Hilfe aus der Ferne

2 Min
Der Junge heißt Artem Trunow. Er ist acht Jahre alt. Ehe er den Rollstuhl bekam, konnte er das Bett nicht verlassen.
Der Junge heißt Artem Trunow. Er ist acht Jahre alt. Ehe er den Rollstuhl bekam, konnte er das Bett nicht verlassen.
Foto: Kinderhilfe

Die Pandemie bremst auch die Arbeit der Tschernobyl-Kinderhilfe Neustadt. Doch auch über Partner vor Ort lässt ich einiges ermöglichen, das Schicksale lindert.

Seit Beginn der Pandemie, kann die Tschernobyl-Kinderhilfe Neustadt keine jungen Ukrainer zur Erholung ins Coburger Land holen wie in den zwanzig Jahren davor. Die Helfer können auch nicht in die verstrahlten Gebiete reisen, aus denen sie die Kinder immer wieder holen. Das bedeutet aber nicht, dass sie nicht helfen können.

"Unser 61. Hilfstransport ist gerade in Lviv angekommen", sagt Dieter Wolf, der Vorsitzende des Vereins. Allein in diesem Jahr habe der Verein schon über 55 000 Euro ausgegeben, um Familien in der Katastrophenregion zu unterstützen. Von der Stadt in der Ostukraine aus werden die Pakete mit den Hilfsgütern dann auf kleinere Fahrzeuge umgeladen und zu den Partnern gebracht, an die sie gerichtet sind. "Wir müssen immer an vertrauenswürdige Partner schicken, die dann dafür sorgen, dass die Sachen bei den bedürftigen Familien auch ankommen", sagt Dieter Wolf.

Inzwischen wird am nächsten Hilfstransport gearbeitet. Der soll im August auf die Reise gehen. Im September wollen ihm dann einige Helfer des Vereins folgen. "Vor Ort übernehmen wir dann selbst die Verteilung", sagt Dieter Wolf. Er ist zuversichtlich, dass dann eine Reise in das Land wieder möglich sein wird. Alle, die mit ihm reisen wollen, sind vollständig gegen Corona geimpft. Außerdem hoffen sie, dass bis September alle Reisebeschränkungen weitgehend zurückgenommen werden.

Ob sie dann auch Kinder aussuchen können, die dann doch wieder im kommenden Jahr zur Erholung kommen können, ist ungewiss. Doch Hoffnung besteht. Kinder, die im vergangenen Jahr und heuer hätten kommen sollen und schon ausgesucht waren, gehen nun leer aus. Sie sind während der Wartejahre zu alt geworden. So müssten andere Bestimmungen eingehalten werden, die kaum zu erfüllen sind. Ihre Enttäuschung war groß. Schließlich wissen in der Region alle Kinder, was es bedeutet, von der Kinderhilfe ausgesucht und nach Deutschland geholt zu werden.

Hilfe bei Einzelschicksalen

Inzwischen hilft der rein auf Spenden angewiesene Verein vor Ort über Kontaktpersonen vor allem bei besonders drastischen Einzelschicksalen. So etwa im Fall des achtjährigen Jungen Artem Trunow. Die Schulleiterin machte Dieter Wolf auf ihn aufmerksam. Sein Schicksal ist beispielhaft für die Region, in der viele Familien zerrüttet sind. Väter, die in der Ostukraine im Krieg kämpfen oder gefallen sind. Perspektivlosigkeit, die oft in Alkoholismus und häusliche Gewalt mündet - so beschreibt Dieter Wolf, was er und seine Mitstreiter vor Ort immer wieder erleben.

Der Rektorin war die Schwester des Jungen aufgefallen, die ihre Schule besucht.

Das Mädchen war vor zwei Jahren mit einer Gruppe zur Erholung in Deutschland. "Die Schulleiterin hat mit ihr geredet und herausbekommen, dass die Mutter trinkt", berichtet Dieter Wolf. In dem Gespräch habe sich das Mädchen dann verplappert und von drei Geschwistern gesprochen. Es waren aber nur zwei bekannt.

Fälle von Inzest

Die Rektorin ging der Sache nach. So stieß sie auf Artem. Der behinderte Junge konnte sein Bett nicht verlassen. Sein Vater ist, wie auch bei seinen drei Geschwistern der Bruder der Mutter. Seine Geburt wurde nie gemeldet. Er existierte amtlich gar nicht. "Wir haben Valentina, der Rektorin Geld geschickt. Davon hat sie einen Rollstuhl gekauft", sagt Dieter Wolf. Damit kann der Junge erstmals auch außerhalb seines Bettes etwas von der Welt mitbekommen. Angesichts der Verhältnisse in der Familie, fügt Dieter Wolf hinzu: "Valentina hat ab jetzt ein Auge auf die Familie, damit der Rollstuhl auch da bleibt."

Immer wieder erfahren die Helfer aus Neustadt von solchen Fällen. Mütter, die selbst noch fast Kinder sind, von den Vätern ihrer Kinder im Stich gelassen und mit ihrem Leben heillos überfordert. Vor allem aber immer wieder Kinder, die in solche Verhältnisse hinein geboren werden und kaum eine Aussicht auf Hilfe haben. Dieter Wolf ist klar, dass er nicht allen Unterstützung bieten kann. Er weiß auch um die Korruption im Land und dass immer wieder auf betrügerische Weise versucht wird, sich Geld oder Hilfsgüter aus Deutschland zu erschleichen. Daher werden Hilfsgüter nur über Vertrauenspersonen verteilt - oder eben durch die Helfer selbst, die immer wieder in das Gebiet reisen.

Spendenkonto

Bankverbindung Wer den Verein Tschernobyl-Kinderhilfe Neustadt finanziell unterstützen möchte, kann das mit einer Spende über folgende Bankverbindung tun:

Sparkasse Coburg-Lichtenfels

IBAN: DE68 7835 0000 0000 3735 55

BIC: BYLADEM1COB