Einfach nicht zum Dienst erschienen

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Soldaten der Bundeswehr in der Grundausbildung Symbolfoto: Stefan Sauer/dpa
Soldaten der Bundeswehr in der Grundausbildung Symbolfoto: Stefan Sauer/dpa

Ein damals 17-jähriger Neustadter verpflichtet sich für neun Jahre zum Bundeswehrdienst, doch er bleibt der Kaserne fern. Jetzt steht er vor dem Kadi.

"Das war die Geschichte eines großen Missverständnisses", sagte Rechtsanwalt Christian Müller in seinem Plädoyer. "Mein Mandant hat sich zum Bundeswehrdienst verpflichtet, ohne sich klarzumachen, was es bedeutet, Soldat zu sein." Als 17-Jähriger habe der Neustadter sich mit Genehmigung des Vaters leichtfertig zum Dienst an der Waffe verpflichtet, ohne jedoch die nötige Reife dafür vorzuweisen, die diese Verantwortung mit sich brächte.

Im August 2016 blieb der junge Mann, der mittlerweile 19 Jahre alt ist, dem Dienst in seiner Kaserne in Roding zum Missfallen seiner Vorgesetzten insgesamt drei Mal fern, einmal mit einem Attest einer zivilen Ärztin. Am Donnerstag musste er sich dafür vor dem Amtsgericht in Coburg verantworten. Staatsanwältin Tatjana Winderholer warf ihm Fahnenflucht vor.


Die Bedeutung war ihm wohl nicht bewusst

Sein Anwalt Christian Müller gab für ihn eine Erklärung ab: Sein Mandant, der den Dienst bei der Bundeswehr im April 2016 begonnen habe, sei der Meinung gewesen, sich für sechs Monate in einer Art Probezeit befunden zu haben. "Er hat dann schnell gemerkt, dass der Dienst nicht das ist, was er sich vorgestellt hat, und sich überlastet gefühlt." Zunächst habe er sich krank gemeldet und auch angegeben, Ärzte aufgesucht zu haben, was allerdings nicht der Tatsache entspreche. Nach einem deutlichen Gespräch mit dem Kompaniechef über die Konsequenzen seines Verhaltens, habe der junge Mann seine Entlassung beantragt. "Ihm war der Inhalt des Soldatengesetzes nicht bewusst, er war der Meinung, in der Probezeit gekündigt und sein Dienstverhältnis mit dem Antrag beendet zu haben."

Nach Angaben eines Angehörigen der Bundeswehr habe der junge Mann noch rund zwei Wochen bis zum endgültigen Ausscheiden aus dem Dienst abzuleisten gehabt. Das habe er seinem Schützling auch klar zu verstehen gegeben, sagte er. Trotzdem blieb der 19-Jährige dem Dienst ein drittes Mal fern. Richter Timm Hain verlas aus der internen Disziplinarakte, in der die eigenmächtige Abwesenheit als Dienstvergehen gewertet wurde. Auf disziplinarische Maßnahmen wurde jedoch, weil der Soldat noch nicht lange genug gedient hatte, verzichtet.


Ganz viel Verwirrung

Weil der Neustadter in manchen Dokumenten als "Soldat auf Zeit" (SAZ) und in einem Kündigungsdokument wiederum als Freiwilliger Wehrdienstleistender (FWDL) geführt wurde, habe dies bei seinem Mandanten für weitere Verwirrung gesorgt, erklärte der Verteidiger. Auch das Kündigungsdokument, das der junge Mann unterzeichnete, hätte als solches wohl für die Quittierung des Dienstes gar nicht hergenommen werden dürfen. Laut einer von ihm unterzeichneten Verpflichtungserklärung hätte der junge Mann seinen Dienst ohne Angaben von Gründen lediglich widerrufen müssen und so ganz unkompliziert aus dem Dienst ausscheiden können, erklärte Müller. Stattdessen musste der 19-Jährige einen förmlichen Antrag stellen, in dem eigentlich auch ein Grund für das Ausscheiden hätte stehen müssen. Die Spalte blieb jedoch leer, ebenso war in dem Dokument kein Datum für das genaue Ausscheiden genannt. Das veranlasste den Verteidiger zu der Bemerkung, dass "diese Angelegenheiten in den Büros recht hemdsärmelig gelöst" würden. "Da schreibt es einfach einer ab und einer unterschreibt. Wäre es möglich, dass man sich in dem Fall gar keine Gedanken gemacht hat, was man schreibt, einfach, weil man das immer schon so gemacht hat?", fragte er den Zeugen von der Bundeswehr, der den jungen Mann bei seiner Kündigung unterstützt hatte. Der Zeuge beteuerte, den 19-Jährigen über seine Pflichten und die zweiwöchige Kündigungsfrist genau aufgeklärt zu haben.


Gewisse Reiferückstände

Der junge Mann hat zwei Einträge im Bundeszentralregister und musste dafür eine Jugendstrafe ableisten. Nach dem qualifizierenden Hauptschulabschluss, den der junge Mann mit einem "gut" abschloss, habe er im Berufsleben keinen Fuß fassen können, sagte eine Mitarbeiterin des Kreisjugendamtes aus, die den Prozess als Jugendgerichtshilfe begleitete. Letztlich habe sich der 19-Jährige dazu entschlossen, sich bei der Bundeswehr zu verpflichten, um etwas "Festes" zu haben. Die Zeugin schilderte den jungen Mann als schüchtern und unsicher, aber auch höflich und kooperativ, bemerkte aber gewisse Reiferückstände und empfahl die Anwendung des Jugendstrafrechtes. "Er hat es noch nie geschafft, etwas durchzuhalten", sagte sie. Auch auf die Jugendstrafe - Sozialstunden und ein kurzer Arrest - sei er nicht "angesprungen."

Staatsanwältin Tatjana Winderholer plädierte auf die Verhängung von 160 Sozialstunden und forderte, einen Betreuer für den jungen Mann einzusetzen. Sie wertete zum Nachteil des Angeklagten, dass er schon mehrmals straffällig in Erscheinung getreten sei und wenig daraus gelernt habe. "Er muss endlich mal spüren, dass seine Handlungen Konsequenzen haben", sagte sie. Für den jungen Mann spreche sein Teilgeständnis und sein Ziel, sich eine Arbeit und eine Ausbildungsstelle zu suchen.

Richter Timm Hain sprach den Angeklagten in zwei Fällen der Fahnenflucht schuldig, stellte ihm für sechs Monate einen Betreuer zur Seite und verurteilte ihn zu 80 Stunden gemeinnütziger Arbeit.