"Lottchen" Schardt vollendet am Dienstag ihr 100. Lebensjahr. "Ich muss mich für nichts schämen", meint die Ex-Coburgerin rückblickend.
                           
          
           
   
          "Reden Sie immer darüber, was Ihnen gefallen hat im Leben, sonst vergessen Sie es!" Lotte Schardt muss ihren Rat selber beherzigt haben. Die rüstige Dame, die am Dienstag im Seniorenzentrum in Witzmannsberg ihren 100. Geburtstag begeht, kann sich gut an viele Dinge in ihrem langen Leben erinnern. 
Am liebsten denkt die frühere Coburgerin an ihre Turnstunden beim TV 1848 und ihre Clique zurück. Wenn sie mit ihren Freundinnen unterwegs war, "dann haben die Jungen keine Chance gehabt", erzählt sie schmunzelnd. Nicht ohne zu gestehen, dass alle "um die Konfirmation herum" doch mal "mit den Jungen geblinzelt" hätten.
 Später gingen die Freundinnen zum Bätz in den Kanonenweg zum Tanzen. "Das war ein feiner Saal, dort ist geschwoft worden, da waren wir zufrieden", blickt Schardt leicht wehmütig zurück. Sie habe "nur fürs Tanzen gelebt", fügt sie hinzu: "Ich habe getanzt wie ein Lump am Stecken."
Manches fällt Schardt erst bei längerem Nachdenken oder lückenhaft wieder ein. Sie erzählt von ihrem Mann Adolf, der 1999 verstarb, von ihrem Leben nahe der Morizkirche und von ihrer Mutter Johanna Wich, die sie alleine großzog und in Coburg eine Wäscherei betrieb. Ihr ging die einzige Tochter früh zur Hand, für einen längeren Schulbesuch oder eine Ausbildung Lottes blieb keine Zeit. 
  
  Keine Klagen  Noch heute erinnert sich die Jubilarin an die Markttage auf dem Anger, wo es früh einen guten Platz zu ergattern galt, an dem die Wäsche gut sichtbar an der Leine trocknen konnte. Trotz mancher Entbehrungen sagt Lotte Schardt rückblickend: "Ich kann über mein Leben nicht klagen."
 Seit ihrer Kindheit liebt sie Coburger Klöße und Braten, auch wenn zuhause galt: Gegessen wird, was auf den Tisch kommt. "Meine Mutter hat schon gut gekocht", kommentiert die Seniorin, "sonst wäre ja nichts aus mir geworden." Ein wenig "geschubst werden" musste sie, gesteht Schardt ein: "Energisch muss man schon sein, sonst kommt man nicht vorwärts im Leben." 
Ohne ihre Zukunft groß zu planen, half die Coburgerin wo immer sie gebraucht wurde. Ansonsten ließ die Dinge auf sich zukommen: "Dann habe ich alles danach sortiert, ob es mir passt oder nicht, ob ich es brauche oder nicht", blickt sie zurück. Schardts Rat: "Man muss nicht alles mitnehmen im Leben." Und nicht zu viel auf Andere hören empfiehlt sie ebenfalls: "Lasst die Leute doch labern!"
Das "Lottchen" nennt Pflegedienstleiterin Andrea Böhm die lebenslustige Hundertjährige liebevoll und lobt ihre Lebensenergie wie Kondition. Erkältungen, ja selbst Brüche wie einen Armbruch vor gut einem Jahr steckte Schardt schnell weg.
  
  Mobil mit dem Rollator  Dank ihres Rollators ist sie im Seniorenheim, wo sie seit Anfang 2011 lebt, noch recht mobil. Ihr Humor werde zudem sehr geschätzt, berichtet Böhm. "Lotte live" liefert auch gleich ein Beispiel: "Ach, da muss ich mir morgen eine Fahrkarte kaufen und fortfahren!", witzelt Schardt angesichts ihres bevorstehenden Ehrentags. 
Dass sie selbst an ihrem Hundertsten nicht gern im Mittelpunkt stehen möchte, begründet die rüstige Seniorin so: "Ich bin kein Typ, der Hof hält." Da ihre Mutter kein Geld gehabt habe, sei ihr Geburtstag von klein "nie ein großes Thema" gewesen. Dank ihrer Nichte Heidemarie Kaschny wird das kinderlose Geburtstagskind heute wohl allen Feierlichkeiten im Heim entfliehen. Ihr ist es nur recht: "Ich bin wunschlos glücklich, wenn man mich in Ruhe lässt." Überhaupt kann sich die Jubilarin nicht vorstellen, dass ihr Leben interessant genug für die Zeitung ist. 
  
  "Macht's erst einmal nach!"  Welche Leistung es bedeutet ein ganzes Jahrhundert zu vollenden, das scheint Schardt hingegen bewusst zu sein. "Macht's erst einmal nach!"