Berufungsverfahren gegen Erzieherin: Eltern sagen als Zeugen aus

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Das Berufungsverfahren im Fall einer ehemaligen Kindergartenleiterin geht in die zweite Runde. Eltern berichten, was ihre Kinder ihnen erzählten.

Das Berufungsverfahren wegen Misshandlung von Kindern im Alter zwischen zwei und vier Jahren in einer Kindertagesstätte im Raum Coburg geht in die zweite Runde. Einer 42-jährigen Erzieherin, die als Kindergartenleitung in der Einrichtung tätig war, wirft die Staatsanwaltschaft vor, in einem Fall handgreiflich gegenüber einem Kind geworden zu sein. In weiteren Fällen soll die Vorgesetzte tatenlos zugeschaut haben, wie eine 36-jährige Kinderpflegerin, die zusammen mit der 42-jährigen ihren Dienst verrichtete, Kindern Gewalt antat. Die Kinderpflegerin wurde im Frühjahr dieses Jahres verurteilt und nahm das Urteil an. In sechs Fällen wurde sie der vorsätzlichen Körperverletzung schuldig gesprochen und muss 3000 Euro Strafe zahlen. Die Erzieherin, über die eine Geldstrafe von 6000 Euro verhängt wurde und die der Misshandlung von Schutzbefohlenen und der Beihilfe schuldig gesprochen wurde, ging indes in Berufung.

Deshalb wurde das Verfahren, das einen Zeitraum von vier Jahren bis Januar 2015 abdeckt, wieder aufgerollt. Vor der Zweiten Kleinen Strafkammer am Landgericht wird nun neu verhandelt. Am ersten Prozesstag sprach eine Mitarbeiterin von einem schlechten Betriebsklima, das ihrer Ansicht nach dem Führungsstil der 42-jährigen Erzieherin geschuldet gewesen sei. Am gestrigen Dienstag sagten betroffene Eltern im Zeugenstand aus.


Kind erzählte, es sei eingesperrt worden

Eine Mutter berichtete, dass ihr Sohn seiner Oma auf dem Spielplatz gesagt hätte, dass die Kinderpflegerin ihn in den Schlafraum gesperrt habe. "Als wir ihn fragten, ob das stimmt, lag er im Bett und hat geschrien und hat sich weder von mir beruhigen lassen..." Die Zeugin konnte nicht weitersprechen, weil ihre Stimme brach. Auch den Eltern gegenüber habe er sich mitgeteilt: "Er hat gesagt, dass sie (die Kinderpflegerin, Anm. der Red.) ihn auf die Finger gehauen hat beim Essen, und hat auf seine linke Hand gezeigt." Auch auf den Hinterkopf soll der Bub geschlagen worden sein. Er habe nicht mehr in den Kindergarten gewollt und morgens geweint, sagte sie aus. Ihr Sohn habe allerdings immer nur die Kinderpflegerin genannt. Sie hätten ihn gefragt, ob die angeklagte Erzieherin ihm auch etwas getan hätte: "Das hat er verneint."


Eltern sagen aus, ihnen sei gedroht worden

Sie hätten umgehend den Kontakt zur Kindergartenleiterin gesucht, sagte ein Ehepaar, nachdem sie von ihrer weinenden Tochter an deren drittem Geburtstag erfahren hätten, dass die Kinderpflegerin ihr "Aua" am Kopf gemacht habe. Bei dem Gespräch habe die 42-Jährige allerdings von vorneherein abgeblockt, die Schilderungen als kindliche Fantasie abgetan und ihnen gedroht, sagte der Vater aus. "Sollten wir eine öffentliche Meldung machen, würde das für uns juristische Konsequenzen haben. Vonseiten des Trägers würde eine Gegenanzeige wegen Verleumdung erfolgen." Die Kindertagesstätte hätte schließlich einen "Ruf zu verlieren", habe es geheißen. Als Konsequenz hätten die Eltern ihre Tochter umgehend aus dem Kindergarten genommen.

Eine weitere Mutter, die als Elternbeiratsvorsitzende tätig war, und deren Kind betroffen gewesen sein soll, gab an, keine Beobachtungen gemacht zu haben. Sie sei sich sicher, dass sie das an ihrem Kind bemerkt hätte, sagte sie aus. Ihr Sohn sei immer gerne zu seinen Erzieherinnen gegangen. "Ich glaube nicht, dass den Kindern dort Unrecht geschehen ist."


Gerüchte kommen auf

Nachdem beide Angestellte den Kindergarten verlassen hatten, zudem Gerüchte für große Unruhe gesorgt hatten und von den Verantwortlichen keinerlei offizielle Stellungnahme gekommen sei, habe sie sich an Betriebsrat und Geschäftsführung gewandt, erklärte sie, und ein Schreiben an die Eltern aufgesetzt, in dem von "Teamunstimmigkeiten" die Rede war. Sie selbst sei erst sehr spät in Kenntnis gesetzt worden, dass ihr Kind betroffen gewesen sei.

Eine weitere betroffene Mutter konnte nur von einem Vorfall berichten. Ihr Kind habe erzählt, es sei von der Kinderpflegerin angeschrien worden, weil es sich die Hausschuhe nicht selbst ausziehen konnte. Auf weitere Fälle, die ihrem Kind laut Anklageschrift passiert sein sollen, habe sie ihre Tochter bewusst nicht angesprochen, sagte sie aus.


Angeklagte äußert sich nicht selbst

Die 42-jährige Angeklagte, die sich am ersten Verhandlungstag nicht äußern wollte, ließ über ihren Anwalt eine Erklärung verlesen. An das Gespräch mit den betroffenen Eltern könne sie sich erinnern, allerdings habe in dem Fall Aussage gegen Aussage gestanden. Die verurteilte Kinderpflegerin sei eine langjährige Mitarbeiterin und habe sich nie etwas zuschulden kommen lassen. Bei einem anschließenden Gespräch mit ihrer Vorgesetzten sei entschieden worden, der Aussage der Kinderpflegerin, nichts Verwerfliches getan zu haben, Glauben zu schenken. Zwar habe ihre Kollegin etwas autoritäre Verhaltensweisen gezeigt und auch mal mit der Hand auf den Tisch geschlagen, damit Ruhe einkehrte, ließ die Angeklagte verlesen. Strafrechtlich relevante Verhaltensweisen hätte sie als Vorgesetzte jedoch keinesfalls gebilligt. Den ihr zur Last gelegten Fall, sie habe ein Mädchen so lange mit Obstsalat gefüttert, bis das Kind erbrach, habe es nicht gegeben. Im betreffenden Sommer 2014 sei die Angeklagte zudem wegen Erkrankung ihres Kindes und einer Kur gar nicht in der Einrichtung gewesen.
Die Verhandlung wird am 14. November fortgesetzt.