Die Coburgerin Ramona Brückner möchte sich von ihrem Brautkleid trennen. Sinnvoll und für einen guten Zweck soll die Spende sein.
"Ich habe vor Monaten im Internet gelesen, dass es Frauen gibt, die Kleidchen für die toten Kinder machen", sagt die 33-jährige Ramona Brückner. "Als Mama einer fünfjährigen Tochter fand ich das ganz bewegend." Schon seit langem trug sich die Coburgerin mit dem Gedanken, sich von ihrem Brautkleid zu trennen. "Jetzt habe ich beschlossen, dass es soweit ist und ich loslassen möchte." Über Facebook fragte Ramona Brückner an, ob irgendjemand einen Kontakt herstellen könne. Die Coburgerin erhält eine ganze Reihe von Angeboten. Kati Müller ist die erste, die sich persönlich meldet und am Donnerstag das cremefarbene Brautkleid vor der Arbeitsstelle von Ramona Brückner in Empfang nehmen darf.
Hoher Bedarf
Kati Müller häkelt Mützen für Frühgeborene, krebskranke Kinder und Sternenkinder und sagt: "Abschiednehmen und Loslassen in Würde ist unheimlich wichtig." Die Coburger Ehrenamtliche gehört einer Gruppe von gut 90 Frauen an, die sich regelmäßig in Neustadt treffen und für gute Zwecke arbeiten. "Das Hochzeitskleid geht jetzt umgehend zum Verarbeiten dahin." Aus dem Kleid werden vier Näherinnen sogenannte "Abschiedsboote" fertigen, kleine Schiffchen, in die das tote Kind gelegt wird und das die Eltern zum Abschiednehmen auf den Arm nehmen können. Außerdem werden aus dem kostbaren Stoff Taufaufleger, eine Art festliches Kleidchen für Babys, die notgetauft werden, gearbeitet.
"Das ist immer noch ein Tabuthema, das totgeschwiegen wird", sagt Dorothea Reichenbacher. Die 48-Jährige aus Husum ist als "Neustadter Strickliesel" bekannt und die Gründerin der Gruppe, die sich "Handarbeiten für Frühchen und Sternenkinder in und um Neustadt" nennt. "Jedes Mitglied der Gruppe kann etwas ganz Besonderes", erklärt Reichenbacher. "Wir haben Näherinnen, Strickerinnen und Häklerinnen." Aber auch Männer sind dabei. Ihr Mann Sven strickt Mützchen für Frühchen, ein 79-jähriger Neustadter fertigt Puck-Säckchen aus Wolle für Frühgeborene an. Die Gruppe beliefert Kliniken in
Coburg, Sonneberg und Kronach. Der Bedarf ist hoch, denn "leider haben wir zwischen 200 und 300 Totgeburten im Halbjahr", sagt Reichenbacher, die während der Schwangerschaft selbst zwei Kinder verloren hat.
"Ab der zwölften Woche gelten totgeborene Kinder als Sternenkinder", informiert sie. "Ab da haben die Eltern auch ein Recht auf eine eigene Beisetzung. Das gilt mittlerweile auch für Babys unter einem Gewicht von 500 Gramm. Auch Frühchen, die versterben, oder Babys, die am plötzlichen Kindstod sterben, nennen wir Sternenkinder." In Coburg erhält die gynäkologische Station des Klinikums Coburg kleine Päckchen, die mit einem Kuschelsäckchen aus Wolle, einem gehäkelten Stern und zwei Herzen ausgestattet sind. Auf Wunsch reichen die Schwestern die Bekleidung an betroffene Eltern weiter.
"Der Stern und das große Herz bleibt bei der Mutter zur Erinnerung", erläutert die 48-Jährige. "Mit dem kleinen Herz wird das Kind bestattet." Sie selbst fertigt bunte Socken für Neugeborene an. "Mein Mann und ich stricken in jeder freien Minute", sagt sie. Die Wolle finanzieren Reichenbacher und ihre Mitstreiter selbst, ebenso die von der Klinik geforderten Untersuchungen des Bamberger Hygieneinstituts. "Deshalb sind wir über jede Spende von Wollgutscheinen dankbar", erklärt sie.Auch Doris Großmann aus Weitramsdorf näht für die Neustadter Gruppe. Zusätzlich arbeitet sie ehrenamtlich für den Verein "Herzenssache - Nähen für Sternchen und Frühchen", der deutschlandweit Kliniken beliefert.
Viel Liebe und Herzblut
Erst kürzlich brachte sie wieder ein Paket mit dreißig ihrer Näharbeiten auf den Weg. Die Weitramsdorferin hat das Handwerk von der Pike auf gelernt und traut sich auch an ganz besondere Stoffe. "Vor eineinhalb Jahren habe ich auf Facebook einen Aufruf gelesen, ob jemand ein Brautkleid vernähen kann", sagt sie, "keiner hat das gekonnt und sich getraut." Die 59-Jährige entwickelte spezielle Schnitte dafür und ging an die Arbeit. "Aus Brautkleidern fertige ich Taufaufleger, Abschiedsboote und Einschlagdecken. Die kleinste ist gerade einmal zehn Zentimeter groß", sagt sie und fährt fort: "Für die Eltern lege ich stets als Erinnerungsstück ein Herz aus dem gleichen Stoff bei." Erst vor kurzem verarbeitete sie ein Brautkleid mit filigranem Schleier aus dem Jahr 1962, für das der Spender eine sinnvolle Verwendung suchte. Doris Großmann arbeitet jeden Samstag und Sonntag an den Stücken: "Darin steckt ganz viel Liebe und Herzblut."