Eine imposante Vorführung im Wildpark Tambach

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Falknerei-Helfer Jürgen Vogelhuber lässt Zwerggänsegeier Sam von seinem Arm in die Lüfte aufsteigen. Fotos: Thomas Heuchling
Falknerei-Helfer Jürgen Vogelhuber lässt Zwerggänsegeier Sam von seinem Arm in die Lüfte aufsteigen.  Fotos: Thomas Heuchling
Falkner Achim Schmidt.
Falkner Achim Schmidt.
 
 
Karolina Gasteiger mit Greifvogel Sperber "Gimli"
Karolina Gasteiger mit Greifvogel Sperber "Gimli"
 
Wüstenbussard im Flug.
Wüstenbussard im Flug.
 
 
 
 
 
 
Nah dran. Die Vögel fliegen direkt über das Puplikum.
Nah dran. Die Vögel fliegen direkt über das Puplikum.
 
 
 
Uhu-Weibchen Teo.
Uhu-Weibchen Teo.
 

Greifvögel haben einen eigenen Charakter, wie Falkner Achim Schmidt weiß. Er verrät die Geheimnisse, Tricks und Trainings der Falkner-Kunst. Durch die gute Pflege erreichen die Tiere ein beeindruckendes Alter und bekommen sogar Physiotherapie. Aber ein Tier hat bei der ganzen Sache nichts zu lachen.

"Pieps", der wichtigste Mitarbeiter, wie Karolina Gasteiger ihn nennt, hat in der Erlebnisfalknerei im Wildpark Tambach die wohl undankbarste Aufgabe. Eigentliche sind es mehrere Piepse. Sogenannte Ein-Tages-Küken, die an den Gänsegeier Andrea oder das Uhu-Weibchen Teo verfüttert werden.

Aber unkenden Gästen, die über das Schicksal der kleinen Tiere seufzen oder gar protestieren wollten, nimmt Gasteiger, die an diesem Vormittag die Falkner-Show moderiert, schnell den Wind aus den Segeln: "Die Küken sind sogenannter Zivilisationsabfall. Ein Tag alte männliche Küken, die keine Eier legen und auch nicht zur Fleischproduktion geeignet sind." Die gelben Winzlinge, die nicht in den Umhängetaschen von Gasteiger und ihren Kollegen Falkner Achim Schmidt und Helfer Jürgen Vogelhuber landen, finden ihren frühen Tod im industriellen Kreislauf der Fleischproduktion.

Den Greifvögeln dienen die Piepse als Leckerei.
Achim Schmidt setzt sie zum Trainieren und für die Show ein. "Anders als Hunde reagieren Greifvögel nur auf das Belohnungsprinzip, negative Konsequenzen interessieren die Tiere nicht", erklärt der Falkner. Der 40-Jährige ist seit Anfang des vergangenen Jahres in der Tambacher Falknerei, dem letzten Standort des bayerischen Jagdfalkenhofs. "Ich habe schon ein paar Stationen hinter mir, aber das ist als Falkner normal", sagt Schmidt. Von seiner Zunft gibt es in Deutschland, nach Schmidts Einschätzung, rund 1500 bis 1700 aktive Falkner in der Beizjagd (Beizjagd, ist das Abrichten, die Pflege und das Jagen mit Hilfe eines Greifvogels), hauptberuflich machen es weniger.

Jagdinstinkt wird genutzt

Die Grundlage des Trainings für Greifvögel beschreibt Schmidt so: "Wir nutzen den Jagdinstinkt der Tiere und sie müssen lernen, dass es einfacher ist ihr Futter von mir zu bekommen." Außerdem reagieren die Tiere nicht auf Stimmen, aber dafür können sie mit ihren Augen extrem weit und scharf sehen. Ein Geier, auf Beutesuche über offenem Gelände, erkennt einen toten Hasen aus einer Höhe von mehreren Kilometern.

Diese Beute wird dann mit den Fängen gegriffen, daher der Name Greifvogel. Und diese haben ordentlich Kraft: "Ein Steinadler kann mit seinen Klauen an die 120 Kilogramm auf einen Quadratzentimeter pressen, dass ist die achtfache Kraft des Kiefers eines Pitbulls", sagt Schmidt. Deshalb sind Adler auch nichts für Falkner-Anfänger. "Der Falkner-Handschuh ist zwar keine Pflicht, aber jeder Falkner benutzt ihn", verrät Schmidt. Dieser ist aus Leder und hat ein ordentliches Eigengewicht. Spätestens, wenn noch ein Adler oder Geier mit vier oder fünf Kilogramm darauf sitzt, kommen Schmidt und Kollegen ganz schon ins Schwitzen.

Ein weiteres Utensil in der Falknerei ist die Haube, Schmidt weiß auch was es damit auf sich hat: "Die nutzen wir zur Beruhigung der optisch gesteuerten Tiere. Es ist wie bei einem Wellensittich, wenn man ein Handtuch über den Käfig legt, denken die Tiere es ist Nacht." Beim Begriff Raubvogel, der oft gleichwertig zum Greifvogel verwendet wird, versteht Schmidt keinen Spaß: "Wir Falkner hören diesen Namen nicht gern. Die Tiere rauben ja nichts, dass ist ein veralteter Begriff."

40 Greifvögel in Tambach

Jetzt geht gleich die Vorführung los. Eine kurze Besprechung zwischen Schmidt, Gasteiger und Vogelhuber, welche Vögel heute zum Einsatz kommen und wer welche Rolle übernimmt - Gasteiger moderiert. Immerhin 40 Tiere beherbergt der Falken-Hof und noch weitere in der Zuchtstätte bei Fürth, wo eine Vielzahl heimischer und nicht heimischer Greifvogelarten, auch zu Auswilderunsgzwecken nachgezüchtet werden.
Rund 10 bis 15 Kilogramm Fleisch fressen Toni, Teo und die anderen Vögel in Tambach pro Tag. "Je kleiner ein Vogel desto mehr Fleisch muss er prozentual täglich fressen, so zehn bis 20 Prozent des Körpergewichts. Es hat etwas mit dem Stoffwechsel zu tun", erklärt Schmidt. Was dieser spezielle Stoffwechsel mit der Stimmung der Tiere macht zeigt sich später bei der Falkner-Show.

Fast so alt wie Menschen

Durch die Pflege und Versorgung, "wie in einem Fünf-Sterne-Hotel", so Schmidt, erreichen die Tiere fast menschliche Altersspannen. "Je größer der Vogel, desto älter kann er werden. Adler können bis zu 50 Jahre und Geier sogar bis an die 80 Jahre alt werden", erklärt Schmidt. Wenn einem seiner Schützlinge ein Unfall passiert, denn wird sogar Physiotherapie mit ihnen gemacht. So ergeht es gerade Mönchsgeier Toni mit seinem gebrochenen Flügel, den er durch eine Landung auf der Straße und den Zusammenstoß mit einem Auto erlitten hat. "Wir lassen Toni auf den Arm hüpfen, um die Muskeln in seinem Flügel wieder langsam aufzubauen", so Schmidt.

Vor der Kulisse des Schlosses haben rund 25 Gäste Platz genommen. Gasteiger betritt den Rasen, erzählt die Geschichte der Beizjagd und gibt einige Sicherheitseinweisung. Denn die Tiere fliegen direkt über die Köpfe der Zuschauer. Auf der Tribüne stehen Vogelhuber und Schmidt. Sie lassen die majestätischen Tiere mit der Hilfe von Pieps - den Küken - zwischen sich und Gasteiger hin und her fliegen - ein beeindruckendes Schauspiel. Nun zeigt sich auch die Besonderheit des Stoffwechsels.

"Vögel vertragen große Temperaturschwankungen nicht so gut", erklärt Schmidt. Deshalb verabschieden sich einige Vögel wieder in den Schatten und landen nicht auf dem Handschuh, aber ein Pieps lockt sie denn doch nochmal vor.

Geschichte der Falknerei und warum Greifvögel so gut sehen können:

Entstehung Vermutlich vor rund 3500 Jahren entstand die Beizjagd in Zentralasien. Sie war für die Steppe eine geeignete Jagdform. Im westlichen Europa hatte die Falknerei ihre Blütezeit vom 11. bis zum 13. Jahrhundert. Sie entwickelte sich zu einem Privileg für den Adel. Die Techniken wurden durch den Austausch mit arabischen Falknern erheblich verfeinert. Im 19. Jahrhundert geriet die Beizjagd durch Schusswaffen in den Hintergrund.

Sehfähigkeit
Die extreme Sehschärfe verdanken Vögel bis zu einer Million Lichtrezeptoren auf einem Quadratmillimeter in ihrem Auge. Fünfmal so viele wie beim Menschen. Zusätzlich ist die Linse ideal an das Entfernungssehen angepasst. Ein Geier könnte diesen Artikel vom anderen Ende eines U-Bahn-Waggons lesen.