Westernhagen hält, was er verspricht. Der Altrocker kommt schön knorrig, rührend und berührend auf dem Schlossplatz rüber.
Zum Abschluss des HUK-Open-Air-Sommers betrat mit Marius Müller-Westernhagen ein Musiker mit Ecken und Kanten die Bühne auf dem Schlossplatz. Das dürfte jedem Besucher spätestens dann klargeworden sein, als er kurz vor Konzertbeginn eine besondere Bitte an das Publikum ausrichten ließ: Er wünschte sich, dass während seines Auftritts auf das mittlerweile schon alltägliche Fotografieren und Filmen mit dem Smartphone verzichtet werden möge. Der eine oder andere ließ es sich trotzdem nicht nehmen, das Handy schnell für ein, zwei Fotos aus der Tasche zu holen. Es ist eben etwas ganz Besonderes, wenn sich so ein Urgestein der deutschen Musikszene in Coburg die Ehre gibt.
Ganz unbegründet ist der Wunsch des Deutschrockers nicht. Rasch merkt man, dass seine Musik eine Kunst ist, die man nicht auf verwackelten Handyvideos festhalten kann. Sie muss direkt unter die Haut und ins Blut gehen - eben gefühlt werden. Das liegt vor allem daran, dass seine Lieder in der "Unplugged"-Version ein ganz neues Gesicht bekommen haben. Akustische Instrumente unterstreichen die oft sehr gefühlvollen Texte. Doch nicht nur die Musik, auch die Kulisse sorgt für viele Gänsehaut-Momente während des Konzerts - das findet auch Westernhagen selbst: "Einen schönen Platz zum Spielen habt ihr hier!", ruft er den gut 7000 Besuchern zu.
Textsicheres Publikum
"Unplugged" heißt aber nicht, dass es den ganzen Abend "verschmust" bleiben muss. Schon gleich zu Beginn beim "Pfefferminzprinz" kommt der Großteil der Besucher der Aufforderung "Lass uns tanzen" im Songtext nach. Auch bei "Willenlos" wird in den Sitzreihen mitgeschunkelt und die Besucher singen lauthals mit. Den Höhepunkt erreicht die Stimmung dann bei einem Westernhagen-Klassiker, den er im zarten Alter von fünf Jahren geschrieben habe, wie er mit einem Augenzwinkern erklärt. Bei "Sexy" hält es keinen mehr auf seinem Sitzplatz, jeder wird sprichwörtlich vom Hocker gerissen und tanzt mit.
Auch bei "Wieder hier" beweist das Publikum Textsicherheit: Hier kann sich Westernhagen im Refrain entspannt zurücklehnen, denn der Zuschauerchor übernimmt kurzerhand das Singen für ihn. Nach dem letzten Lied gibt es im Sitzplatzbereich "Standing Ovations", es wird so lange gejubelt, bis der Musiker für eine Zugabe wieder die Bühne betritt. Unter den drei weiteren Liedern ist auch die Coverversion von David Bowies "Heroes", das Westernhagen "am liebsten selbst geschrieben hätte" und das er in Coburg seinem verstorbenen Kollegen widmet.
"Wir haben euch total unterschätzt. Wir dachten: Coburg - wer wird da schon kommen?", gesteht der Altrocker. Doch das Publikum habe ihn positiv überrascht. "Ihr wart der Wahnsinn!", ruft er und gibt gleich danach noch ein Versprechen: "Wenn es sich irgendwie einrichten lässt, dann komme ich wieder!" Genug von ihm haben die Coburger jedenfalls nicht: Auch nach der Zugabe hält der Applaus und Jubel so lange an, bis Westernhagen noch ein letztes Mal für einen Gänsehaut-Moment, für "Freiheit" zurückkehrt.