Mitten im August war es eiskalt zur Premiere, und das Publikum wäre gänzlich erstarrt, hätte die Coburger Sommeroperette nicht das Herz erwärmt.
Mit einem Stück, das es seit 40 Jahren nicht mehr gab in der Region, das generell kaum mehr gespielt wurde, jetzt aber in der neuen Fassung von Wilfried Steiner wieder Furore macht in Österreich. Und in einer stimmigen, dramaturgisch umgebauten Fassung auf der Waldbühne
Heldritt am Mittwoch beim Premierenpublikum sehr freundlich aufgenommen wurde: Leo Falls "Der fidele Bauer".
Die authentisch wirkende Produktion kommt direkt aus Oberösterreich, von der Pramtaler Sommeroperette. Sie wurde von Claus J. Frankl für die Coburger Sommeroperette hier vor Ort eingerichtet, in sensibler, hintergründiger Personenführung, die bei allem Spaß weit entfernt vom deftigen Bauernschwank ein differenziertes Stück Theater hervorbrachte.
Der neue musikalische Leiter Urs-Michael Theus tat mit dem zuverlässig agierenden Orchester der Sommeroperette das Seinige zu diesem Operettenvergnügen der doch nicht ganz herkömmlichen Art.
Er bringt lächelnde Operettenseligkeit zur Wirkung, lässt aber in Leo Falls feinfühligen und emotionale Tiefen auslotenden Arrangements Raum für einen melancholischen Unterton, der die Inszenierung insgesamt trägt. Dirigent und Orchester erhielten zum Schluss großen Sonderapplaus. Gesanglich agieren alle Darsteller, die Österreicher wie die Deutschen, auf hervorragendem Operetten-Niveau.
Österreicher in ihrem Element
Von den rein praktischen Überlegungen der ersten Kooperation im 23. Spieljahr der Sommeroperette abgesehen, hat dieses Zusammenwirken eben für sich, dass die Produktion original wirkt, nicht aufgesetzt in Sprache und Auftreten der Darsteller. Die Österreicher sind in ihrem Element.
Allen voran Willi Narowetz als Oberwanger Bürgermeister und Holzfabrikant Lindoberer.
Sakrament, is dös a gewitzter Kerl, bringt doch glatt den alten Zipfelhaubn-Bauer und sei geduldiges Annamirl zur Hochzeit vom Heinerle nach Wien. Der mittlerweile fein gewordene Herr Doktor (der aus Coburg stammende Giorgio Valenta mit anhaltender tenoraler Kraft) wollte grad dieses vermeiden.
Nicht einmal seiner herzigen Zukünftigen, Friederike von Grunow (Thea Schuette), hat er seine Herkunft verraten. Und tatsächlich reagieren seine hochwohlgeborenen Schwiegereltern aus Berlin (Adelheid Brandstetter und Claus J. Frankl) auch entsprechend blasiert. Das Publikum hat seinen Spaß, wenn Berlinerisch auf Österreichisch trifft. Jan Reimitz treibt das Vergnügen als "zug'roaster" Dorfpolizist noch weiter (und zeichnete für das flotte Choreografische verantwortlich).
"Er schamt sie für mi." Als der alte Scheichelreuther, der sein Leben lang gedarbt hat dafür, dass der Bua studieren konnte, das erkennen muss, herrscht Stille auf den
Zuschauerrängen der Waldbühne, nachdem es doch bei jedem Lied zuvor stets Beifall gegeben hat. Alois Walchshofer trifft als gütiger, stets unverdrossener "fideler Bauer" darstellerisch wie mit seinem sicheren, warmen Bariton in die Seele.
Doch ein reines Rührstück ist "Der fidele Bauer" nicht, schon gar nicht in dieser Inszenierung, die von nun besseren Zeiten zurückblickt in die Not. Ruth Krottenthalers perspektivisch ganz wunderbar in den Heldritter Bühnenwald hinein führende Dorfkulisse ist nicht possierlich. Grau sind die Fassaden, und grau bleibt der Hof vom entbehrenden Zipfelhaubn-Bauern, selbst als die übrige Welt in den 70er Jahren bunter geworden ist.
Denn aus der Wende zum 20. Jahrhundert holt die Pramtaler/Heldritter Inszenierung das Stück für uns heute weitaus treffender ins Dörfliche der 50er Jahre und dann in die flippiger gewordenen 70er Jahre.
(Ganz süßer Hippie: Michael Zallinger als ewiger Student und fauler Hochzeitsorganisator).
Bei allen Späßen und im munteren Ton erleben wir den Druck der dörflichen Gesellschaft, die nur vordergründig gemütlich wirkt, den Druck der Erwartungen, in denen die Kinder gefangen sind. Heinrich wurde nie gefragt, ob er "was Besseres" werden will. Giorgio Valenta trumpft nicht auf als der Abgehobene, sondern zeigt die Entfremdung, als Heinrich nach Jahren zurück ins Dorf kommt. Und - das ist halt das Schöne an der Operette - kann sich ganz schnell besinnen auf das Gute.
Zwischen den Generationen
Oder auch der Vincenz (Harald Wurmsdobler, übrigens der Intendant der seit fünf Jahren agierenden Pramtaler Sommeroperette). Er folgt nicht seinem Vater, dem Holzfabrikanten Lindoberer, sondern wird Soldat, Blauhelm. Mission: Frieden bringen für Palästina.
Nur das Annamirl (Christine Holzwarth) muss als braves Töchterlein in ihrer Rolle sitzen bleiben und warten auf den Einen. Das ist Vincenz. Immerhin erlaubt sie sich, ein bisschen zu bocken.
Kein Pomp, kein Trara in dieser eher bittersüßen, emotional viele sozial-gesellschaftliche Themen streifenden Geschichte von Victor Léon (1858 - 1940), für die Leon Fall (1873 - 1925) eine Reihe von intensiv nachspürenden Liedern komponiert hat. "Heinerle, Heinerle, hab kein Geld" steht bis heute für die Not der "kleinen Leute". In Heldritt singen Mathis Menzel und Kenai Bug das kleine Heinerle.
Das rundum agile Ensemble wird komplettiert durch den Chor der Sommeroperette (Einstudierung Stefan Meier), Mitglieder des Theater- und Konzert-Kinderchores (Leitung Arno Seifert), Tänzerinnen des Ballettstudios Ramona und Dominique Scholz, dazu in weiteren Rollen Franz und Anton Schindler, Lars Tappert und Sebastian Schaffer.
Coburger Sommeroperette "Der fidele Bauer" - Operette von Leo Fall, Libretto von Victor Léon nach einer Vorlage von Wilfried Steiner, Fassung der Pramtaler Sommeroperette 2016 in der Original-Inszenierung von Manuela Kloibmüller. Waldbühne Heldritt
Das Team Produktionsleitung: Adelheid Frankenberger, Musikalische Leitung: Urs-Michael Theus, Spielleitung und Dramaturgie: Claus J. Frankl, Bühnenbild: Ruth Krottenthaler, Choreographie: Jan Reimitz, Chorleitung: Stefan Meier, Studienleitung/Korrepetition: Wolfram Tetzner
Weitere Aufführungen 13. August, 14 und 19.30 Uhr, 14. August, 18 Uhr, 17. August, 19.30 Uhr, 18., 19. August, 19.30 Uhr, 20. August, 14 und 19.30 Uhr, 21. August, 19.30 Uhr - Waldbühne Heldritt.
Matinee "Die Insulaner", 14.
August, 11 Uhr, Waldbühne
Altstadt-Serenade Royal-Salon-Orchester, Schlossplatz Bad Rodach, 16. August, 20.30 Uhr
Karten bei "Shoes & More Appis" (Telefon: 09564 /4489); Tourismus Coburg, Herrngasse 4 (Telefon: 09561/ 89-803)