Der gebürtige Italiener Enzo Albanese kümmert sich um rund 70 Blinde und Sehbehinderte im Landkreis Coburg und um viele andere, die seine Hilfe brauchen - seit Jahren. Die Tatsache, dass er selbst auch blind ist, wird dabei zur Nebensache.
Mit langsamen Bewegungen tippt Enzo Albanese auf die Knöpfe seiner Tastatur. Das Zehnfingersystem hat der 63-Jährige erst vor zwei Jahren gelernt. Eine lange Liste von Dokumenten ist auf dem Bildschirm zu sehen, im Hintergrund läuft das Radio. Das Lied "Er gehört zu mir" vermischt sich mit der abgehackten Computerstimme, die jeden Tastenanschlag kommentiert und jeden Dateinamen vorliest.
Ohne die Hilfe des speziellen Computerprogramms könnte Albanese nicht in seinem Büro arbeiten. Auch ohne sein Diktiergerät und seinen CD-Spieler mit Sprachwiedergabe wäre sein Leben ungleich schwieriger. Enzo Albanese ist Berater des bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbundes (BBSB) für den Landkreis Coburg und seit 2010 selbst blind. "Meine Sehbehinderung wurde bereits vor 25 Jahren festgestellt und ist seit dem immer schlimmer geworden.
Seit 2008 kann ich nicht mehr lesen und seit einigen Jahren kann ich nur noch hell und dunkel unterscheiden", sagt der gebürtige Italiener.
Wenn er über seine Behinderung spricht, dann klingt es nicht klagend oder traurig, sondern anpackend. In den Jahren, in denen sein Augenlicht sich langsam in Dunkelheit verwandelte, hat er seine ehrenamtliches Engagement nie zurückgefahren. Seine Frau Gisela - Albanese ruft sie mit italienischen Zungenschlag "Giesella" - kommt ins Büro und bringt einen Espresso. "Ich habe eine Sekretärin, Köchin, Zofe und Fahrerin, die alle Gisela heißen", sagt Albanese und lacht. Auf sie kann er sich im wahrsten Sinne des Wortes blind verlassen.
Ein Leben für die Anderen Bevor er 2011 von einer Mitarbeiterin des BBSB "mit dem Lasso eingefangen" wurde, hat er sich jahrelang um seine italienischen Landsleute im Coburger Landkreis und in Oberfranken
gekümmert, was er heute nebenbei immer noch macht. "1974 haben wir eine italienische Fußballmannschaft gegründet. Wir mussten uns damals mit den üblichen Vorurteilen, ,Spaghetti' und so auseinandersetzen. Ich habe den Leuten geholfen sich zu integrieren", erinnert sich Albanese. Auch Leichtathletik-Veranstaltungen für italienische Jugendliche hat er für die fränkischen Konsularbezirke organisiert.
"Wir haben viele deutsche Städte bereist, ich habe die Leute untergebracht und mich um alles gekümmert", sagt Albanese. Wenn er von der Vergangenheit erzählt, nennt er viele Details. "Ich muss mir einfach viel merken können, ich kann mir ja nichts aufschreiben", sagt der engagierte 63-Jährige.
Als Gedächtnisstütze nutzt er oft sein Diktiergerät, auf das er oder seine Anrufer Telefonnummern oder andere Daten sprechen.
Bevor seine Sehbehinderung und andere Erkrankungen ihn arbeitsunfähig machten, war er in der Spielzeug- und Schaumstoffproduktion und zuletzt als Fernfahrer tätig.
"Ich habe das, was ich jetzt und all die Jahre davor gemacht habe, nie gelernt. Ich bin kein Fachmann, aber ich weiß, wo ich klopfen muss", betont Albanese. Er hat unschätzbar viel Erfahrung, Kontakte und einen schier unbeugsamen Willen, etwas zu bewegen.
Offen für jedes Anliegen Enzo Albanese klickt sich wieder durch seinen Computer, er will die Liste aller BBSB-Mitglieder in seinen Zuständigkeitsbereich zeigen. Die Computerstimme leitet ihn.
"Über 70 Blinde und Sehbehinderte sind im BBSB im Coburger Landkreis, aber es sind viel mehr Leute, die Hilfe brauchen", sagt Albanese.
Plötzlich klingelt das Telefon. Albanese tastet mit seiner rechten Hand langsam nach dem Apparat: "Albanese". Im Gespräch geht es um eine 90-jährige Dame, schwer sehbehindert, die jetzt im Awo-Seniorenheim in Neustadt lebt. Enzo Albanese beantwortet das Anliegen ohne Probleme. Egal, ob Fragen zu Behörden, Blindengeld von der Krankenkasse oder der Besuch zum Geburtstag, der umtriebige Italiener kümmert sich um viele Anliegen und Probleme.
Wenn er für den BBSB unterwegs ist, meist von einem Fahrer begleitet, dann hat er immer den Hilfsmittel-Koffer dabei. Sprechende Uhren oder Schlüsselanhänger, klappbare Blindenstöcke, und viele andere Dinge, die das Leben von Sehbehinderten verbessern können sind darin. Auch die gelbe Armbinde mit den drei schwarzen Punkten.
"Die trage ich selbst nicht, da ist man doch irgendwie kein Mensch mehr", sagt Albanese. Ein Buch hat er auch schon geschrieben. "Der Koffer unter dem Bett" heißt es und 25 Kurzgeschichten aus seinem Leben und dem von Freunden sind darin abgedruckt. "Den Gewinn des Buches habe ich für den Garten der Erinnerung in Neustadt gespendet", sagt er. Auf die Frage warum er das alles - trotz seiner eigenen Behinderung - macht, antwortet er nach kurzem Nachdenken: "Warum ich das mache, weiß ich selbst nicht, aber ich hätte einfach ein schlechtes Gewissen, wenn jemand Hilfe bräuchte und ich dann nichts tue", sagt Albanese.
Informationen für sehbehinderte MenschenCoburg Am Samstag wird Enzo Albanese gemeinsam mit Bezirksleiter Manfred Voit, Berater Josef Braun (Lichtenfels) und dem stellvertretenden Bezirksleiter Jörg Grünbeck, mit seinem Blindenhund Labrador Sam, von 10 bis
circa 14 Uhr einen Informationsstand des BBSB auf dem Coburger Marktplatz (Höhe Stadthaus) anbieten. Dort können sich Interessierte und Menschen, die in ihren Familien von Sehbehinderungen betroffen sind, informieren.
Treffen Am ersten Mittwoch im Monat trifft sich der BBSB-Stammtisch im Münchner Hofbräu in Coburg und an jedem vierten Mittwoch im Monat im Awo-Treff "Teddybär" in Neustadt.