Faszinierender Feuervogel in Coburg

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Der Phoenix (Joshua Limmer) rettet die Welt. Henning Rosenbusch
Der Phoenix (Joshua Limmer) rettet die Welt. Henning Rosenbusch
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Strawinsky in vielfältigem Klang und hinreißende Tanzkunst in drei unterschiedlichen Choreografien beschert das Landestheater Coburg.

Das Gute siegt. Der Phoenix holt die Menschen aus ihrer Erstarrung und Verzauberung. Das gute Tanztheater siegt triumphal mit diesem dreiteiligen Ballettabend am Landestheater Coburg unter den Flügeln des "Feuervogels", der zu den besonderen unter vielen reizvollen Inszenierungen gehört.
Es ist die Vielfalt und gleichzeitig dramaturgisch stimmige Einheit, die das Premierenpublikum am Samstag begeistert in eine schon sommerlaue Nacht entließen. Zuvor war es auf dreifache Weise in den Sternenhimmel des Bühnentanzes entführt worden, alles einem einzigen Komponisten gedankt, Igor Strawinsky, aber gleich drei Choreografen. Und wieder einmal auch einem machtvollen Bühnenbildner. Doch der Reihe nach:
Wir haben ein wunderbar aufgelegtes Philharmonisches Orchester. Dessen strahlender junger Dirigent Johannes Braun führt die Musiker von der intellektuellen Herausforderung in Strawinskys an der Zwölftonmusik orientiertem "Septett" über dessen tiefer Verbeugung rückwärts zu Pergolesi ins 18. Jahrhundert und dann in die ungemein spannungsreiche spätromantische Verzauberung des "Feuervogels". Alle Instrumentengruppen präsentieren diese Welten in überlegener, bannender Klarheit und Präzision. Vor allem aber weiß Johannes Braun Spannung aufzubauen, die den Atem nimmt, im Hauptwerk von einer geradezu hypnotischen Verhaltenheit im Garten des bösen Zauberers Kastschei bis zur lodernden, triumphierenden Wiederkehr des Lebens und der Liebe.


Tanz, purer Tanz

In diesem weiten musikalischen Raum erlebt man am Landestheater zunächst als reizvollen Einstieg die eher abstrakte, kurze "Septett"-Choreografie von Uwe Scholz (1958 - 2004), die dessen Mitarbeiterin Maria Beatriz Albuquerque de Almeida einstudiert hat. Zum seriellen Prinzip der von Strawinsky hier ausnahmsweise praktizierten Zwölfton-Anwandlung darf man durchaus anmerken, dass musikalisch mitreißend etwas anderes ist.
Doch das Coburger Ballettensemble in dieser klassischen und gleichzeitig eigenen Ausdruckskraft von Uwe Scholz zu erleben, ist sehr spannend. Die Tänzerinnen und Tänzer, in einfachen blauen Trikots, fließen in unterschiedliche Konstellationen, arrangieren sich - wie die Notenzeichen - zu grafisch abstrakten Bildern.


Sieben Musiker, sieben Tänzer

Sieben Musiker und sieben Tänzer, ja, aber aus dem Tanz muss nicht ständig "Bedeutung" herauszulesen sein. Die Tanzkunst kann autark sein, dem Körper, der Bewegung, Klang und Rhythmus hingegeben. Uwe Scholz hat dem klassischen Vokabular neue Ausdruckskraft verliehen, indem der hochstrebende Spitzentanz unerwartet untypisch in abgewinkelten Gestus führt, in die Hebefigur mit gegeneinander gebogenen Beinen.
Dann hat uns der Coburger Tänzer Takashi Yamamoto eine bereits beachtliche kleine Bühnengeschichte geschaffen. Ach wie süß dappeln diese Commedia dell' arte-Figürchen in ihren gar nicht so witzigen, sogar sehr bösartigen Masken durch ihre Welt, durch Strawinskys Pulcinella Suite. Die Yamamoto ironisch zu "Pulcinella Sweet" werden lässt, indem er witzig und einfallsreich hinter die Masken gucken lässt. - Wie ungezwungen frei und neu intensiv doch die Körpersprache dieser jungen Choreografen ist; von Takashi Yamamoto darf man noch einiges erwarten.
Schon hier hatte der ursprünglich von der Augsburger Puppenkiste kommende Ausstatter Andreas Becker mit seinen oftmals abgründigen Einfällen fasziniert. Für den Hauptteil des Abends, dem "Feuervogel" in der Choreografie des Coburger Ballettchefs Mark McClain, entfaltet Andreas Becker wieder einmal seine düster-prachtvollen Märchenwelten.
Aus einer mächtigen Bildergalerie zieht er uns raffiniert hinter die riesigen Gemälde. Blätterwerk legt sich über die Bühne, ein Sternenhimmel, wie er nur bei Andreas Becker leuchtet. Loderndes Feuer, das auf den Körpern der Tänzer seine Male hinterlässt. Der Feuervogel tritt, allmählich lebendig werdend, durch sein Abbild.
Und wie uns nun Mark McClain diesen finster-schönen russischen Märchenzusammenschnitt erzählt, ist hinreißend. Expressiv, innig, prägnant auf Strawinskys Musik gesetzt, keine formelle Tänzelei, es sei denn, die verzauberten Jungfrauen drehen sich im Kreis.


Hinreißende Solisten

Wenn man sich über alle drei Tanzstücke des Abends hinweg in Timing und Synchronität mitunter noch mehr Präzision wünschen mag, so sind die Coburger Tänzerinnen und Tänzer in ihren jeweiligen Rollen als Solisten faszinierend ausdrucksstark und technisch rundum überzeugend.
Allen voran der elegante Jaume Costa i Guerrero als neugieriger, hingebungsvoll einfühlsamer Iwan Zarewitsch, der die schöne Zarewna (Lucia Sara Colom Garcia) gewinnt. Den Feuervogel (Lauren Limmer, mit diesem Quäntchen Eigenwilligkeit der nicht fassbaren Märchenfigur) nimmt er immerhin so für sich ein, dass er die am Ende rettende Feder erhält. Ohne sie würde er dem bedrohlichen Kastschei, dem schwarz-eindringlichen Joel Paulin, dessen Dämon (Takashi Yamamoto hier als markanter Tänzer) und deren monstrigen Goloms als Helfern (die geschickt eingesetzte Statisterie) erliegen.
Aus dem Feuervogel wird der mächtige Phoenix, den uns Joshua Limmer in großer Prägnanz und Ausstrahlung einprägt. - Spannend. Atemberaubend. Herrliches Märchenballett und noch mehr am Landestheater Coburg.


Die Produktion Landestheater Coburg, dreiteiliger Ballettabend zu Musik von Igor Strawinsky. Musikalische Leitung Johannes Braun, Ausstattung Andreas Becker, Dramaturgie Susanne von Tobien. Es spielt das Philharmonische Orchester Landestheater Coburg, es tanzt das Ballett Coburg.

"Septett" Abstraktes Ballett von Uwe Scholz, Einstudierung Maria Beatriz Albuquerque de Almeida.

"Pulcinella Sweet" Choreografie Takashi Yamamoto zu Strawinskys Pulcinella Suite.

"Der Feuervogel", Choreografie Mark McClain, choreografische Mitarbeit Tara Yipp.

Weitere Termine 17., 30. Mai, 1., 6., 8., 16. Juni, 19.30 Uhr