Für mehr als die Erledigungen des täglichen Bedarfs geht Maria nur selten aus dem Haus. Panikattacken und Angstzustände bestimmen die Ausflüge vor die Tür. Dass sie ihre Arbeit daheim vom Handy und Laptop aus machen kann, sei ihr großes Glück, sagt sie. Ihr größter Kampf sei aber der zurück in ihr Leben, mit aller Kraft. Und sie hoffe, mit heiler Haut und halbwegs intakter Partnerschaft "aus diesem Mist rauszukommen". Das Schreiben hilft ihr dabei.
Trotzdem gebe es immer wieder die Tiefpunkte: "Die Momente, in denen ich im Laden stehe und heule, weil eine Schwangere an mir vorbei läuft. Der Moment, in dem ich neben meinem Partner liege und mir klar wird: Das war es jetzt. Er und ich. Da kommt nichts mehr. Und dann ist da eine Leere, die nichts füllen kann."
Aber warum macht sie ihr Schicksal so öffentlich? Sie möchte anderen an schwierigen Tagen Mut machen. "Vielleicht kannst du mit und über mich lachen, und manchmal sogar die ein oder andere Inspiration finden. Wenn du auf der Suche nach einem linearen Lebenslauf bist, nach einem glücklichen Hollywood reifen Bilderbuchleben, dann bist du hier falsch", schreibt sie in der Einladung zu ihrem Blog.
Hilfe für Betroffene
Maria gibt Hilfestellung für den richtigen Umgang mit Menschen die an psychischen Erkrankungen wie einer Poststraumatischen Belastungsstörung oder Panikattacken leiden. Sie zeigt Wege auf, wo verwaiste Eltern Hilfe bekommen und wie man mit ihren als Angehöriger umgeht ohne in große Stille zu verfallen. Wie schwierig es ist, sich als verwaiste Eltern in der Gesellschaft zu bewegen, schildert sie an einem Beispiel: "Kinder die ihre Eltern verloren haben bezeichnet man als Waisen, der Verlust des Ehepartners macht einen zum Witwer oder zur Witwe. Was aber passiert, wenn man sein Kind zu Grabe tragen muss? Ist man dann kinderlos?"
Haben Sie Kinder?
Und: Was antwortet man, wenn einen die meistens zum Smalltalk gebrauchte Frage: ,Haben Sie Kinder?" gestellt wird? Maria: "Antwortet man wahrheitsgemäß mit Ja, muss man davon ausgehen sich weiteren Fragen gegenüber zu sehen. ,Wie alt ist es denn? Junge oder Mädchen?" Wenn man dann aber aufklären muss, dass man sein Kind oder gar seine Kinder zu Grabe getragen hat, kann man sich sicher sein als absoluter Partycrasher zu fungieren." Alternativ könne man natürlich auch mit einem schlichten Nein antworten - "was ein furchtbar schlechtes Gewissen auslöst, das eigene Kind gerade verraten zu haben." Außerdem kämen dann regelmäßig weitere indiskrete Nachfragen. Ob denn Nachwuchs geplant ist? Oder wann der kommen könnte?
Maria: "Allein diese kleine Alltagssituation beschreibt gut, was verwaiste Eltern sind: Eine Randgruppe. Man ist kein Elternpaar, aber man ist auch nicht kinderlos. Man gehört in einer Situation, in der man dringend Halt benötigt, nirgends wirklich dazu. Man treibt umher, ohne genau zu wissen, als was man sich fühlen darf."
In ihrem Blog beginnt Maria mit einem Trauertagebuch und beschreibt die ersten Monate nach dem Verlust: "Der Tod meiner Kinder lag erst wenige Tage zurück. An Silvester oder meinen Geburtstag an Neujahr, habe ich nur lückenhafte und schmerzliche Erinnerungsfetzen. Ich habe das Haus nur dann verlassen, wenn ich einen Arzttermin hatte. Meistens gelang mir der Weg dorthin nur nach zwei bis drei Anläufen. Ich kann nicht mehr wirklich beschreiben, wie ich mich da gefühlt habe. Absolute Taubheit würde es wohl am treffendsten beschreiben. Ich hatte tägliche Panikattacken, ständige Ohnmachtsanfälle - zum Teil mehrfach täglich - und natürlich auch die daraus resultierenden Verletzungen, wie Gehirnerschütterungen, Hämatome, Prellungen. Ich lebte vollkommen abgekapselt. Dass da noch ein Vater war, der ebenfalls seine Kinder verloren hatte, nahm ich nur am Rand war. Ich konnte mich kaum noch auf ihn einlassen, ich wollte ihn am liebsten nicht mehr sehen. Nicht weil ich ihn nicht mehr geliebt hätte, sondern weil er mich daran erinnerte, welch Versagen unsere Beziehung doch ist. So sah ich das."
Kann ein Assistenzhund helfen?
Irgendwann standen die Diagnosen fest: Posttraumatische Belastungsstörung, generalisierte Angststörung und daraus resultierende stressbedingte Ohnmachtsanfälle. Und auch Jahre nach dem Verlust begleiten Panikattacken und Dissoziationen sie auf ihren Weg in den nächsten Supermarkt. Lebensqualität und ein unbeschwertes Leben? Unmöglich? Der Labrador Buddy, den sie sich als Familienhund angeschafft hat, soll dies ermöglichen. Er wird derzeit zu einem PTBS-Assistenzhund ausgebildet und ist Marias Hoffnung auf das Ticket zurück ins Leben.
Die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) tritt als eine verzögerte psychische Reaktion auf ein extrem belastendes Ereignis katastrophenartigen Ausmaßes auf, wie schwere Erkrankungen, Unfälle, Krieg oder Missbrauch
In Folge des Traumas leidet der Erkrankte bei einer PTBS fortan an permanenten Flashbacks, Angstattacken, Dissoziationen, Schlaflosigkeit und emotionaler Abgestumpftheit.
Eine Panikattacke ist eine kurze Phase extremen Leids, extremer Angst oder Furcht, welche plötzlich einsetzt und von körperlichen und/oder emotionalen Symptomen begleitet wird. Panikstörungen sind wiederkehrende Panikattacken, die zu einer übermäßigen Angst vor zukünftigen Attacken und/oder zu Verhaltensänderungen führen, mit denen Situationen vermieden werden sollen, die einen Anfall auslösen könnten.
Panikattacken können Symptome wie Brustschmerzen, ein Gefühl des Erstickens, Schwindel, Übelkeit und Atemnot verursachen.
Panikattacken sind relativ häufig und kommen pro Jahr bei mindestens elf Prozent der Erwachsenen vor.