Die Coburger überwanden ihr Derby-Trauma und schickten den Tabellenführer HC Erlangen mit 24:20 (11:12) aus der proppenvollen HUK-Arena.
Unglaubliche Stimmung im Coburger Sporttempel. Weit über die offiziell verkündeten 3550 Zuschauern verwandelten die HUK-Arena am späten Sonntagnachmittag in ein Tollhaus. Und die Fans aus beiden Lagern kamen voll auf ihre Kosten, denn der Zweitliga-Schlager zwischen dem souveränen Tabellenführer HC Erlangen und Verfolger HSC 2000 Coburg hielt, was er im Vorfeld versprach.
Mit 24:20 (11:12) gewann der HSC Coburg sein erstes Derby. "Unser Derby-Trauma" haben wir überwunden", strahlte ein überglücklicher Sieger-Coach Jan Gorr nach dem Spiel.
Gorr überglücklich
Und er gratulierte nicht nur seinen Spielern, sondern auch den eigenen Fans, die ebenfalls ein schweres Spiel gehabt hätten: "Aber auch das haben wir heute gewonnen, obwohl sehr viele Erlanger Fans in der Halle waren".
Schon bei der Live gesungenen HSC-Hymne machten sich die Gästeschar auf den Rängen lautstark bemerkbar, so dass das Lied in der Halle kaum zu verstehen war.
HSC 2000 Coburg gegen
HC Erlangen 24:20 (11:12)
Dreimal Kiwi, ein verworfener Siebenmeter der Erlanger und drei Paraden von Adrenalin-Junkie Oliver Krechel waren in der Anfangsphase ganz nach dem Geschmack der Coburger Fans (3:2/8.).
Aber Erlangen zeigte schnell seine Qualitäten. Mit einem Klassekonter - eingeleitet mit einem Pass von Torsteher Stochl über das gesamte Feld zu Djozic, der scharf quer passte zum Vollstrecker Preiß - legten die Gäste einen erfolgreichen Zwischenspurt bis zum 4:7 (14.) hin. Die logische Folge: Gorr nahm postwendend die aus HSC-Sicht dringend erforderliche Auszeit.
Doch es wurde vorerst nicht besser. Zwar verkürzte Coßbau mit dem ersten Konter über Billek auf 5:7, doch zwei Fehlversuche von Gerlich - einer davon vom Siebenmeterstrich - eine Zeitstrafe gegen Riha und ein Pfostentreffer von Harmandic verhinderten noch die erhoffte Aufholjagd der "Gelben".
Die Erlanger Hünen standen aggressiv und eng am Kreis, ließen wenig zu und trafen nach lang ausgespielten Angriffen immer wieder selbst. Oft war der Arm der beiden guten Schiedsrichter schon oben, als der Ball doch noch hinter Krechel einschlug. Das war natürlich ganz nach dem Geschmack der nimmermüden Erlanger Anhänger, die langsam aber sicher gegenüber den zahlenmäßig klar überlegenen Coburgern Oberwasser bekamen.
Erst Recht als Coburgs Keeper Krechel vergeblich versuchte, einen Roller von Rechtsaußen Rahmel von der Linie zu kratzen (7:11/25.) und Gerlich bei einem aussichtsreichen Tempogegenstoß den Ball aus den Händen gleiten ließ.
Doch dann kam der spektakuläre Coburger Endspurt vor der Pause, der aus Sicht von Erlangens Trainer Robert Andersson letztlich sogar spielentscheidend war: Einem umstrittenen Stürmerfoul von Vitek folgte endlich das von den HSC-Fans so lang ersehnte erste Tor von Publikumsliebling Billek.
Als Gerlich tatsächlich vier Sekunden vor der Sirene noch zum 11:12-Anschlusstreffer traf, stand in der Halle kein "Gelber" mehr. Coburg war wieder im Spiel und schürte mit diesen wichtigen Toren die Erwartungshaltung für den zweiten Durchgang ganz erheblich.
Die Hoffnung, dass der Spitzenreiter aufgrund des kräfteraubenden Auswärtsspiels am Freitag, als in der Schlussphase immerhin ein Vier-Tore-Vorsprung wettgemacht wurde, im zweiten Durchgang nachlassen würde, war berechtigt.
Der Start in die zweite Hälfte verlief auch verheißungsvoll, als Billek mit einem tollen Heber schnell das 13:13 markierte. In der Abwehr stand der HSC jetzt bombensicher.
Jeder arbeitete aufopferungsvoll für seinen Nebenmann und brachte die Erlanger oft zur Verzweiflung. Es entwickelte sich die beste Defensivleistung g des HSC seit Saisonbeginn - zweifelsohne der Schlüssel zum späteren Sieg.
Zwei Gerlich-Granaten aus dem Rückraum brachten den 15:15-Gleichstand, ehe Lilienfelds sogar die Führung erzielte (41.). Spätestens jetzt bekam "Gelb-Schwarz" Oberwasser. Die Halle bebte, doch die Erlanger glichen in Unterzahl schnell wieder aus. Die Emotionen auf und neben der Platte nahmen zu. Die Zeitstrafen häuften sich - kein Wunder, denn das Frankenderby ging in seine entscheidende Phase.
Einen Schreckmoment gab es noch für Harmandic & Co., als Erlangen in doppelter Unterzahl binnen 35 Sekunden tatsächlich zwei Kontertore zur 18:16-Führung (44.) gelangen. Jetzt war Gorr gefordert. Er holte seine Jungs in einer Auszeit zusammen und schwor sie noch einmal ein. 16 Minuten vor dem Ende war noch nichts verloren.
Dann kam der große Moment für Krechel, als er bei einem Siebenmeter von Stranovsky dessen Lupfer roch und spektakulär im Rückwärtsfallen den Ball an die Latte lenkte. Billeks Heber auf der anderen Seite nach klugem Pass von Kiwi passte dagegen genau und es stand wieder Unentschieden (18:18./49.). Auszeit Andersson!
Die Schlussphase begann mit einem weiteren vergebenen Siebenmeter der Gäste und zwei Kontertoren durch Billek. 20:19 für den HSC. Jetzt war wieder Erlangen gefordert, weil Coburg dem Primus alles abverlangte. Die entscheidende Frage war, wer hat jetzt die größeren Kraftreserven?
Das Pendel schlug schließlich eindeutig für die Gastgeber aus, denn Krechel wurde immer stärker und vorne trafen Lilienfelds und Kiwi unter dem tosenden Applaus der über 3000 Coburger Fans zum 22:19 (55.).
Das war bereits die Entscheidung, denn fünf Minuten vor Schluss brach der Tabellenführer ein. Nach der letzten Erlanger Auszeit verwarf Coßbau einen Siebenmeter und Vitek traf nach Gegenstoß völlig frei nur die Latte. Doch das machte alles nichts, denn Krechel hielt in der vorletzten Minute seinen 14. Ball und Kiwi beseitigte mit einem wuchtigen Schlagwurf alle Zweifel am verdienten Derbysieg (23:20/58.).
Der Deckel war drauf und das gelb-schwarze Schaulaufen konnte beginnen. Die Coburger Fans waren aus dem Häuschen. Aber auch die Erlanger Anhänger präsentierten sich als faire Verlierer und feierten ihre Mannschaft noch Minuten nach dem Spiel.
Ein Handballfest vor gefühlten 5000 Zuschauern in der aus allen Nähten platzenden HUK-Arena ging zu Ende. Obwohl nicht alle Besucher in der dritten oder vierten Stehplatz-Reihe alle Aktionen barrierefrei verfolgen konnten, war die Begeisterung überschwänglich.
Und alles deutet daraufhin, dass sich diese beiden Teams bald wieder treffen - dann aber in der stärksten Liga der Welt.
HSC 2000 Coburg gegen
HC Erlangen 24:20 (11:12)
HSC 2000 Coburg: Kulhanek/Krechel - Hagelin 2, Kelm, Gerlich 3 (1/0), Kirchner, Vitek 2, Riha, Cossbau 3 (1/0), Billek 5, Riehn, Harmandic, Lilienfelds 4, Kirveliavicius 5.
HC Erlangen: Stochl/ Huhnstock - Theilinger 4, Link, Preiß 1, Herbst, Nienhaus, Hess 1, Djozic 3, Rahmel 4, Stranovsky, Rivesjoe 1, Nikolai Link 4, Thümmler 2.
SR: Andreas Pritschow / Marcus Pritschow.
Zuschauer: 3550 (ausverkauft).