Heide Kunze-Lysek ist in der Region Coburg als engagierte Dozentin für Malen und Zeichnen bekannt. Es schmerzt sie, dass die alte Kunst des Aquarellierens oft etwas abgetan wird.
Aquarell? Ach Gottle na! Kunst? Fragezeichen, Fragezeichen. Mit Wasserfarben malen doch schon die Kinder. -
Die Kränkung sitzt tief bei Heide Kunze-Lysek. Auch wenn sie sich selbst nicht über mangelnde Aufmerksamkeit hier in der Region beklagen kann. Kränkung, nicht nur bei ihr. So mancher Künstler, der sich ernsthaft mit der Technik wasserlöslicher Farben beschäftigt, spürt immer wieder, wie auf diesem Wege entstandene Werke eine Etage unter den als "wirkliche Kunst" anerkannten Verfahren eingestuft werden. Acryl ist schick heutzutage.
Doch bestimmt schon von vorne herein das Material die Wertigkeit eines Kunstwerkes, seine Wirkung? Und ist ein Verfahren schon deshalb weniger wert, minder-wertig, weil es der Masse zugänglich ist, der Masse an Kreativen, an Kunstwilligen? Weile sich viele an der unmittelbar dargestellten Sonnenblume freuen? Oder sollte nicht gerade darin auch ein besonderer Vorteil gesehen werden, dass mit "kleinem Malzeug" auch schnell etwas ausgedrückt werden kann? Was doch eine Kunst für sich ist, wie viele große Maler mit ihren Reisetagebüchern bewiesen haben.
Die Architektin Heide Kunze-Lysek wird im Dezember 75 Jahre alt. Sie hat ihr Leben lang gemalt - angeregt und geschult vom Vater, dem hier in der Re gion als Architekt und Künstler geschätzten Friedemann Lysek (1904 bis 1988). Sie hat ab 1985 ihre Fähigkeiten und Kenntnisse durch weitere Studien an verschiedenen Kunsthochschulen und Akademien vertieft, und seit Mitte der 90er Jahre verstärkt als VHS-Dozentin und in der Erwachsenenbildung gewirkt. Im Studienkolleg an der Coburger Hochschule sind es vor allem ausländische Studenten, viele mit Zielrichtung Design-Studium, die ihre Hilfe in Anspruch nehmen.
Lieber freie Malerei
Heide Kunze-Lysek hat schon manches ausprobiert, aber ihre Liebe gilt dem Aquarell. "Diese Vielseitigkeit...", schwärmt sie und blättert in ihrem Altenhofer Atelier, aus dem man auf Wiese und Waldrand blickt, in ihren ganz unterschiedlichen Schöpfungen, kraftvoll expressiv sprühende Werke, meditativ auf laviertem Grund ausgeführte Zeichnungen, aus selbstgeschöpftem Papier gelockte Überraschungen, mit wenigen sehr genau überlegten Strichen aus dem weißen Grund geholte Stimmungen - freie Malereien meist, in denen die Farbe fließen darf, oftmals durchaus entfernt vom Klischee des "zarten Aquarells".
Bei aller Wertschätzung für ihren Vater, der als Architekt vor allem an der minutiösen zeichnerischen Erfassung von Architektur und Raum interessiert war, wollte sich Heide Kunze-Lysek eben davon immer absetzen. Obwohl - manchmal kommt sie auch wieder zum Architektonischen, aber eben frei er erfasst. "Meinen Studenten und Schülern sage ich immer: Schließt die Augen halb, nehmt wahr, was ihr dann seht und versucht, das aufs Papier zu bringen", beschreibt die Lehrerin ihre Herangehensweise. Nicht fotografisch vorgehen, ist ihre Devise, nicht alles bis ins Kleinste steuern wollen.
Doch dazu gehört die Kunst, loslassen zu können, sich einem nicht mehr restlos vom Intellekt gesteuerten Prozess überlassen zu können. "Laien trauen sich das oft zunächst nicht, vor allem Menschen, die so ordentlich, so konkret sind."
Welche Kraft wirkt da?
Sie selbst treibt diese Suche nach der Schwelle, an der im Malen (und Zeichnen) plötzlich etwas Eigenständiges entsteht. "Da werde ich dann ganz aufgeregt." Denn dann ist eine Kraft am Wirken, für die sie keinen rechten Begriff hat. Zufall? Das bestimmt nicht. "Das Herz", die Seele, eine schöpferische Kraft fügt da etwas zusammen oder führt auf einen Weg, auf dem andere, innere Wirklichkeiten erfasst, sichtbar werden. Und danach hat der Mensch nun mal ein Bedürfnis, warum auch immer.
"Meine Arbeiten geben mir etwas zurück, über das ich selbst erstaunt bin." Heide Kunze-Lysek ist nicht die erste schöpferisch Tätige, die nach Beendigung eines Werkes plötzlich Fremdheit spürt. Wie kam das zustande? Habe "ich" das geschaffen? Woher kommen die Werke?
Diese Kraft kann sich auch ein Laie erschließen, er kann üben, sich diesem Prozess zu öffnen. Er kann sich Techniken aneignen, um rein handwerklich das fassen zu können, was sich in diesem Prozess abspielt.
Und deshalb macht es Heide Kunze-Lysek auch seit über 20 Jahren so viel Freude, Kurse zu geben, zu unterrichten. Neben den diversen Kursen und Workshops - so auch bei der Coburger Sommerakademie - pflegt sie in ihrem eigenen Atelier seit Jahren eine offene Malgruppe, einmal samstags im Monat. Der Veste-Verlag Roßteutscher bringt jährlich einen Kalender dieser Malgruppe heraus, "Gemeinsam in Farbe", mit Werken der Mitglieder von immer wieder erstaunlicher Ausdruckskraft.
Am heutigen Freitag, 1. August, und am 6. August ist Heide Kunze-Lysek übrigens im Atelier auf Zeit in der Ketschengasse, an dem jeder nach Lust und Laune teilnehmen darf.
Heide Kunze-Lysek entstammt einer Künstler-Familie. Sie wurde 1939 in Magdeburg geboren, wo ihr Vater Friedemann Lysek als Dozent wirkte. Heide Kunze-Lysek kam mit 13 Jahren, als ihr Vater nach siebenjähriger russischer Kriegsgefangenschaft in seine Heimatstadt zurückkehrte, nach Coburg. Nach einer Schreinerlehre studierte sie Bauingenieurwesen und Architektur und arbeitete mit ihrem Mann Horst Kunze im gemeinsamen Büro. Seit 1985 Malereistudien bei Itzinger und Swoboda von der Kunsthochschule Wien und an verschiedenen Akademien. Seit 1994 Ausstellungen und Tätigkeit als Dozentin an verschiedenen Institutionen im Raum Coburg.
Ausstellung Werke von Heide Kunze-Lysek sind derzeit im Landgericht Coburg zu sehen. Anlässlich ihres 75. Geburtstages im Dezember widmet ihr die Stadt Coburg ab Februar nächsten Jahres eine Ausstellung im Ämtergebäude.
Heute im Atelier auf Zeit Im offenen Atelier der Coburger Sommerakademie in der Ketschengasse ist Heide Kunze-Lysek am Freitag und am Mittwoch, 6. August, jeweils von 11 bis 18 Uhr zu finden. "Sehen lernen - Zeichnen für Einsteiger" lautet ihr Angebot. Wer lieber mit Aquarell arbeiten möchte, wird sicher nicht gehindert. Material ist vor Ort vorhanden. Die Teilnahme ist kostenlos, keine Anmeldung nötig. (Kontakt: 09567/1417)