Bei Bauarbeiten im Umgriff der Stadtkirche fanden sich offenbar die Reste des Friedhofs, der einst nahe der Kirche existierte. Jetzt werden jahrhundertealte sterbliche Überreste gesichert.
Im Umgriff der Stadtkirche St. Georg sind Bauarbeiter offenbar auf die Überreste eines einstigen Friedhofs gestoßen. Das ist das vorläufige Ergebnis einer Rettungsgrabung, die nach ersten Knochenfunden sofort eingeleitet wurde, wie Dr. Ivonne Weiler-Rahnfeld vom Landesamt für Denkmalpflege bestätigt.
Noch ist bei weitem nicht alles gefunden, geschweige denn ausgewertet und abschließend untersucht. Doch es gilt als gesichert, dass es um spätmittelalterliche Bestattungen geht, die hier entdeckt wurden. In dem Gebiet auf einen Friedhof zu stoßen, ist keine Überraschung. "Im Umfeld jeder Kirche gab es einen Friedhof", sagt Ivonne Weiler-Rahnfeld. Neustadt wurde 1248 erstmals urkundlich erwähnt. Die Gräber könnten also sehr alt sein.
Dass die Kirche früher anders aussah, ist in Neustadt bekannt. Sie wurde durch den großen Stadtbrand 1839 zerstört und dann in anderer Form wieder errichtet. Auch daher gab es bisher keine genauen Kenntnisse darüber, wo der Friedhof lag und wie groß er gewesen ist. Im Denkmalatlas ist bisher nur vermerkt: "Das Umfeld der St. Georgskirche befindet sich im Bereich eines ausgewiesenen Bodendenkmals (D-4-5632-0026 Vorgängerbau sowie Befunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit im Bereich der Evangelisch-Lutherischen Stadtpfarrkirche St. Georg (...) und D-4-5632-0028 "Mittelalterliche und frühneuzeitliche Befunde im Bereich der historischen Altstadt von Neustadt b. Coburg mit Vorstädten"). Dazu erhoffen sich die Archäologen nun neue umfassendere Erkenntnisse aus der eilends angesetzten Rettungsgrabung.
Der beauftragten Grabungsfirma ATS spielt das Wetter in die Hände. Denn über den Winter ruhen die Arbeiten an der Glockenbergstraße und dem Kirchenumfeld ohnehin. "Die Zusammenarbeit mit den Baufirmen war von Anfang an sehr gut", lobt Grabungsleiter Matthias Tschuch. Bisher stießen er und seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf etwa 30 Bestattungen. Sie erwarten, noch weitere zu finden. "Alle Körper liegen mit dem Kopf nach Westen und Blickrichtung nach Osten", beschreibt er die Funde. Auffällig sei, dass die Hälfte der gefundenen Skelette von Kindern stammt.
Alle Funde werden abgezeichnet und genau erfasst. Es wird so gründlich gearbeitet, wie das angesichts der doch begrenzten Zeit möglich ist, die zur Verfügung steht. Schließlich soll im Frühjahr an der Kirche weiter gearbeitet werden. Wenn dann erst wieder Pflaster die Fläche bedeckt, wird nicht so bald wieder eine Grabung möglich sein.
Wo Baufirmen tätig sind und öffentliche Auftraggeber hinter den Arbeiten stehen, werden solche Funde meist pflichtgemäß gemeldet. Das ist gesetzlich geregelt, wie Stadtplanerin Christine Schirmer erklärt. Laut Denkmalschutzgesetz (Art 8 Abs. 1 DSchG) ist jeder, der Bodendenkmäler auffindet, verpflichtet, dies unverzüglich der unteren Denkmalschutzbehörde oder dem Landesamt für Denkmalpflege anzuzeigen. Zur Anzeige verpflichtet sind auch der Eigentümer und der Besitzer des Grundstücks, sowie der Unternehmer und der Leiter der Arbeiten, die zu dem Fund geführt haben. Die aufgefundenen Gegenstände und der Fundort sind bis zum Ablauf von einer Woche nach Anzeige unverändert zu belassen, wenn nicht die Untere Denkmalschutzbehörde die Gegenstände vorher freigibt oder die Fortsetzung der Arbeiten gestattet.
Auf Funde achten
Da würde sich Matthias Tschuch als Grabungsleiter mehr Sensibilität im privaten Bereich wünschen. Gerade bei kleineren Arbeiten, die mit Grabungen - etwa einem Fundament für eine Gartenhütte oder dergleichen - verbunden sind, fürchtet er, dass oftmals Funde von Scherben oder Knochen nicht ernst genommen werden. Dabei könnte alles ein Hinweis sein, der zu Erkenntnissen aus der Geschichte der Stadt oder Gemeinde führt. Was die Funde an der Stadtkirche angeht, so ist er überzeugt, dass einige wertvolle Informationen aus dem Boden gewonnen werden können. Die Ergebnisse werden nach Abschluss der Auswertung veröffentlicht. Dem sehen sicher viele Neustadter mit Spannung entgegen.