorrad, liegt ebenso sicher und schnell im Graben wie der, der glaubt, er könne so ein Gefährt wie ein Auto bewegen. Vielleicht ist es das, was den Reiz ausmacht und schon so viele in die Reihen der "Gespann-Gruppe Coburg" hat finden lassen, die es seit einem Jahr gibt.
Die Idee dazu hatte Michael Sternberg. Seit 50 Jahren fährt er Solomaschinen. Nicht, dass ihm das schon langweilig geworden wäre. Aber: "Ich wollte einmal so ein Gespann fahren", kam es ihm in den Sinn. Auch, weil seine Frau nicht mehr so gern hinter ihm auf der Solomaschine sitzen wollte.


Einfach ist anders

Dass dieses Umsteigen nicht so einfach sein würde, dachte er sich schon. Motorradgespanne sind asymmetrisch gelenkte Fahrzeuge, das heißt, ihre Lenkachse ist außermittig angeordnet. Dies bedeutet, dass sie sich völlig anders als Solomotorräder und Autos fahren. Ein Gespann wird neben dem Lenkeinschlag auch durch Gewichtsverlagerung und Gasgeben oder Anbremsen in und durch die Kurve gesteuert. Der Seitenwagen kann bei Lenkbewegungen in seine Richtung ab einer bestimmten Fliehkraft abheben, während er beim entgegengesetzten Lenkeinschlag vorn eintaucht, wobei das Hinterrad der Zugmaschine abheben kann - und das ist erst eine einfache Schilderung des Grundprinzips.
Also besuchte Michael Sternberg einen Lehrgang für Gespann-Einsteiger. "Ich tat mir beim ersten Lehrgang richtig schwer, aber mit viel Übungen auf Plätzen und wenig befahrenen Straßen wurde es ständig besser", erzählt Sternberg. Losgelassen hat ihn die Begeisterung für diese besondere Art des Fahrens nämlich schon nach dem ersten Kurs nicht mehr.
Allerdings trübte es etwas seinen Spaß am neuen Hobby, dass er so gut wie alleine auf der Straße unterwegs war. "Das bringt nicht den Spaß, als wenn man mit Gleichgesinnten zusammen sitzt, sich austauscht, einiges lernt und natürlich auch Ausfahrten unternimmt", sagt er. Doch Gleichgesinnte zu finden, ist eben nicht so einfach, wenn sie so dünn gesät sind.


Gleichgesinnte gesucht

"Nach umfangreichen Recherchen gelang es mir bis Oktober 2015, ein paar Gespanne ausfindig zu machen. Ich gründete einen Stammtisch für diese Individualisten im Beckenhaus in Niederfüllbach", berichtet Sternberg von den Anfängen. Dass er sich gerade für dieses Lokal entschied, hatte einen guten Grund: "Es ist auch schon unser Stammlokal der Bikerbulls, einer Motorradgruppe, die es schon seit vielen Jahren gibt", sagt er. Deswegen, und weil der Wirt auch ein Biker ist, war Sternberg klar, dass auch die Gespanngruppe hier gut hin passen würde. Jeden dritten Freitag im Monat hat die Gruppe dort ihren Stammtisch. Zwischendurch treffen sich einige Mitglieder schon mal zum Klößessen im Clublokal.
Nach einem Jahr hat die Gruppe schon 35 Mitglieder - auch wenn noch nicht jeder davon ein eigenes Gespann hat. Sie kommen aus den Landkreisen Bamberg und Coburg, aber auch aus anderen Ecken Frankens, wie etwa Thurnau. "Wir haben im Jahr 2016 schon sechs gemeinsame Ausfahrten unternommen", erzählt Sternberg. Mal ging es in den Thüringer Wald, mal in die Fränkische Schweiz, die Rhön oder das Fichtelgebirge.


Rücksicht in der Gruppe

Die Maschinen und die Erfahrung der Mitglieder sind recht unterschiedlich. Das ist bei Gruppenfahrten aber kein Problem. "Wir sind eine Gruppe, die bestens zusammenpasst, sich unterstützt und natürlich auch vernünftig unterwegs ist und Rücksicht auf denjenigen nimmt, der die geringste PS-Zahl hat", betont Michael Sternberg. Schließlich kann nicht jeder gleich mit einer PS-starken Zugmaschine von BMW, Kawasaki oder Moto Guzzi einsteigen, die zu den Glanzstücken in der Gruppe gehören.
Für Maschine, Boot (so nennen Insider den Beiwagen) und Umbau lässt sich schnell so viel hinblättern wie für ein passables Auto. Für den Anfang geht es aber auch anders. Einer der Jüngsten in der Gruppe ist "Mike". Er fährt eine hubraumgewaltige Solomaschine. "Ich wollte halt auch mal ein Gespann, weil es einige Vorteile für die Alltagstauglichkeit bringt", sagt er. Und natürlich reizte ihn diese ganz andere Art des Fahrens. Um das kennen zu lernen, schaffte er sich eine MZ mit Beiwagen an. "So etwas bekommt man schon so ab 2500 Euro", sagt er. Fertige Gespanne des russischen Herstellers Ural gibt es neu für weniger als 15 000 Euro. Für regelrechte Kunstwerke unter diesen Fahrzeugen lässt sich aber auch sehr viel mehr ausgeben.


Mehr Fahrer willkommen

Wer noch ein Gespann in der Garage hat, oder einfach erst einmal ein paar Beiwagen-Bikern beim Erzählen lauschen möchte, weil er vielleicht umsteigen will, ist beim Stammtisch im Beckenhaus immer willkommen. "Unsere Gruppe ist übrigens auch beitragsfrei und völlig zwanglos!", betont Michael Sternberg.