Eine Ärztin aus dem Kreis Sonneberg soll dafür bekannt gewesen sein, dass man sich bei ihr problemlos Fentanyl-Pflaster verschreiben lassen konnte.
Es sei bekannt gewesen in
Coburg, dass man nur zu einer Ärztin in den Landkreis Sonneberg fahren müsse, um dort an ein Rezept für Fentanyl-Pflaster zu kommen. Die Patienten konnten sich bei der Medizinerin offenbar sogar die genaue Dosierung wünschen.
Das sagte ein Polizeibeamter der Kriminalpolizei Coburg am Mittwoch vor der Ersten Großen Strafkammer des Landgerichtes Coburg aus. Der Mann war als Sachbearbeiter auch für die Vernehmungen der fünf Patienten der Ärztin verantwortlich, die zusammen mit der Allgemeinmedizinerin auf der Anklagebank sitzen und aus der Stadt und dem Landkreis Coburg stammen. Drei weitere ehemalige Patienten werden in gesonderten Verfahren abgehandelt.
Um ein Vielfaches stärker
Laut Staatsanwalt gehören die Mitangeklagten der Betäubungsmittelszene an und sind zum großen Teil abhängig von Opiaten. Fentanyl ist ein solches opiathaltiges Medikament und um ein Vielfaches stärker als Morphium. Es wird vorwiegend in der Schmerztherapie angewandt und kann bei missbräuchlicher oder unsachgemäßer Anwendung zu lebensbedrohenden Zuständen bis hin zum Tod führen. Mehr als eine halbe Stunde lang verlasen der vorsitzende Richter Christoph Gillot und der beisitzende Richter Michael Imhof eine Fachinformation zu dem Medikament, das in der Regel als Pflaster in verschiedenen Größen und Wirkstoffkonzentrationen an Patienten ausgegeben wird. Sowohl für Ärzte als auch für die Konsumenten gilt höchste Sorgfalt im Umgang mit dem Medikament. Eine Zeugin gab an, dass sie sich das Fentanyl intravenös verabreichte, eine Mitangeklagte soll das Fentanyl gelutscht haben.
Bei der Vernehmung einer ehemaligen Patientin nannte diese dem Ermittler drei Ärzte aus Coburg und Sonneberg, über die sie an die begehrten Fentanyl-Pflaster gekommen sei. "Auffällig war, dass die Liste (der ausgegebenen Rezepte, Anm. der Redaktion) bei der Medizinerin aus Sonneberg viel länger war als bei den anderen Ärzten", erklärte der Beamte.
266 Fälle
Nach einem Durchsuchungsbeschluss seien schließlich die Patientenakten sichergestellt worden. Dabei sei die Ärztin "sehr kooperativ" gewesen. In 266 Fällen, so die Anklage, soll die Fachärztin gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen haben. Die Rezepte seien von ihren Patienten in zahlreichen Apotheken in der Stadt und im Landkreis Coburg und Sonneberg eingereicht worden.
Eine Zeugin, deren Verfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen ist und die mit einem der Männer auf der Anklagebank verlobt ist, machte trotz Zeugnisverweigerungsrecht eine Aussage. Ihr Verlobter, der sich selbst als drogenabhängig bezeichnete, wurde erst kürzlich für einen Handtaschenraub, den er in der Innenstadt in Coburg begangen hatte, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Die Frau gab an, über den Schwarzmarkt an das begehrte Medikament gekommen zu sein. Später habe sie sich die Pflaster bei verschiedenen Ärzten besorgt.
Bei der polizeilichen Vernehmung beschrieb sie die Sonneberger Medizinerin als "gutherzige, liebe Frau". "Sie wollte uns im Prinzip nur helfen", sagte die junge Zeugin, die nach eigenen Angaben bereits mehrere Entgiftungen hinter sich hat. "Wir haben ihre Gutmütigkeit ausgenutzt." Die Ärztin habe gewusst, dass sie abhängig sei, erklärte die Zeugin, auch ihre Schwangerschaft habe sie ihr nicht verschwiegen. Einen Drogentest, Urin- oder Blutkontrollen habe die Medizinerin allerdings nie durchgeführt, erklärte sie. Dass sie das Fentanyl ausgekocht und sich gespritzt habe, soll ihre Ärztin allerdings nicht gewusst haben.
Die fünf Mitangeklagten sind der Polizei nicht unbekannt. Zwischen fünf und 13 Einträge weist ihr jeweiliger Vermerk im Bundeszentralregister auf. Sie wurden teilweise wegen Körperverletzung, Betrugs, Diebstahls oder Besitzes von Betäubungsmitteln zu Geld-, Bewährungs- und Freiheitsstrafen verurteilt. Ein Angeklagter saß bereits wegen gemeinschaftlich begangener Körperverletzung mit Todesfolge auf der Anklagebank. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen teilweise Beihilfe zum Verschreiben, unerlaubten Besitz und Erwerb von Betäubungsmitteln vor.
Am Freitag wird das Urteil erwartet.