Wir haben 2022 knapp 100 Objekte, die wir in der Ausstellung zeigen, davon gibt es bei fast der Hälfte den Bezug Mensch, Natur und Umwelt - in unterschiedlichen Gewichtungen. Zum Teil spielt das Thema ganz plakativ eine Rolle, wenn es zum Beispiel um die Covid-Situation geht. Eine wichtige Rolle spielt der Nachhaltigkeitsfaktor. Da werden zum Beispiel Autoscheiben verwendet, Glas aus Ginflaschen. Recycling spielt eine Rolle. Wie gehe ich mit meiner Umwelt um?
Hat sich dieser Aspekt verstärkt?
Man spürt das Thema auch im Glas. Das Thema Recycling-Materialien gibt es ja schon seit 10, 15 Jahren. Dieses Thema war im Glas partiell angekommen, dass man mit Objekten, die man gefunden hat, einen neuen Kontext schafft. Das gab es auch schon beim Glaspreis 2014. Dieser Aspekt der Zweitverwendung, als Recycling oder auch als Upcycling, das ist im Glas da. In Covid-Zeiten war viel Material nicht verfügbar. Deshalb wurde aus Fundstücken ein neuer Kontext geschaffen. Glas ist einer der Werkstoffe, die extrem viel Energie brauchen, da ist die CO2-Diskussion ganz virulent. Die Bedeutung dieses Aspekts wird drängender. Das spürt auch die Glasindustrie in der Region ganz deutlich. Die Notsignale kann man hören. Da muss man überlegen: kann man hier mittelfristig, nicht nur langfristig, noch Glas produzieren?
In welcher Hinsicht spiegeln sich weitere wichtige Themen im Wechselspiel von Natur und Mensch auch in den aktuellen Glasobjekten wider?
Klimawandel, Sozialgeschichte - das wird ganz stark in den Objekten spürbar, das wird zunehmend eine Rolle spielen. Wir haben viele Objekte, die eine Geschichte erzählen, das Material thematisieren, die Eigenschaften, Transparenz, Zerbrechlichkeit. Die Natur ist fragil, da eignet sich Glas sehr gut. Das schmilzt zusammen zu Objekten, die eine Geschichte erzählen, die eine Message haben. Wir haben sehr eindringliche Objekte, die wir ab April zeigen werden. Die wirklich unter die Haut gehen - emotional mit ihrem Material arbeiten und auch die Eigenschaften des Materials transportieren.
Gibt es unter den Objekten in der Sammlung unter dem Aspekt Kunst und Natur ein Lieblingsobjekt für Sie?
Das Lieblingsobjekt gibt es in diesem Sinn nicht für mich - allein schon deshalb, weil die Objekte bei unterschiedlichen Raumsituationen ganz unterschiedliche Wirkungen haben. Ganz wunderbar sind unsere großen Glasmalereien am Fenster, wenn dann plötzlich Licht durchkommt - dann passiert unheimlich viel. Das berührt, das geht immer auch um Emotionen. Es gibt Objekte, die sehr emotional wirken. Es gibt Objekte, die technisch meisterhaft sind, es gibt viele Objekte. Es gibt Objekte, die wirken - je nach Licht - wie ausgetauscht. Diese Vielfalt verblüfft auch die Besucher. Plötzlich wird durch das Licht das Objekt zu einem neuen Objekt. Trotz des wiederholten Hinschauens kann man immer wieder Neues entdecken. Das macht auch den Reiz des Originals aus, das ist auch nicht am Bildschirm virtuell zu erfahren. Es gibt eine Musterführung online, aber die Emotionen, das Erlebnis - das gibt es nur vor Ort.
Gibt es ein besonders sinnfälliges Beispiel für diese Verwandlung durch Licht und Umgebung?
Der große Würfel von Josepha Gasch-Muche zum Beispiel - je nachdem, wo ich stehe, ist es Eis oder flauschig, ein weiches Fell, kalt oder warm. Wenn es draußen grün wird, dann ist das Objekt grün, wenn Schnee liegt, ist es weiß. Das ist interaktiv. Da ist ein Objekt, da ist die Umgebung - und ein Betrachter. So etwas passiert vor allem beim Glas - besonders bei einem Ausstellungsraum, der die Natur reinlässt wie im Glasmuseum in der Rosenau.
Hat sich Ihre Wahrnehmung der Aspekte Kunst und Natur verändert, seit Sie hier sind?
Man schaut genauer hin - immer noch. Durch die viele Seherfahrung, durch die Kenntnis der Objekte und der Künstler, die dahinter stehen, die man persönlich kennt - das ergibt ein Gesamt-Puzzle, das am Anfang vielleicht nur vom Objekt bestimmt war. Jetzt gibt es dazu noch eine Geschichte, ein Zeitfenster von 10, 15 Jahren, in denen sich die Künstler verändern, in denen sich die Arbeiten entwickeln, in denen sich die Welt entwickelt, in denen man sich selber verändert. Es wird zunehmend spannender - das ist eine Anreicherung an Erfahrungen, an Seherfahrungen. Acht Jahre nach dem Glaspreis 2014 sieht man die Objekte mit anderen Augen, entdeckt immer Neues.
Der Glaspreis 2014 wird auch das Museum verändern?
Ja, wir werden Objekte ankaufen, da gibt es schon eine Liste, wunderbare Sachen, die wir bisher gar nicht hatten. Problem ist der Platz und die Ausstellungs-Möglichkeit.
Müssen Sie dann anbauen?
Wir hoffen, dass wir manches von den Erwerbungen gut unterbringen können - und dann wird man sehen...
Das Gespräch führte Jochen Berger
Zur Person
Sven Hauschke ist seit August 2018 offiziell neuer Direktor der Kunstsammlungen der Veste Coburg. Als Nachfolger von Klaus Weschenfelder hatte er das Amt schon im Mai 2018 kommissarisch übernommen. Hauschke wurde 1967 in Viersen am Niederrhein geboren. Er studierte Kunstgeschichte in Augsburg und London. Das Thema seiner im Jahr 2003 vorgelegten Dissertation war "Die Grabdenkmäler der Nürnberger Vischer-Werkstatt (1453 bis 1544)". Thematischer Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit ist das Kunsthandwerk des 16. Jahrhunderts. Hauschke war zehn Jahre lang am Germanischen Nationalmuseum Nürnberg und in der Stadtbibliothek Nürnberg tätig, bevor er 2009 in Coburg die Verantwortung für das Kunsthandwerk und die Glassammlungen sowie die Leitung des Europäischen Museums für modernes Glas übernahm. red