Coburger berichtet im Angesicht des Hurrikan

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Blick aus dem "Days Inn" in Bonita Springs: Michael Donhauser hat dort noch eines der letzten Zimmer dort bekommen. Einige Hotelgäste haben sich in den fensterlosen Badezimmer verbarrikadiert - der dpa-Korrespondent wurde Zeuge eines dramatischen Naturschauspiels. Michael Donhauser
Blick aus dem  "Days Inn" in Bonita Springs: Michael Donhauser hat dort noch eines der letzten Zimmer dort bekommen. Einige Hotelgäste haben sich in den fensterlosen Badezimmer verbarrikadiert - der dpa-Korrespondent  wurde Zeuge eines dramatischen Naturschauspiels.  Michael Donhauser
Auch die Katzen müssen versorgt werden.
Auch die Katzen müssen versorgt werden.
 
Saskia Fröhlich und Michael Donhauser vor dem Sturm.
Saskia Fröhlich und Michael Donhauser vor dem Sturm.
 
Update in einer Notunterkunft.
Update in einer Notunterkunft.
 
Eng war's in den Notunterkünften.
Eng war's in den Notunterkünften.
 

Der Coburger Michael Donhauser arbeitet als dpa-Korrespondent in Washington. Während des Hurrikans "Irma" berichtete er fünf Tage live aus Florida.

Michael Donhauser ist ein guter Beobachter. Wenn er dieser Tage über die Notenbanksitzung in Washington für die deutsche Presseagentur berichtet, hält er einen gewissen Abstand. Doch Hurrikan "Irma" blickte er direkt ins Auge. Mittendrin war der Coburger zusammen mit seiner dpa-Kollegin Saskia Fröhlich. Fünf Tage reisten die beiden Korrespondenten der Katastrophe entgegen, um schließlich an Floridas Westküste die letzten beiden Zimmer im "Days Inn" in Bonita Springs zu bekommen - wo sie der Dinge harrten, die da passieren sollten. Die abgeschottete und verbarrikadierte Trump-Villa, das Massen-Katzen-Verwahrungsasyl und die Notunterkünfte für die Menschen ließen Schlimmstes befürchten.
"Mir war klar, dass wir relativ sicher waren, da das Hotel ausgebucht und fast nur von Einheimischen bewohnt war", erzählt er im Rückblick. In seinem Bericht schrieb er: "Wenn das da draußen nur noch ein Hurrikan der Kategorie 3 ist, möchte man 4 oder gar 5 nicht erleben. "
Doch bis es soweit war, hieß es, Vorbereitungen treffen. "Wir waren die letzten, die im Supermarkt noch was zu essen kaufen konnten. Die Regale waren leer gefegt. Mit ein paar Müsliriegeln gingen wir ins Hotel zurück", beschreibt er den Ausnahmezustand.
Viel früher als gedacht fiel der Strom schon am Sonntag vormittag aus. Im Treppenhaus war es schon tagsüber dunkel. Die Batterien der Notlampen halten nur für ein paar Stunden. Fernsehen, Licht, Kaffee - Fehlanzeige.
Für die beiden dpa-Korrespondenten bedeutete das natürlich: alles auf Sparmodus oder aus. "Wir hofften die ganze Zeit, dass unser Auto nicht weggespült wird, damit wir dort unsere Handys und Powerbanks aufladen konnten."
Mit seiner Frau Cordula, die in Washington die Bilder aus Florida im Fernsehen verfolgte, telefonierte Michael Donhauser nicht. Ab und zu eine SMS musste genügen. Strom war eine der wertvollsten Ressourcen in diesen Tagen.
Ob er denn gar keine Angst gehabt hätte? Oder es sich wie ein großes Abenteuer angefühlt hätte? So würde er das nicht sagen, meint er im Gespräch und erzählt von den anderen, die mit ihm im Hotel wohnten. Anita Pereira (41) gehörte zu der illustren Zufallsgemeinschaft. Die Ravensburgerin, die mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern auf der Insel Marco Island lebt, wurde zwangsevakuiert. "Sie hatten extra ein Zimmer nahe am Treppenhaus gebucht und ein Bad ohne Fenster. Ihren beiden Kindern hat sie die Schlafsäcke in die Badewanne gelegt, damit sie es bequem und sicher hätten." Das sei wohl etwas übertrieben gewesen, sagt Michael Donhauser, obwohl auch er durchaus Respekt vor den Naturgewalten hatte, die da angekündigt waren. Und sie kamen mit voller Wucht. Am Sonntag zwischen 17 und 18 Uhr wütete der Sturm mit Urgewalt. "Wir hatten Glück, der Wind peitschte parallel zu unserem Hotel. Frontal wäre es viel schlimmer gewesen." Die Palmwedel lagen waagrecht, die Kokosnüsse schaukelten gefährlich und hätten leicht zu Geschossen werden können. Es war dieses enorm laute Getöse, das Wasser, das gegen die Scheiben geschleudert wurde, das auch einem Michael Donhauser "schon etwas Angst machte". Den Moment als das Auge des Hurrikans direkt über Bonita Springs ist, beschreibt er so: "Plötzlich: Der Wind lässt nach, langsam zuerst, dann nieselt es nur noch. Am Himmel einige Wolkenlücken. Sogar die Sonne ist zu sehen. Nur die Unwissenden jubeln." Denn so erklärt er am Telefon: "Wenige Minuten später ging das Pfeifen des Windes wieder los. Bloß jetzt in der anderen Richtung. Waren die Palmen vorher nach links gebeut, liegen sie jetzt rechts flach." Das sei schon sehr beeindruckend gewesen.
Das Ausmaß der Katastrophe wurde Michael Donhauser auf dem Weg durch die Everglades zurück nach Miami deutlich: Die Strommasten lagen quer über der Straße, die Stromkabel in tiefen Pfützen. "Wir mussten da überall durch und drüber. Da hatte ich schon Bammel - schließlich hatte ich im Physikunterricht gut aufgepasst." Aber passiert ist zum Glück nichts. Bis die Elektrizität wieder funktioniert, werde es wohl noch etwas dauern.
Die Auswirkungen ohne Benzin und Strom leben zu müssen, haben bei Michael Donhauser einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Anders bei den Amerikanern. Der dpa-Korrespondent spricht von einer gewissen Gelassenheit. Naturkatastrophen werden hingenommen, man helfe und tröste sich gegenseitig. Da spiele es auch keine Rolle, ob es sich um den Latino aus Mexiko oder den Banker aus Miami handle. Der Zusammenhalt sei sehr beeindruckend. Donhauser glaubt darin so etwas wie die Überbleibsel der Siedlermentalität entdeckt zu haben.
Dennoch tröste die Solidarität und Hilfsbereitschaft nicht über das eigentliche Problem hinweg: das amerikanische Versicherungssystem. Flutschäden seien kaum zu versichern. Die staatliche Versicherung sei für die meisten viel zu teuer. Eine Alternative gebe es nicht. Im Klartext bedeute das, dass die meisten auf dem Schaden sitzenbleiben, sagt Donhauser.
Der Coburger befürchtet auch, dass die Amerikaner nicht aus den Fehlern lernen. "Sie werden die Holzmasten wohl wieder aufstellen und die Kabel in die Luft hängen und beim nächsten Sturm ist gleiche Fiasko zu erwarten." Sehenden Auges würden immer wieder die gleichen Probleme verursacht.
In Miami sah die Welt dann wieder etwas besser aus. Die CNN-Kollegen, die sicher im Vier-Sterne-Hotel Interconti untergebracht waren und für ihre Live-Reportagen mal eben kurz ihre Taucherbrillen aufgesetzt hätten und ins Freie gewatet wären, flogen zufrieden und stolz nach Hause. Michael Donhauser und seine Kollegin machten sich auf dem Rückweg nach Washington.
Seit 2015 sitzt der Coburger im dpa-Hauptstadtbüro in den USA. "Die Arbeit ist hart und die Themen meistens eher trocken", beschreibt er seinen Alltag. Dass es dennoch sehr spannend ist, beweisen seine Reportagen aus Texas nachdem "Harvey" dort gewütet hatte oder auch die Wahlkampfberichterstattung über Clinton und Trump. "Langweilig ist was anderes", meint er. Allein die Zeitumstellung macht das Arbeiten für eine deutsche Agentur nicht gerade leichter. "Wenn ich aufstehe, ist bei euch der Tag schon halb rum", erklärt er.
Michael Donhauser ist Vollblut-Journalist und begeistert von seiner Arbeit. Dass er zusammen mit seiner Frau Cordula und seinen beiden Kinder (3,4) in den USA lebt, empfindet er als großes Glück.

Kurze Vita
Michael Donhauser hat Abitur am Gymnasium Ernestinum gemacht und danach ein Volontariat bei der Neuen Presse. Während des Journalistik-Studiums absolvierte er ein Praktikum bei Radio Eins
Seit 1996 arbeitet er bei dpa: Thüringen, Münster, Hamburg. 2010 ging er für dpa nach London und seit Ende 2015 sitzt er in Washington.
Bis 2000 hat vorwiegend in Coburg gelebt. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder (3,4), die er beide in London adoptiert hat. Reicht das?