Steuer-Hammer trifft Gastro-Branche hart: Fränkischer Brauereigasthof wendet sich an Bundesregierung

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Rödental: Brauereigasthof Grosch erschüttert über Mehrwertsteuererhöhung - "das war's dann wohl"
Familie Pilarzyk vom Rödentaler Brauereigasthof Grosch kämpft bereits seit vielen Jahren für sieben Prozent Mehrwertsteuer in der Gastronomie.
Rödental: Brauereigasthof Grosch erschüttert über Mehrwertsteuererhöhung - "das war's dann wohl"
Brauereigasthof Grosch; Collage: inFranken.de

Die Brauerei Grosch aus Rödental kämpft weiter gegen die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Adressiert an die Ampel-Koalition hat sie jetzt Argumente für ein Beibehalten der sieben Prozent veröffentlicht.

Der Rödentaler Brauereigasthof Grosch hat sich in der Vergangenheit mit viel Aufwand dafür eingesetzt, dass die sieben Prozent Mehrwertsteuer in der Gastronomie auch im kommenden Jahr bleiben. Doch die Ampelregierung hat inzwischen entschieden: Die Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie soll ab dem 1. Januar 2024 wieder bei 19 liegen. "Mit allen bekannten massiven negativen Folgen", so formuliert es das "Grosch"-Team. Die Lokalbetreiber hatten laut Eigenaussage auf das Wort des Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) vertraut, der 2021 zur gesenkten Mehrwertsteuer in der ARD-Wahlarena gesagt hatte: "Das schaffen wir nie wieder ab".

"Worauf sollen wir noch vertrauen? Unser Vertrauen in die derzeitigen Parteien ist jedenfalls nachhaltig gestört", schrieben die Gastronomen in einem Facebook-Post am 16. November 2023. Im Gespräch mit inFranken.de führte Geschäftsführerin Kerstin Pilarzyk daraufhin weiter aus, weshalb diese Entscheidung auch schädigend für Bayern und das ganze Land sein kann. Auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wetterte gegen die neue erhöhte Mehrwertsteuer. In einem offenen Brief an die Bundesregierung hat die Familie samt den 50 Team-Mitgliedern jetzt "hoffnungsvoll" sieben Argumente gegen die Erhöhung aufgelistet.

Update vom 27.11.2023: Rödentaler Brauereigasthof appeliert an Regierung - "sieben Wahrheiten" gegen Erhöhung der Gastro-Steuer

Zuoberst ist "Kulinarische Vielfalt und Lebensqualität" in dem Social-Media-Beitrag zu lesen. Durch die niedrige Mehrwertsteuer sei eine lebendige und vielfältige Gastronomielandschaft in Deutschland möglich. "Sie ist essenziell für das kulturelle Erbe und das soziale Leben in Städten und Dörfern." Insbesondere Normalverdiener und Familien würden zudem unter teureren Speisen leiden. Im Gespräch sprach die Gastronomin die Sorge vor sinkenden Besuchszahlen dieser Gruppe an. Bezogen auf die Personalsituation habe die siebenprozentige Mehrwertsteuer zudem dazu beigetragen, "steigende Personalkosten teilweise aufzufangen und attraktive Arbeitsplätze zu schaffen".

Wie Pilarzyk ebenfalls gegenüber inFranken.de ansprach, leisteten Restaurants im Gegensatz zu Lieferdiensten einen Beitrag zur Nachhaltigkeit, da hier kein Verpackungsmüll anfalle. Das Team sieht in einer letztlich niedrigeren Steuer für Supermärkte oder Lieferdienste auch eine Wettbewerbsverzerrung gegenüber Restaurants, während die sieben Prozent auch das "Funktionieren regionaler Wirtschaftskreisläufe" erleichtere. 

Ein weiteres Argument lautet: "Die 7-Prozent-Mehrwertsteuer unterstützt die Bereitstellung gesunder, frischer und bezahlbarer Mahlzeiten in Bildungseinrichtungen, was im Einklang mit den Ernährungszielen der Bundesregierung steht." Zu guter Letzt blickt das Rödentaler Team über die deutschen Grenzen hinaus. In den meisten EU-Staaten werde "kein Unterschied in der Besteuerung von Speisen gemacht, egal ob im Restaurant oder aus anderen Quellen. Dies sollte auch in Deutschland gelten". Die Punkte sind auf der Webseite des Bundesverbands DEHOGA als "sieben Wahrheiten" zu finden. Hier ist beispielsweise auch die Umsatzentwicklung im Gastgewerbe mit dem Titel "drei Verlustjahre in Folge" einsehbar.

Erstmeldung vom 20.11.2023: Rödentaler Brauereigasthof fürchtet Gastronomie-Sterben - "werden dieses Desaster nicht überleben"

Während der Pandemie sollte die abgesenkte Mehrwertsteuer die Gastronomen entlasten, die Energiekrise führte zu einer Verlängerung bis Ende 2023. "Die Corona-Pandemie, die ist vorbei. Dass man weiterhin die Gastronomie extra unterstützt, ist nicht einzusehen", sagte die Wirtschaftsweise im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Monika Schnitzer am Freitag (17. November 2023) dem Deutschlandfunk. Aus der Ampel-Koalition hieß es am Freitag, dass 7 Prozent Mehrwertsteuer in der Gastronomie aktuell nicht zu finanzieren seien. 

Für die Gastronomen halten die Schwierigkeiten jedoch weiter an, wie inFranken.de bereits berichtete. Eine Volkacher Wirtin äußerte vor der Landtagswahl hierzu eine große Sorge und Würzburger Betreiber sprachen von einer "ernsten Bedrohung". Pilarzyk führt zur Branche aus: "Die Herausforderungen werden nicht kleiner. Viele Kollegen suchen Mitarbeiter. Die Lebensmittelpreise steigen weiter und auch die Energiekosten bleiben auf hohem Niveau."

"Viele Kollegen werden dieses Desaster nicht überleben. Wir hoffen einmal, dass wir selbst nicht dabei sind", heißt es im Statement drastisch. Dem Team bleibe nichts übrig, die Erhöhung 1:1 an die Kundschaft weiterzugeben. Pilarzyk habe Angst, "dass die Kleinen es sich nicht trauen und dann auf der Strecke bleiben". Wie die Preise ab 2024 aussehen können, liest du im oben genannten Artikel, in dem sich auch Söder äußert. Auch die Furcht, dass "die Vielfalt für den Tourismus wegfällt", sei real. "Bayern lebt ja auch vom Tourismus", fügt Pilarzyk hinzu. Gastronomie sei im Übrigen der entscheidende Faktor, wenn es um Lebensqualität eines Ortes gehe, so ihre Ansicht. 

Jahrelanger Kampf gegen Mehrwertsteuererhöhung "umsonst" - Gastronomen wollen weiter argumentieren

Vor allem sonntags kämen viele Familien zum Gasthof "Grosch". Pilarzyk befürchte nun, dass einige "nur noch alle zwei oder drei Monate essen gehen werden. Das wird richtig wehtun". Im Statement heißt es weiter: "Dass die Bundesregierung nicht in der Lage ist, die Fairness zwischen regionalem, hochwertig und handwerklich hergestellten Speisen und Lieferdiensten und Imbissen zu belassen, ist uns unbegreiflich." Denn für Lieferdienste gilt die Erhöhung nicht. Diese verursachten aber Müll. "Nachhaltig ist das definitiv nicht", betont die Rödentaler Gastronomin. 

Nicht erst seit Corona mache sich die Familie stark für sieben Prozent. "Wir haben schon vor der Pandemie dafür gekämpft. In 90 Prozent der europäischen Länder ist der Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie niedriger. Es hat auch was mit Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem Ausland zu tun", lautet ein weiteres Argument. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) versammelt dieses und weitere auf seiner Webseite und startete eine Petition, um die Erhöhung zu verhindern. 

"Wir hatten gedacht, dass wir uns mal um andere Dinge kümmern können, als um die Mehrwertsteuer. Es gibt noch viele wichtige Themen wie Mitarbeiterbindung oder Nachhaltigkeit. Als Verband haben wir uns momentan fast nur noch um diese sieben Prozent gekümmert. Und jetzt war die Arbeit umsonst", so Pilarzyks ernüchtertes Fazit. "Nichts wird euch mehr Geld in den Bundeshaushalt spülen, als wenn wir unserer Arbeit nachgehen dürfen und Steuern zahlen", ruft der Brauereigasthof "Grosch" der Regierung in seinem Post hinterher. Jedoch muss die Branche die Entscheidung trotz allen Argumentierens vorerst hinnehmen. "Aber wir werden weiter kämpfen. Die Hoffnung stirbt zuletzt", versichert Kerstin Pilarzyk. Weitere Nachrichten aus Coburg und Umgebung findest du in unserem Lokalressort.