Bereits sieben Corona-Tote in Coburgs belgischer Partnerstadt

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Anja van Acker im Home Office: Sie ist Lehrerin am freien technischen Institut Waregem und betreut als Mitglied des Partnerschaftsausschusses Oudenaarde-Coburg die gemeinsame Städtepartnerschaft.privat
Anja van Acker im Home Office: Sie ist Lehrerin am freien technischen Institut Waregem und betreut als Mitglied des Partnerschaftsausschusses Oudenaarde-Coburg die gemeinsame Städtepartnerschaft.privat
Jedes Jahr ein Renner auf dem Coburger Weihnachtsmarkt: In einer Bude der Partnerstadt Oudenaarde wird belgisches Bier verkauft.Barbara Herbst
Jedes Jahr ein Renner auf dem Coburger Weihnachtsmarkt: In einer Bude der Partnerstadt Oudenaarde wird belgisches Bier verkauft.Barbara Herbst
 
Jedes Jahr ein Renner auf dem Coburger Weihnachtsmarkt: In einer Bude der Partnerstadt Oudenaarde wird belgisches Bier verkauft.Barbara Herbst
Jedes Jahr ein Renner auf dem Coburger Weihnachtsmarkt: In einer Bude der Partnerstadt Oudenaarde wird belgisches Bier verkauft.Barbara Herbst
 
2012 wurde das 40-jährige Bestehen der Städtepartnerschaft zwischen Coburg und Oudenaarde gefeiert. Das Foto zeigt den damlaigen Oudenaarder Bürgermeister Marnic de Meulemeester und Nand Bruynooghe als "Hansje de Kreijer" an Coburgs Oberbürgermeister Norbert Kastner ((von links).Simone Bastian
2012 wurde das 40-jährige Bestehen der Städtepartnerschaft zwischen Coburg und Oudenaarde gefeiert. Das Foto zeigt den damlaigen Oudenaarder Bürgermeister  Marnic de Meulemeester und  Nand Bruynooghe als "Hansje de Kreijer" an Coburgs Oberbürgermeister Norbert Kastner ((von links).Simone Bastian
 
Eine Musikgruppe aus Oudenaarde lief 2017 beim Gaudiwurm in Coburg mit.Jochen Berger
Eine Musikgruppe aus Oudenaarde lief 2017 beim Gaudiwurm in Coburg mit.Jochen Berger
 
Eine Musikgruppe aus Oudenaarde lief 2017 beim Gaudiwurm in Coburg mit.Jochen Berger
Eine Musikgruppe aus Oudenaarde lief 2017 beim Gaudiwurm in Coburg mit.Jochen Berger
 
Der Musikverein Beiersdorf bei einem Umzug in Oudenaarde 2007.CT-Archiv
Der Musikverein Beiersdorf bei einem Umzug in Oudenaarde 2007.CT-Archiv
 

An diesem Wochenende hätte die berühmte Flandern-Rundfahrt durch Oudenaarde rollen sollen. Doch auch Coburgs belgische Partnerstadt leidet unter der Corona-Krise. Anja van Acker vom Partnerschaftsausschuss macht sich große Sorgen.

Veranstaltungen abgesagt, Ausgangsbeschränkung, Geschäfte zu. In Coburgs belgischer Partnerstadt Oudenaarde (die Partnerschaft besteht seit 1972) ist die Lage wegen Corona ganz ähnlich wie in Coburg. Anja van Acker, die die Städtepartnerschaft auf belgischer Seite betreut, erzählt im Interview, wie das Leben in ihrer flämischen Heimat gerade aussieht. Coburger Tageblatt

Wie ist die derzeitige Regelung bei Ihnen in Oudenaarde? Darf man das Haus verlassen?

Anja van Acker: Die Polizei kontrolliert wirklich sehr streng. Wir dürfen das Haus verlassen, um einzukaufen, zur Post zu gehen, zur Bank und zur Apotheke. Wir dürfen spazieren gehen, maximal mit zwei Personen, aber 1,50 Meter auseinander. Man darf reden, wenn man jemandem begegnet, aber auch mit 1,50 Meter Entfernung. Mann darf draußen laufen, joggen, Fahrrad fahren, aber alles mit "social distance" von 1,50 Meter. Man darf aber nicht erstmal irgendwo hinfahren und dann laufen gehen. Man darf zum Beispiel auch nicht zur Küste oder zu den Ardennen fahren, um dort zu wandern.

Wieviele Infizierte und Kranke gibt es in Oudenaarde? Ist schon ein Patient an Corona gestorben?

In Oudenaarde sind zur Zeit 39 Personen infiziert, sieben Personen sind in Oudenaarde schon verstorben, wovon drei Personen aus einer Familie stammen (ein 52-Jähriger und seine 82 und 83 Jahre alten Eltern, Anmerkung der Redaktion).

Schaffen es die Krankenhäuser in und um Oudenaarde, alle Patienten zu versorgen?

Bis jetzt gibt es im Krankenhaus in Oudenaarde keine Probleme, auch nicht in Ronse (17 Kilometer entfernt). Daneben haben wir auch noch Gent, wo noch viel Platz ist.

Wie ist die Stimmung bei den Menschen in Oudenaarde? Folgen die Menschen den Anordnungen oder ist es schwierig?

Jeder redet über dieses Thema, aber die meisten halten sich daran. Jeder fragt sich, wie es weiter gehen soll. Viele haben Angst und wissen nicht, was sie erwarten können. Wie geht es weiter mit unsere Wirtschaft? Die Leute, die selbstständig sind oder Free-lance arbeiten, haben jetzt keine Arbeit mehr. Die Anordnungen werden befolgt, weil die Strafen sehr streng sind. Wenn man etwa mit dem Auto irgendwohin fährt, wo man nicht hin darf, kann man kontrolliert werden und muss sofort 250 Euro Strafe zahlen. Auch wenn man auf einer Bank im Park zusammen sitzt, ist die Strafe 250 Euro. Wenn man einen Polizisten bespuckt, zahlt man Strafe und bekommt zwei Jahre Gefängnis.

Waren in Oudenaarde große Veranstaltungen geplant, die nun nicht stattfinden können?

Ja, sicher! Wir hätten am Wochenende die Flandern-Rundfahrt gehabt. Normalerweise kommen am Samstag 16000 Amateure aus 60 verschiedenen Ländern nach Oudenaarde, und am Sonntag ist der große Tag. Dann kommen die Profis - Männer und Frauen. Dann ist hier in Oudenaarde die Hölle los! Von Samstag bis Montag sind so viele Aktivitäten, aber leider ist jetzt nichts zu tun.

An Ostern haben wir immer zwei Wochen Vogelschießen, das findet auch nicht statt, ebenso verschiedene große Flohmärkte. Wanderungen und Läufe sind auch verboten. Im Mai hätten wir Blumenmarkt und das Gedenken zum Ende des Zweiten Weltkrieges: leider abgesagt!

Von einem gemeinsamen Projekt der Stadt Coburg mit Oudenaarde lesen Sie hier

War auch eine Veranstaltung mit Coburg geplant, die nun ausfallen muss?

Nein, mit Coburg war nichts Spezielles geplant. Wir hoffen, dass der Weihnachtsmarkt noch stattfindet.

Bei uns sind zur Zeit viele Geschäfte geschlossen, zum Beispiel Blumenläden, Baumärkte, Friseursalons - wie ist es bei Ihnen in Oudenaarde?

Alles ist zu, nur Geschäfte, wo man Nahrung für Menschen und Tiere kaufen kann, Apotheken und die Post haben offen. Alles andere ist zu.

Einen Bericht über die letztjährige Flandern-Rundfahrt lesen Sie hier

Gibt es finanzielle Hilfen für Geschäfte oder Unternehmen, die nicht geöffnet haben dürfen?

Ja, die Regierung hat verschieden Maßnahmen ergriffen: Es gibt Prämien für Firmen, die trotz allem weiter arbeiten können, aber nur mit einer Person (zum Beispiel Bauunternehmen, Gärtner, Elektriker) und hohe Einkommensverluste haben. Die bekommen 3000 Euro. Läden, Geschäfte oder Unternehmen, die schließen mussten, bekommen 4000 Euro.

Personen, die plötzlich ohne Arbeit sind oder die nicht arbeiten dürfen und Kredite laufen haben, können drei Monate Aufschub bekommen. Eltern, die eine Wohnung gemietet haben, damit die Kinder an der Uni studieren können, bekommen ein bisschen Rabatt, weil die Kinder jetzt zuhause wohnen. Man muss die Zimmer immer für das ganze Jahr mieten.

Was tut die Stadtverwaltung Oudenaarde ganz konkret für ihre Bürger? Bietet sie zum Beispiel einen speziellen Service an, den es sonst nicht gibt?

Die Stadtverwaltung hat verschiedene ehrenamtliche Gruppen eingerichtet: Man kann sich zum Beispiel eintragen, um für ältere Leute einkaufen zu gehen, mit deren Hund spazieren zu gehen, in der Klinik auszuhelfen oder im Altenheim, wenn man früher Krankenpfleger oder Schwester war. Die Stadt ruft jede Woche Bürger über 80 Jahre an und fragt, wie es ihnen geht, ob sie etwas brauchen. Schulen und die Kinder werden gebeten, den Leuten im Altenheim Briefe zu schreiben, weil sie keinen Besuch mehr bekommen dürfen.

Jeden Abend um 20 Uhr wird applaudiert für die Ärzte, für Krankenpfleger. Weiße Tücher hängen aus den Fenstern raus. Das bedeutet, dass die Leute an alle Pfleger und deren Arbeit denken.

Für Kinder stellt man Bären in das Fenster, damit sie ihren Spaß haben, wenn sie mit ihren Eltern spazieren gehen - Bären suchen und Bilder machen.

Wie geht es Ihnen ganz persönlich im Moment?

Uns geht's zur Zeit gut, danke. Das Leben ist schon ein bisschen anders. Ich muss jetzt Unterricht von zuhause geben, korrigieren und aushelfen mit dem PC. Ich habe meine Tochter zuhause und sie bekommt auch sehr viele Hausaufgaben von ihrer Schule.

Auch im Haushalt geht alles weiter. Ich sorge für meinen Papa, der nebenan wohnt. Meine Tochter darf nicht mehr zu ihm (Enkelkinder dürfen nicht zu den Großeltern). Ich gehe nur einmal in der Woche einkaufen, aber das ist eine große Aufgabe. Erstmal wird der Griff vom Einkaufswagen desinfiziert, dann muss man warten, bis man ins Geschäft gehen kann, weil dort nur eine Person pro zehn Quadratmeter sein darf. Im Geschäft muss man immer den Abstand von 1,50 Meter einhalten. An der Kasse muss man auch wieder warten. Bezahlen kann man nur mit Karte. Man muss dann auch einen Handschuh anziehen, Pin-Code eingeben und den Handschuh wegschmeißen. Deswegen, einmal dorthingehen genügt. Wir hoffen nur, dass wir gesund bleiben.