Der Bayreuther Professor Martin Doevenspeck ist seit 15 Jahren Experte für Vulkane im Ostkongo. Nach dem tödlichen Ausbruch am Samstag (23.05.2021), der drohte, die Millionenstadt Goma zu verschlingen, spricht er bei inFranken.de über Versäumnisse vor Ort.
- Nyiragongo-Vulkan im Ostkongo bricht am Samstag (23.05.2021) aus
- Heiße Lava drohte, Millionenstadt Goma zu vernichten - Chaos bei der Evakuierung
- Professor aus Bayreuth war erst im März 2020 auf dem Vulkan
- "Die haben nicht mal eine Drohne" - Professor spricht über gefährliche Versäumnisse
Am Samstag (23.05.2021) brach im Virunga-Nationalpark nahe der Zwei-Millionen-Einwohner-Metropole im Ostkongo der Vulkan Nyiragongo aus. Dabei wurden 31 Menschen getötet, rund 20.000 verloren ihr Dach über dem Kopf. Doch es hätte noch viel schlimmer kommen können: Die Lava des gefährlichen Vulkans drohte, bis in die Hauptstadt vorzudringen und dort große Teile Gomas zu zerstören. Martin Doevenspeck ist Professor für politische Geographie an der Uni Bayreuth und ausgewiesener Kenner des Vulkans. Gegenüber inFranken.de erklärt Doevenspeck, wie es sein kann, warum trotz der Gefahr immer mehr Menschen in der Nähe des gefährlichen Vulkans im Kongo leben.
Bayreuther Professor ist Vulkan-Experte im Kongo: "Dort sollte keine Stadt sein"
"Ich fahre seit 2006 regelmäßig nach Goma und forsche auch dazu, wie die Leute vor Ort mit dem Vulkan leben", so Doevenspeck. Auch 2002 war der Nyiragongo ausgebrochen und hatte 250 Menschen das Leben gekostet. Doch verbessert habe sich seitdem kaum etwas - im Gegenteil, meint der Experte. "Heute stehen sogar ganze Stadtviertel näher am Vulkan, da wäre 2002 nichts beschädigt worden." Der Grund laut ihm: Die "explodierende Metropole Goma".
In der Kolonialzeit von reichen Minenbesitzern aus Belgien ausgebaut, würden heute Menschen aus dem gesamten Ostkongo in die Stadt ziehen. "In Goma ist es verhältnismäßig sicher, weil dort die UN-Organisationen sitzen. Außerdem kann man in Goma noch etwas Geld verdienen, weil etwa die wertvollen Rohstoffe dort weiterverarbeitet werden und dann in den Export gehen", so Doevenspeck. Das Problem: Es gebe keinen Platz, um die vielen Menschen unterzubringen.
"Im Osten ist Ruanda, im Südwesten der Kivusee." Dem Vulkan selbst, der nur etwa 20 Kilometer von der Metropole entfernt liegt, könne man nichts entgegensetzen, sagt der Bayreuther Professor. "Sie können keine Lavabarrieren bauen, die Lava dringt seitlich durch die Felsspalten, da kann man in der Regel nichts umleiten." Erst im März 2020 war Doevenspeck selbst noch auf dem Vulkan, habe sich dort mit Vulkanologen ausgetauscht und die Schutzsysteme angeschaut.
"Vulkanologen wurden seit Monaten nicht bezahlt": Politik im Kongo sei nachlässig
"Die Warnsirenen sind seit Jahren kaputt, die Kollegen von der vulkanologischen Untersuchungsanstalt wurden seit Monaten nicht bezahlt. Sie haben dort nichts, nicht mal eine Drohne, nur sehr alte Geräte und keine Infrastruktur", erzählt Doevenspeck. In der von Armut, Seuchen und Waffengewalt geprägten Demokratischen Republik Kongo habe die Sensibilisierung der Bevölkerung für Vulkanausbrüche keine Priorität, sagt er.
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Bei dem Ausbruch am Pfingstsamstag habe auch die Politik viel zu spät Meldungen über das Radio verschickt. Selbst Doevenspecks Forscherkollegen haben den ungewohnt plötzlichen Ausbruch des 3400 Meter hohen Vulkans nicht vorausgesehen - auch, weil sie nicht die nötigen Instrumente gehabt hätten, sagt er. Noch immer gebe es Nachbeben, die Lage sei weiterhin gefährlich. "Die Lava hat zwar gestoppt, aber das Gemüse bekommt sauren Regen ab, das Trinkwasser in den Brunnen ist verseucht. Dazu kommt, dass das im Seewasser gelöste Methangas explosionsartig austreten könnte, wenn die Lava in den Kivusee fließt. In diesem Fall droht eine Katastrophe für Millionen Menschen im Kongo und in Ruanda."