Bärenturm: Coburger Altstadtfreunde lehnen Neubau ab

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So könnte der Neubau (links) aussehen: Er schließt sich an das bestehende Gebäudeensemble an und ist in etwa genauso hoch wie der Bärenturm (rechts). Repro: Jürgen Günther
So könnte der Neubau (links) aussehen: Er schließt sich an das bestehende Gebäudeensemble an und ist in etwa genauso hoch wie der Bärenturm (rechts). Repro: Jürgen Günther

Die Altstadtfreunde Coburg hatten zur Diskussion über den geplanten Neubau neben dem Bärenturm eingeladen.

Am geplanten Neubau neben dem Bärenturm in der Unteren Anlage scheiden sich die Geister: Bei einer öffentlichen Diskussion, zu der die Altstadtfreunde Coburg und deren Vorsitzende Christa Minier am Donnerstag eingeladen hatten, war die Ablehnung einhellig. Fast alle Gesprächspartner störten sich daran, dass der quaderförmige Erweiterungsbau vor allem den Blick auf die Morizkirche verbauen würde. Der optische (und akustische) Eindruck der Morizkirche wäre bei der Verwirklichung des Bauvorhabens futsch. Bei der Bewertung des möglichen Endresultats waren sich die Teilnehmer fast einig, wenn auch aus unterschiedlichen Motiven.

So mahnte Christa Minier die soziale Komponente an. Auf der Liste der Wohnbau Coburg GmbH stünden rund 1500 Menschen auf der Warteliste. Habe es 1990 noch 2,87 Millionen Sozialwohnungen in Deutschland gegeben, sollen es einer Prognose der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe zufolge 2020 nur noch 1,07 Millionen sein. "In vielen Städten fehlen bezahlbare Wohnungen", sagte die Vorsitzende. "Wir stehen für öffentlichen Wohnungsbau und dafür, dass Wohnungsbestände auch in der Hand von Städten und Gemeinden bleiben."

Die soziale Komponente ist aber nur die eine Seite der Medaille, es geht auch um Baurecht und Ästhethik. "Das Ensemble soll geschützt werden", stellte Grünen-Stadtrat Wolf-Rüdiger Benzel klar. Stadtrat Hans-Heinrich Eidt (FDP), der auch Vorsitzender der Gemeinschaft Stadtbild Coburg ist, wies darauf hin, dass die seit 1843 bestehenden Flügelbauten des Bärenturms auch schon ungewöhnlich gewesen seien. Bernward Flenner, Bauherr des Dornheim-Hauses in der Steingasse, gehört zu den Skeptikern: "Wer hier investieren will, muss Sinn für das Gemeinwesen haben."

Christa Minier wies auf die bekannten Einwände städtischer Dienststellen hin. So befürchte das Ordnungsamt verstärktes Verkehrsaufkommen, zusätzlich zu dem durch das Gymnasium Albertinum bedingten Verkehr. Das Grünflächenamt habe Bedenken wegen möglicher Beeinträchtigung der Grünbereiche und Eingriffe in den Baumbestand, ähnlich habe das Liegenschaftsamt schon argumentiert.

"Der in Coburg entstandene neugotische Bebauungsring gilt als städtebauliches Juwel, das als eine Sonderentwicklung in die Baugeschichte einging", zitierte Minier aus Wikipedia. Neugotische Ensembles in dieser Geschlossenheit ließen sich heute nicht einmal mehr im Urspungsland Großbritannien finden. So gehört konsequenterweise auch Annette Faber vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege nicht zu den Fans der Baupläne in der Unteren Anlage, wie sie erst vor wenigen Tagen erneut bekräftigt hatte.

Stadtrat Benzel mahnte bei den Gedankenspielen um Pläne und Neubaupläne in Coburg insgesamt mehr Transparenz an: "Da gehört der Bürger dazu!"

"Architektursprache von heute": Eigentümer rechtfertigt sein Projekt

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Die Kritik an den Anbauplänen am Bärenturm kann der Eigentümer der denkmalgeschützten Immobilie, Jürgen Günther, nicht verstehen. Im Gespräch mit dem Tageblatt weist er allem voran den Vorwurf zurück, dass mit dem Projekt in der Unteren Anlage der "neugotisch geprägte Altstadtring" zerstört werde.

Denn: Ein solcher Altstadtring existiert Günthers Meinung nach gar nicht. "Richtig ist vielmehr, dass das Schloss Ehrenburg neugotische Architekturelemente aufweist. Diese setzen sich jedoch in der Unteren Anlage so ausdrücklich nicht fort." Außerdem verweist Günther auf diverse Baumaßnahmen in der gar nicht all zu fernen Vergangenheit, bei denen in der Nachbarschaft des Bärenturms das vermeintliche Argument eines neugotisch geprägten Altstadtrings ebenfalls kein Hinderungsgrund gewesen sei - konkret nennt er den Abriss der alten Ratsschule, an deren Stelle das Ämtergebäude errichtet wurde, sowie den Anbau des Albertinums.

Wichtig ist Günther auch der Hinweis, dass er sich im Zuge der 2016 begonnenen Planungen für den Bärenturm-Anbau sehr wohl Gedanken darüber gemacht hat, wie die Stadtmauer zwischen Albertsplatz und Bärenturm ihrer historischen Bedeutung wieder mehr gerecht werden könnte. Eine Idee war, die dortigen Stellplätze zu verlegen und den Bereich vor der Stadtmauer neu zu gestalten Als Ersatz für einen Großteil dieser Stellplätze schwebte ihm und den beteiligten Architekten vor, den gegenüberliegenden Hügel (am alten Albertinum-Eingang) zu nutzen.

Aber zurück zum eigentlichen Anbau-Projekt am Bärenturm: Günther sieht darin eine Aufwertung des Areals. Immerhin würde der Anbau eine ältere Doppelgarage sowie einen "Müllplatz mit Waschbetonabdeckungen" ersetzen. Der sechsgeschossige Neubau sehe einen zurückgesetzten Dachbereich mit fünf Wohneinheiten vor. Durch ein angegliedertes Treppenhaus - inklusive einem vorgelagerten Personenaufzug mit Frontverglasung - erfolge eine "Verzahnung" mit dem bestehenden Anbau an den Bärenturm. Jürgen Günther argumentiert: "Der Neubau entsteht in der Gestaltung der heutigen Architektursprache."

Dass es auch aus dem politischen Raum Kritik an dem Projekt gibt, kann Günther nicht verstehen. Denn als er im Dezember vergangenen Jahres die Pläne erstmals im Bau- und Umweltsenat vorgestellt habe, seien diese "einstimmig" befürwortet worden. Daraufhin habe er im April die entsprechenden Bauanträge eingereicht.

Den Vorwurf, dass es sich um eine denkmalgeschützte Umgebung handele, will er nicht gelten lassen. Denn: "Das Bauen in denkmalgeschützter Umgebung ist grundsätzlich zulässig, soweit sich nicht aus denkmalschutzrechtlichen Normen ein ausdrückliches, originäres und drittschützendes Abwehrrecht ergibt." Dies sei jedoch nicht im Bayerischen Denkmalschutzgesetz verankert. "Die Rechtssprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes sieht regelmäßig auch bei der Verletzung von Artikel 6/Absatz 2 der Bayerischen Denkmalschutzgesetzes nicht automatisch eine erhebliche Beeinträchtigung der Denkmalwürdigkeit an, so dass eine Beeinträchtigung auf außergewöhnliche Umstände beschränkt wird." Und dann bringt Günther wieder die Beispiele Ratsschule/Ämtergebäude sowie Anbau Albertinum ins Spiel: Auch als diese Neubauten errichtet wurden, sei dies geschehen, ohne dass die zuständigen Behörden von einer außergewöhnlichen Beeinträchtigung ausgegangen seien. Wohlwissend, dass es sich bei Ratsschule/Ämtergebäude sowie Albertinum um öffentliche Bauvorhaben handelte, stellt Günther klar: "Wichtig ist, dass das Baurecht für private wie für öffentliche Bauherrn in gleicher Weise angewendet werden muss."