Der Krimiautor Helmut Vorndran hat unserer Region mit seinem verblüffenden Kelten-Roman einen besonderen Dienst erwiesen.
Bisher war er im Prinzip ein Spaßmacher, ein origineller Faxenmacher. Doch insgeheim tat der frühere Kabarettist Helmut Vorndran etwas, das ihm jetzt die gespannte Aufmerksamkeit weit über seinen bisherigen Kreis der Frankenkrimi-Leser hinaus beschert. Er sorgt für Verblüffung mit seinem "Kelten-Roman", für den er lange recherchiert, erforscht, gelebt hat. Am Donnerstag erklärte, las und demonstrierte Vorndran nun auch auf Einladung der Buchhandlung Riemann im ausverkauften Gerätemuseum Ahorn, was es mit "Isarnon. Stadt über dem Fluss" auf sich hat: etwas gänzlich anderes als mit seinen witzigen Krimis von "Alabastergrab" bis "Habakuk". Dafür aber kam die Menge anderweitig ins Staunen.
Die Verblüffung um diese Neuerscheinung ist jedoch keineswegs nur mit der packenden Geschichte zu erklären, die Helmut Vorndran von den Norikern am Chiemsee über Manching und von den Hermunduren im Thüringer Wald aus zusammenlaufen lässt bei den Toutonen auf dem Staffelberg, den Volkern auf den Gleichbergen und der Milseburg hinter der Rhön. Der Schmied Mavo, der makedonische Händler Dorkas Floridis, Fürst Sionnix und seine Tochter Aiuna in Menosgada, Sokulast, der Fürst der Hermunduren, die Druiden Helico und Criosaidh, die Heilerin Mauwen und viele weitere Handelnde leben und sterben in dem breiten Panorama der Erzählung.
Woher kommt die Verblüffung?
Mit diesem einfühlsamen und inspirierten Roman zieht Helmut Vorndran den Franken ein Stück weit den Boden ihres gewohnten historischen (Selbst-) Bewusstseins unter den Füßen weg.
Denn das dringt mit den gepflegten Germanenhelden und Römerprägungen und Griechenidealen gar nicht zurück in die eigentliche Frühgeschichte der Region. Gleichzeitig zeigt Vorndran auf unsere tatsächlichen Ursprünge, unsere vergessene Vorgeschichte, die uns aber in vielen Zeugnissen, in Sprache, Bräuchen und Vorstellungen nach wie vor prägt. Die sich vor uns in der Landschaft erhebt, ohne dass die meisten sich dessen bewusst sind: vom Staffelberg bis zu den Gleichbergen, bis über die Rhön hinaus, östlich nach Böhmen, zu den Boiern noch gar nicht geblickt.
Dieser Vorndran?
Und das alles soll dieser Vorndran geleistet haben? - Er hat den literarischen Teil dazu getan, der eben oftmals weit wirkungsvoller Bewusstsein und Vorstellungswelt prägt, als dies die Darlegung der nüchternen Forschungslage kann.
Die hat sich allerdings in den letzten 30 Jahren entscheidend verändert. Die Archäologie hat von Irland bis Spanien, von Frankreich über Deutschland, Tschechien, Österreich bis nach Kleinasien die Welt eines keltischen Jahrtausends entdeckt, einer uns befremdlichen, grausamen, wunderschönen, kunstvollen, vielfältigen, philosophisch differenzierten Kultur, die aber kaum schriftliche Zeugnisse hinterlassen hat.
Menosgada war eine riesige Stadt
Und unser heutiges Oberfrankenland war ein nicht unbedeutendes Handels- und Verkehrswege-Zentrum in dieser Keltenwelt, mit der für damalige Verhältnisse riesigen Stadt Menosgada auf dem Staffelberg über dem Moinos, dem Main, und der heute Steinsburg genannten Befestigung auf dem Kleinen Gleichberg, die vielleicht Bikourgion hieß.
Helmut Vorndran hat sich eingearbeitet in das Wissen um unsere keltische Vorgeschichte.
Sein Verdienst als Autor ist es, keine wildspekulative Abenteuerschote aus ferner Zeit geliefert zu haben. Er hat vielmehr überlegt und stimmig eine plausible Interpretation entworfen, faszinierend, weil sie lebensnah bis ins Alltäglichste reicht, eine Vielzahl von Personen psychologisch erfasst und dabei viel von der geistigen Welt der Kelten vermittelt. Die Druiden waren von den griechischen Philosophen hoch geschätzte Kommunikationspartner.
Vorndran führt uns in eine gnadenlose Zeit des Umbruchs, der mörderischen Völkerwanderungen, Not, Krieg, Auflösung, 45 vor Christus. Kelten überfallen wie schon immer Kelten, versklaven die "Nordvölker", also die Germanen im Volconnos-Gebirge, dem Thüringer Wald, bringen Menschenopfer, sammeln die abgeschlagenen Köpfe der Besiegten und hängen sie an ihre Häuser.
Gleichzeitig leben sie, sozusagen tiefgläubig, mit intensivem Gespür für die Natur und weit reichenden Weisheitslehren.
Vorndran wirkt bei seinen (Vor-)Lesungen geradezu beseelt, möchte unbedingt etwas vermitteln von der Größe der Entdeckungen. In Tschechien hat er ein Keltenschwert nachschmieden lassen. Die Zuhörer führt er in einen brüllenden Taranos, den von den Kelten zelebrierten Schlachtenlärm, der auch die Römer lange Zeit das Fürchten lehrte.
Mittels seines Glossars, das Vorndran unter anderem aus dem noch authentischen Schottisch-Keltischen gesammelt hat, erhalten wir eine Ahnung davon, wie viel Keltisches heute noch in unserem Leben hier steckt. Denn unsere Vorfahren hier im Coburger Land, am Main, in der Rhön, in Böhmen waren keine Römer, keine Griechen, keine Germanen. Es waren Kelten.
Helmut Vorndran: Isarnon. Stadt über dem Fluss. Ein Kelten-Roman. Emons-Verlag, 545 Seiten, 19,95 Euro.