Aufmerksamer Senior meldet seiner Betreuerin Fehlbeträge

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Die meiste Zeit während des Prozesses wurde in Coburg (Foto) verhandelt. Um einen vierten Geschädigten, der nicht mehr nach Coburg kommen kann, vernehmen zu können, verlegte die Kammer den Gerichtsstand kurzerhand nach Kronach. Foto: Jochen Berger
Die meiste Zeit während des Prozesses wurde in Coburg (Foto) verhandelt. Um einen vierten Geschädigten, der nicht mehr nach Coburg kommen kann, vernehmen zu können, verlegte die Kammer den Gerichtsstand kurzerhand nach Kronach. Foto: Jochen Berger

Weil einer der Zeugen hochbetagt ist, befragt die Kammer den Mann im Gericht in Kronach. Weitere Geschädigte leiden an Demenz oder sind bereits verstorben.

Sie machten im Jahr 2016 ihre Aussagen vor der Polizei und können nun nicht mehr als Zeugen vor Gericht aussagen: Ein Lichtenfelser Facharzt bescheinigte zwei Hochbetagten, dass sie aufgrund von Altersdemenz nicht mehr vernehmungsfähig sind. Eine weitere Seniorin ist bereits verstorben. Um einen vierten Geschädigten, der nicht mehr nach Coburg kommen kann, vernehmen zu können, verlegte die Kammer den Gerichtsstand kurzerhand nach Kronach. Dort machte der im Jahr 1924 geborene Mann, einer von elf Geschädigten, die ein Kronacher Bankkaufmann um mehr als 500 000 Euro betrogen haben soll, schließlich seine Aussage.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Kronacher Untreue, Diebstahl, Urkundenfälschung und Betrug vor. In mehr als 160 Fällen und in Lauf mehrerer Jahre ab 2011 soll der ehemalige Filialleiter eines Geldinstituts aus dem Raum Kronach seine Kunden um hohe Geldbeträge bis in mittlere Zehntausenderbeträge betrogen haben. Einen Großteil der Fälle gab der 49-Jährige auch zu. Weil er aber nicht für alle in der Anklageschrift gelisteten Buchungen verantwortlich sein soll, muss akribisch ermittelt werden. Fünf Verhandlungstage sind dafür angesetzt.


Eine dreiste Lüge wird auch noch gelacht

Die drei Aussagen, die die Zeugen vor der Polizei gemacht hatten, wurden schließlich verlesen. Eine bereits verstorbene Geschädigte war verwitwet und seit Jahren nicht mehr selbst in die Bankfiliale gekommen. Sie sei vom Angeklagten regelmäßig zu Hause besucht worden. Nur einmal habe er ihr Geld mitgebracht. Später sei sie von der Innenrevision der Bank im Pflegeheim besucht und um Auskünfte zu Fehlbeträgen auf ihrem Konto gebeten worden. Kurz darauf sei auch der Angeklagte vorbeigekommen, habe sie über den Besuch ausgefragt und ihr mitgeteilt, dass ein Fremder wohl 50.000 Euro von ihrem Konto abgehoben hätte. Da hätten sie beide noch darüber gescherzt, gibt sie zu Protokoll. "Er hat mir immer meine Hilfe angeboten und mich jahrelang betreut", so die Aussage der alten Dame, "ich habe ihm vertraut."

Bei der Vernehmung einer zweiten Geschädigten, die der Angeklagte um mehr als 25.000 Euro betrogen haben soll, erinnert sich diese an eine verschwundene Geldkarte. Die habe sie wohl einmal dem Angeklagten ausgehändigt, sagte sie den Vernehmungsbeamten. "Ich weiß nicht, ob er sie wieder zurückgebracht hat."


Es haben wohl 80.000 Euro gefehlt

Einer der Senioren, dessen Protokoll ebenfalls verlesen wurde und der bis zu seiner Unterbringung allein in einem Haus im Landkreis Kronach lebte, hatte sich rechtzeitig um eine Familienangehörige als Betreuerin gekümmert und dieser eine Vollmacht über sein Konto ausgestellt. Er habe gemerkt, dass immer wieder einmal größere Abhebungen vorgenommen worden seien und schließlich mit ihr darüber gesprochen. Der Mann hatte für das Alter vorgesorgt, für den Fall, dass er einmal in ein Pflegeheim kommen sollte. "Das war schon ein ganz schöner Batzen, was da gefehlt hat", gab er an. Ihm seien bestimmt 80.000 Euro abhandengekommen. "Da spart man sein ganzes Leben", erklärte er dem Vernehmungsbeamten, und dann nehme einem ein Bankangestellter das Geld. "Mein Vertrauen in die Bank ist weg."

Die Betreuerin des Seniors ist es schließlich auch, die den Stein ins Rollen bringt. Sie spricht beim Angeklagten in der Bank vor und wird, als dieser sie mit der Begründung abwimmelt, über Kontobewegungen rückwirkend keine Auskunft geben zu müssen, bei seinem Vorgesetzten vorstellig. Als die Frau das Wort "Betrug" in den Mund nimmt, wird der Filialleiter hellhörig. "Da haben bei mir die Alarmglocken geläutet", sagte er im Zeugenstand. Der Mann stellte Ermittlungen an, unter anderem bei der alten Dame im Pflegeheim, die seine frühere Nachbarin ist. Die Senioren weiß nichts über eine Abbuchung von 50.000 Euro von ihrem Konto. Weitere Unregelmäßigkeiten fallen auf. Daraufhin wird dem Angeklagten, der als stellvertretender Filialleiter tätig war, die Verfügungsgewalt entzogen und er muss seine Schlüssel abgeben.
Am Freitag soll das Urteil verkündet werden.