Um mit fast 60 Eltern zu werden: Paar zahlt 50.000 Euro - dann nimmt Jugendamt das Kind weg

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Claude und Heike wollten sich ihren Kinderwunsch erfüllen.
Claude und Heike wollten sich ihren Kinderwunsch erfüllen.
ARD
Carlos Leiva vermittelt Leihmutterschaften.
Carlos Leiva vermittelt Leihmutterschaften.
NDR/Getty Images/Shaun Lowe

Ein deutsches Paar erfüllt sich für viel Geld seinen späten Kinderwunsch. Dann greift das Jugendamt ein - und ruft damit sogar Interpol auf den Plan. Eine neue ARD-Dokumentation geht dem Aufsehen erregenden Fall nun auf den Grund.

"Patschige Händchen, große Augen": Wenn Ruby - deren echter Name anders lautet - spielt, wirke sie wie "ein ganz normales Kind". So heißt es zu Beginn der neuen ARD-Doku "Wenn Babys zur Ware werden - das Leihmutter-Business". Normal ist im bisherigen Leben der Zweijährigen bislang jedoch wenig verlaufen. Das Mädchen kennt weder seine leiblichen Eltern, noch lebt es bei den Menschen, die es als Wunschkind bei einer Leihmutter-Agentur in Auftrag gegeben haben.

Es ist ein bemerkenswerter Fall, von dem das "team.recherche" berichtet: Heike und Claude waren beide fast 60, als sie vor einigen Jahren eine Kinderwunsch-Messe besuchten. Kurz zuvor war ihr Antrag auf eine Adoption wegen ihres Alters abgelehnt worden. "Es gibt doch Leute, die noch älter sind, die Kinder bekommen", ärgert sich Claude im Interview. Seine Partnerin gibt ihm recht: "Es gibt Leute, die sind jünger und todkrank. Und es gibt welche, die sind älter und noch fit."

10.000 Dollar für Leihmutter

Auf der Messe ließ sich das Paar von einer Agentur für Leihmutterschaft beraten. Wenig später gaben Heike und Claude für rund 50.000 Euro ihr Kind in Auftrag, samt anonymer Eizellen- und Samenspende.

Als Leihmutter wurde die Argentinierin Alejandra beauftragt, die über eine Facebook-Gruppe auf das ungewöhnliche Job-Angebot aufmerksam geworden war. "Ich war in einer schwierigen Situation. Ich brauchte Geld", erklärt sie im Interview. Weil in ihrem Heimatland nur nicht-kommerzielle Leihmutterschaft erlaubt ist, unterschrieb die zweifache Mutter keinen Vertrag, sondern eine medizinische Einverständniserklärung. Geld bekam sie trotzdem, erzählt Alejandra: 10.000 Dollar plus Aufwandsentschädigungen, die ihr ein fremder Mann in seinem Auto bar überreichte.

Kurz bevor Ruby zur Welt kam, traf Alejandra dann zum ersten Mal auf Claude und Heike. "Ich habe gedacht: Was für ein gutes Leben wird dieses Mädchen haben", erinnert sich die Leihmutter, die auch in den darauffolgenden Wochen mit dem deutschen Paar in Kontakt blieb.

Klinik schaltet Jugendamt ein

Dann jedoch sollte alles anders kommen. Als sich Ruby etwa einen Monat nach ihrer Geburt erkältete, suchte Heike mit ihr ein Krankenhaus auf. Doch die Ärzte wurden stutzig: Das Baby hatte nur argentinische Papiere; zudem soll sich Heike im Umgang mit dem Mädchen "sehr unsicher" gezeigt haben, wie es in der Doku heißt. Die Klinik schaltete das Jugendamt ein, das schließlich den Verdacht auf Kindeswohlgefährdung äußerte. Seither ist das kleine Bettchen in Heikes und Claudes Zuhause wieder leer: Ruby lebt bis heute bei einer Pflegefamilie.

Auch in Argentinien blieb der Krankenhausbesuch nicht ohne Folgen. Durch einen Hinweis des deutschen Jugendamts wurden die argentinischen Behörden auf das bis dahin im Verborgenen gebliebene Leihmutterschafts-Netzwerk aufmerksam. Polizisten durchsuchten Kliniken, Notare und Anwaltskanzleien. In den Nachrichten wurde gar über die kleine Ruby als "Fall Null" berichtet.

Die argentinische Staatsanwaltschaft ermittelte wegen Menschenhandels und organisierter Kriminalität - auch gegen Carlos Leiva, den "Case Manager" im Fall Ruby. Fast scheint das Filmteam selbst nicht glauben zu können, dass der Mann, der zwischenzeitlich sogar von Interpol gesucht wurde, sich zum Interview bereit erklärt.

"Für sie bin ich Gott!"

"Ich habe nichts falsch gemacht", beteuert er schließlich, als er vor der Kamera Platz nimmt. Er sei "stolz" auf sein "Business", sagt Leiva, der früher bei einer Autovermietung gearbeitet hat. "Ich habe mehr als 400 Familien glücklich gemacht. Ich mache das seit 15 Jahren - und ich mache weiter", kündigt der in Spanien lebende Argentinier an und behauptet: "Für sie bin ich Gott!"

Den Vorwurf, dass er kommerzielle Leihmutterschaft betrieben habe, streitet Leiva ab. Schließlich habe Alejandra keinen Vertrag unterschrieben. Als die Reporterin ihn damit konfrontiert, dass dennoch Geld geflossen sei, ruft er: "Natürlich! Alles ist kommerziell. Das Leben ist kommerziell!"

Für Verónica Toller vom argentinischen Ministerium für Nationale Sicherheit ist die Sache klar: "Die Aktivitäten und Netzwerke - das ist eine neue Form des Menschenhandels." Auch die deutsche Politikerin Leni Breymaier (SPD) erklärt im Film, weshalb sie das Leihmutterschafts-Verbot hierzulande für richtig hält: "Es fließt Geld und anschließend wird ein Menschenkind überreicht. Die große Debatte, die wir zu führen haben, ist: Hat man ein Recht auf ein Kind?" Sie selbst, betont Breymaier, würde diese Frage "tatsächlich verneinen".

Zu sehen gibt es die gesamte Dokumentatoin "team recherche: Wenn Babys zur Ware werden - das Leihmutter-Business" in der ARD Mediathek.