Coburger Land: Warum sind alle 700 Jahre alt?

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Sie kennt sich mit historischen Unterlagen aus: die Neustadter Heimatpflegerin Isolde Kalter, hier im Stadtarchiv beim Studium eines Flurbuches aus dem Jahr 1867. Foto: Berthold Köhler
Sie kennt sich mit historischen Unterlagen aus: die Neustadter Heimatpflegerin Isolde Kalter, hier im Stadtarchiv beim Studium eines Flurbuches aus dem Jahr 1867. Foto: Berthold Köhler

Zahlreiche Orte im Coburrger Land feiern heuer ihr 700-Jähriges Bestehen. Neustadts Heimatpflegerin Isolde Kalter weiß um die Hintergründe dieser Jubiläen.

Allmählich neigt sich das Jubiläums- und Festjahr mit zahlreichen 700-Jahr-Feiern im gesamten Coburger Land seinem Ende entgegen. Oft mit beteiligt - wie auch am heutigen Samstag beim Festkommers in Thann (Beginn: 18 Uhr) ist Isolde Kalter.
Die Neustadter Heimatpflegerin erklärt, was die historische Grundlage für die Jubiläumsfeiern ist und wo sie überall anlässlich der 700-Jahr-Feiern im Einsatz war.

Es heißt ja immer so schön "erste urkundliche Erwähnung" - welche Urkunde erwähnt denn die Jubiläumsstadtteile erstmals?
Isolde Kalter: Die "Urkunde" der Ersterwähnung ist das Urbar von 1317, in dem die Henneberger ihre Rechte und Besitzungen in dem neu erworbenen Gebiet als Grundlage für ihre Verwaltung aufzeichnen ließen. Es handelt sich also auch nicht nur um ein Blatt, sondern um eine Handschrift in Buchform, bestehend aus Pergamentblättern. Die Sprache ist Deutsch, nicht Latein, was zu dieser Zeit nicht selbstverständlich war, aber den Bedürfnissen derjenigen, die sich um die Rechte und Abgaben kümmern mussten, wohl entgegenkam.

Die Jubiläen haben Ihnen als Heimatpflegerin ja einen Haufen Arbeit beschert - wie viele historische Vorträge haben Sie denn in den vergangenen Monaten zum 700-Jahre-Thema gehalten?
Allgemeines zum Neustadter Teil des Urbars habe ich erst im Rahmen eines Kolloquiums des CHW in Neustadt und dann bei der Historischen Gesellschaft in Coburg vorgetragen. Speziell auf die Ortsgeschichte ging ich in Vorträgen für Ketschenbach, Meilschnitz und Ebersdorf ein. In Fürth am Berg genügte ein Grußwort. Demnächst folgen noch Vorträge zur Geschichte von Thann und Birkig sowie im November eine Beteiligung am "historischen Nachmittag" in Blumenrod. Zu den Festschriften von Meilschnitz, Blumenrod und Fürth am Berg habe ich Beiträge geliefert. Ein allgemeiner Aufsatz zum Neustadter Teil des Urbars wird in den Coburger Geschichtsblättern erscheinen.

Es sind ja nicht nur die neun Neustadter Stadtteile, sondern auch andere Orte im Coburger Land, die heuer ihr 700-Jähriges feiern. Ist so eine Ballung normal oder gibt noch andere wichtig Urkunden, die Grundlage für mehrfache Ersterwähnungen sind?
Im Neustadter Bereich gibt es außer dem Henneberger Urbar von 1317 noch die Urkunde über die Mönchrödener Klostergründung von 1149, der immerhin vier der Neustadter Stadtteile und etliche andere Orte ihre Erstnennung verdanken. Auch im Schiedsspruch von 1162 zwischen Kloster Banz und dem Grafen von Wolveswac werden einige Orte zum ersten Mal genannt, darunter als einziger Neustadter Ort: Fechheim. Der Rest verteilt sich ziemlich: Neustadt, Wellmersdorf, Haarbrücken, Kemmaten und Rüttmannsdorf werden jeweils alleine in einer Urkunde genannt, Unter- und Mittelwasungen gemeinsam, und Höhn wurde offenbar 1317 vergessen und taucht erst 1340 im zweiten Urbar der Henneberger auf.

Neunmal 700 Jahre werden heuer gefeiert, aber wer ist denn eigentlich der älteste Neustadtteil? Und wie alt ist dieser?
Die früheste fassbare Ersterwähnung unter den Neustadter Stadtteilen bringt die Gründungsurkunde von Kloster Mönchröden 1149 mit Boderndorf, Plesten, Weimersdorf und Brüx. Kemmaten gehört eigentlich auch mit in diese Reihe, man hat es, vielleicht auch erst bei der Abschrift, offenbar vergessen, denn bis auf Schaumberger-Besitz war Kemmaten Mönchrödener Klosterlehen und wird kurz nach 1149 zum ersten Mal erwähnt. Fechheim wird zwar erst 1162 zum ersten Mal genannt, aber wegen seiner Bedeutung für die weltliche wie die geistliche Verwaltung gehe ich davon aus, dass es der älteste Stadtteil ist. Hier bestand ein Zentgericht, also ein wichtiges weltliches Gericht, das um 1300 nach Neustadt verlegt wurde. Fechheim bildete den Mittelpunkt einer Großpfarrei , die ursprünglich bis nach Judenbach und Neuhaus-Schierschnitz im Norden sowie Seidmannsdorf im Süden reichte. Auch Effelder und Mupperg gehörten anfangs mit dazu, bis sie später selbständig wurden. Man geht davon aus, dass Fechheim seit dem 8. Jahrhundert besteht und im 9. Jahrhundert in die Pfarreiorganisation einbezogen wurde. Mission war da nicht mehr nötig, Christen waren die Fechheimer auch vorher schon.

Wer ist denn als nächster Stadtteil mit einem Jubiläum an der Reihe?
Wenn ich nichts übersehen habe, feiert als nächstes Haarbrücken 750-jähriges Jubiläum - dank der Ersterwähnung 1273.