Was passierte wirklich im Haus des ermordeten Wolfgang R. in Beiersdorf? Vorsitzender Richter Gerhard Amend ordnete für Freitag Nacht einen Augenschein-Termin an.
Mit modernster 3-D-Animationstechnik wurde am Donnerstag im Gerichtssaal der Tathergang rekonstruiert. Denise Brüderlein vom Landeskriminalamt Bayern machte zunächst einen Rundgang durch das Haus möglich und zeigte den Tatort aus den unterschiedlichsten Perspektiven. Wie es zu den brutalen Verletzungen kam, zu den Schuhabdrücken auf dem Kopf und Gesicht von Wolfgang R., wie genau zugetreten wurde und wo überall das Blut gelandet ist, hatte Brüderlein dreidimensional visualisiert. Auch hatte sie mit einem 3-D-Drucker die Körperteile ausgedruckt, bei denen die Sohlenabdrücke sichtbar waren.
Schreckliche Bilder Die Bilder des Opfers, mit all seinen Blutergüssen und Wunden, waren nichts für schwache Nerven. Die Tochter des ermordeten Wolfgang R.
verließ unter Tränen den Gerichtssaal.
Dennoch blieben Fragen offen: Wem gehörte der Turnschuh der Marke Victory? Woran genau starb Wolfgang R.? Wie waren die Lichtverhältnisse? Konnten die Männer das Ausmaß ihrer Tritte erkennen? Trotz akribischer Tatortarbeit muss die Spurensicherung bis 18. Dezember noch weitere Details klären.
Um sich ein tatsächliches Bild machen zu können, ordnete der Vorsitzende Richter Gerhard Amend einen Augenschein-Termin an. Genau ein Jahr nach der Tatnacht trifft sich am Freitag um Mitternacht die Kammer in Beiersdorf. Vielleicht lässt sich da die eine oder andere Antwort finden.
Nur wenig Aufschluss gaben die Lebensläufe der beiden Hauptangeklagten, die am Donnerstag in den Gutachten von Cornelis Stadtland unter die Lupe genommen wurden. Zwar hat vor allem Peter G.
erhebliche Belastungsfaktoren, doch für einen auffälligen Befund gibt es keine Anzeichen, so Stadtland.
Die Lebensläufe der beiden Hauptangeklagten, Paul K. und Peter G., waren bereits am ersten Prozesstag, am 26. November, Thema. Paul K., der jüngste der Angeklagten, ist 1991 geboren. Nach der mittleren Reife begann er eine Ausbildung als Kfz-Mechatroniker, arbeitete später als Maschinenanlagenführer in einer Lackiererei und lebte mit seiner Verlobten zusammen.
Gefragt nach seinen Hobbys nennt K., der in seiner Jugend der rechten Szene angehört hatte, "feiern gehen, mit Leuten unterwegs sein", außerdem sei da sein "zweiter Freundeskreis", der Motorradclub "Bad Seven". Warum er denn böse sein wolle, fragt Amend nach. Eine direkte Antwort erhält der Richter darauf nicht. Den Club gebe es schon länger, der Name stamme nicht von ihm.
Auch nähere Erklärungen für Amend, der sich nach eigenem Bekunden nicht mit der Materie Motorradclubs auskennt, will Paul K. nicht liefern. "Das sind interne Angelegenheiten!"
Alkohol als Ausrede? Bei den Themen Alkohol und Krankheiten zeigt sich der Angeklagte etwas auskunftsfreudiger. Er sei starker Trinker, habe aber noch nie Drogen genommen. Der 23-Jährige erzählt von Knieproblemen, derentwegen er öfter beim Arzt und zeitweise auch krankgeschrieben gewesen sei. Es fange an mit einem stechendem Schmerz, dann schwelle das Knie an - je nach Belastung. Teilweise habe er Schmerztabletten genommen - auf Nachfrage von Amend: ja, auch am Tattag. Von zwei Ampullen Tramal ist die Rede. Gutachter Cornelis Stadtland und Richter Amend fragen nach, woher das starke Schmerzmittel stammt. Paul K. gibt dazu keine Auskunft.
In seinem Gutachten ließ Stadtland durchblicken, dass weder Drogen, Tablettn, noch Alkohol ein wirkliches Problem für Paul K. seien.
Peter G., 45 Jahre alt, aufgewachsen in Düsseldorf, besuchte eine Schule für schwer Erziehbare. Dort sei er von einem Lehrer geschlagen worden, erzählt Peter G. dem Gericht. Er habe zurückgeschlagen - ein Reflex. Seine Zeit als Berufssoldat bei der Bundeswehr endet 1990 vorzeitig mit der "unehrenhaften Entlassung" - er habe sich unehrenhaft von der Truppe entfernt, sagt der 45-Jährige. G. beginnt eine Ausbildung zum Fenstermonteur, steigt dann auf Glas- und Gebäudereiniger um, sitzt von 2004 bis 2007 eine Haftstrafe ab und kommt schließlich über Gelsenkirchen, Nürnberg und Koblenz 2013 nach Coburg. Sechs Monate arbeitet er in der Automobilzuliefererbranche, dann wurde sein Arbeitsvertrag nicht mehr verlängert. Seine Schulden gibt Peter G.
mit 30.000 bis 40.000 Euro an.
Aus seiner ersten Ehe von 1995 bis 2006 hat der 45-Jährige fünf Kinder zwischen acht und 18 Jahren. Ehe Nummer zwei von 2008 bis 2010 blieb kinderlos, seit 30. August 2013 ist Peter G. zum dritten Mal verheiratet.
Seinen ersten Joint habe er mit zwölf Jahren geraucht, berichtet der Angeklagte, etwa zwei Jahre später ging es los mit Pillen, Trips, dann Kokain, heute auch Crystal und Speed. Waren keine Drogen im Haus, habe er eben zu Alkohol gegriffen, sagt Peter G. - wenn er ihn zur Hand habe auch täglich. Alkohol, das heißt für den 45-Jährigen ausschließlich Whisky. Jack Daniels sei seine bevorzugte Marke - "zwei, drei Flaschen, wenn man in Gesellschaft ist."
Auch das konnte Stadtland so nicht bestätigen. "Es deutet nichts auf einen derartigen regelmäßigen Alkoholgenuss hin."