Wie können die Bürger Gemündas die Zukunft ihres Dorfes gestalten? Mit dieser Frage befasste sich ein Workshop, dessen Ergebnisse nun vorgestellt wurden.
Erhalt des Schulbetriebs und der Löschgruppe, Sicherung der ärztlichen Versorgung, Gestaltung der Ortsmitte, dazu mehr Miteinander und Kommunikation sowie Integration von Neubürgern: Die Bürger Gemündas haben sich nicht nur große Ziele gesetzt. Viele sind auch bereit, an deren Verwirklichung mitzuwirken. "Es gibt hier eine große Bereitschaft zur kreativen Mitarbeit", lautete die Bilanz von Pfarrerin Kathrin Neeb in der Bürgerversammlung am Montagabend.
2016 war für den Seßlacher Stadtteil Gemünda und seine Bewohner ein Jahr voller Nackenschläge: Schließung der Arztpraxis, Aus für die Bankfiliale, Verlust von Arbeitsplätzen nach Tod des Unternehmers Richard Schleifenheimer und erstmals nach 49 Jahren kein Unterrichtsbetrieb im Schulhaus, so die bittere Bilanz zum Jahresende. Die Stiftung "1150 Jahre Dorfgemeinschaft Gemünda", die sich laut ihrer Statuten der "Förderung des bürgerschaftlichen Engagements" verpflichtet fühlt, nahm sich der schwierigen Situation an. Am 7. Januar 2017 lud sie zum Workshop, bei dem sich die Dorfbewohner mit Hilfe einer externen Moderatorin Gedanken darüber machen sollten, was sie selbst zur Lösung der Probleme beitragen könnten. 45 Bürger folgten der Einladung. "Es war eine unglaublich spannende Veranstaltung", erinnerte sich Stiftungsvorsitzender Hendrik Dressel am Montag.
Im Sportheim des TSV Gemünda stellten Teilnehmer unter der Leitung von Kathrin Neeb die Ergebnisse rund 120 interessierten Bürgern vor. Und zur Diskussion, denn "was 45 beschlossen haben, müssen nicht 500 gut finden", wie Neeb sagte. Mit der Eigeninitiative, so machte Dressel gleich zu Beginn deutlich, gehe es nicht darum in Konkurrenz zu den politisch Verantwortlichen in Seßlach zu treten.
Zunächst hatten sich die Teilnehmer Gedanken über die Stärken und Schwächen ihres Ortes gemacht. Fünf Themenbereiche kristallisierten sich heraus: das Miteinander im Ort (Kommunikation zwischen Alt- und Neubürgern, zwischen Alt und Jung), der soziale Kitt, die Situation der Feuerwehr, die Zukunft des Schulhauses und die ärztliche Versorgung.
Das Thema Kommunikation gingen die Initiatoren gleich nach dem Workshop an: Die Homepage wurde überarbeitet und ist jetzt auch unterwegs abrufbar. Ein Rundbrief informiert regelmäßig alle Haushalte. Regelmäßige Kart-Abende in der Mohnbiene schaffen Möglichkeiten zur Begegnung, auch wird die Einrichtung einer Bocciabahn hinter der Kirche erwogen. Dort könnte abseits des Verkehrs ein neuer Dorfmittelpunkt entstehen. Neubürger sollen zukünftig besucht werden. "Wir müssen über den Zaun hinausschauen und uns gegenseitig wahrnehmen", forderte Pfarrer Andreas Neeb. Zugezogene müssten sich von selbst stärker einbringen und auf die Nachbarn zugehen, meinte Rudi Deufert.
Um die Löschgruppe am Leben zu erhalten, stellte Giovanni Pfeuffer zwei Lösungsansätze vor: Zum einen wurde versucht, den Jüngeren die Dringlichkeit des Feuerwehrdienstes bewusst zu machen. Interessierte können am 27. März an einer Übung für Ungeübte teilnehmen (19.30 Uhr am Feuerwehrhaus). Zum anderen soll eine "Aktiv-Seniorenwehr" einspringen. Hier müssen aber noch die rechtlichen und versicherungstechnischen Voraussetzungen geklärt werden. Über 63-Jährige könnten durchaus aushelfen, schließlich sei jeder zur Leistung von Erster Hilfe verpflichtet. Kreisbrandrat Manfred Lorenz zeigte sich zu Gesprächen bereit, sobald die Umsetzbarkeit der Idee geklärt ist. Mit Verweis auf die gute Jugendarbeit im Stadtgebiet regte Lorenz an, Gemünda zum Ausbildungszentrum für den Feuerwehrnachwuchs zu machen. Bürgermeister Martin Mittag (CSU) stellte klar, dass die Stadt kein Interesse daran habe, die Löschgruppe zu schließen.
Bildungshaus in Gemünda?
Anna Belau stellte die Überlegungen der Arbeitsgruppe zur Zukunft des Schulhauses vor. Sie kritisierte, dass viele der für das Aussetzen des Schulbetriebs ins Feld geführten Argumente "nicht stichhaltig" seien, dagegen sehr viel für einen Erhalt der Gemündaer Schule spräche. Ihre Bitte galt Mittag: "Wir bitten Sie, uns zu helfen, die Schule zu erhalten." Belau regte an, in Gemünda das Bildungshaus-Konzept zu erproben. Die Voraussetzungen seien mit Kindergarten, Schule und Nachmittagsbetreuung vorhanden. Diese Gelegenheit gelte es am Schopfe zu packen, um den Schulstandort zu sichern, unterstützte Gudrun Jöchner (FW) die Idee. Bis Ostern würden die Schülerzahlen für 2017/18 feststehen; vor einer Entscheidung über den Schulbetrieb werde es Gespräche mit allen betroffenen Eltern geben, versprach der Bürgermeister. Weiter werde die Stadt eine "fünfstellige Summe" in die WC-Anlagen investieren. Mittag: "Der Kindergarten und das Schulhaus stehen außer jeder Debatte."
Carsten Höllein (SPD) wies daraufhin, dass der Schulleiter entscheide, wo die Klassen unterrichtet würden. Der Vorsitzende des TSV Gemünda bot Sportstunden in Vereinsregie an.
Ein Arzt für Gemünda?
Am emotionalsten und intensivsten wurde über die ärztliche Versorgung diskutiert. "Von allen Seiten wurde uns Unterstützung zugesagt, wenn wir es schaffen, einen Arzt für die Gemündaer Praxis zu finden", informierte Axel Dressel. Einen Interessenten gebe es bereits. Da dieser die Praxisräume nur mieten, Dr. Hänisch aber nur verkaufen möchte, brachte Dressel eine Investorengemeinschaft zum Ankauf des Anwesens ins Gespräch. Sowohl für die Ausstattung der Praxis als auch für den Erwerb der Immobilie stünden Fördermittel in Aussicht. "Allerdings müssen wir selber in die Bütt", so Dressel junior. Mehrfach musste sich Mittag des Vorwurfs aus der Versammlung erwehren, zu wenig für die Sicherung der ärztlichen Versorgung allgemein und speziell die Wiederbesetzung der Hänisch-Praxis getan zu haben. "Ich habe allen Interessenten immer zuerst Gemünda angeboten", widersprach der Rathauschef. Doch gehe der Trend zum Ärztehaus, junge Mediziner scheuten sich, allein eine Praxis zu übernehmen. Deshalb warnte Mittag auch vor vorzeitiger Euphorie. "Wenn es aber mit dem Interessenten klappt, bin ich glücklich."
Andreas Neeb warnte vor einer Rivalität zwischen Seßlach und Gemünda: "Die gute ärztliche Versorgung in der Region ist doch unser gemeinsames Ziel." Andreas Aladi vermisste eine "Vision", gerade angesichts der Konkurrenz zu anderen Kommunen. "Unsere Vision ist der Bau eines Ärztehauses, das für Fachärzte modular erweiterbar ist", erwiderte Mittag. Um die vorhandene Immobilie tatsächlich einzubeziehen, beantwortete er eine Nachfrage Neebs, brauche es die Unterschrift eines Interessenten. Schließlich erklärte sich der Bürgermeister bereit, "die Last auf vielen Schultern zu verteilen", wie Andreas Neeb es ausdrückte. Er lud die Arbeitsgruppe mit Axel Dressel, Philipp Großkreutz und Silvia Franz zum Gespräch mit dem Stadtrat ein. "Wichtiger sind jedoch zuerst die Gespräche mit interessierten Ärzten", so Mittag.