"Spitze des Eisbergs": Mutmaßliche russische Spione in Franken verhaftet - Ex-Geheimdienstchef äußert sich

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Sie sollen Anschlagsziele ausgekundschaftet und Sabotageaktionen geplant haben: Zwei mutmaßliche russische Spione wurden in Bayreuth festgenommen. Das Problem hat größere Ausmaße, warnt ein Ex-BND-Chef.

Update vom 19.04.2024: Bundeskanzler Scholz betont Wichtigkeit von "Abwehr solcher Aktivitäten"

Der ehemalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Gerhard Schindler, befürchtet nach der Festnahme zweier mutmaßlicher russischer Spione in Bayreuth weitere noch unentdeckte Fälle. Die enttarnten Geheimdienstaktivitäten seien keine Überraschung, "sondern die Spitze des Eisbergs", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) am Freitag (19. April 2024). Spionage und Sabotage gehörten zum Werkzeugkasten russischer Geopolitik, gerade in Kriegszeiten. Vor gut zwei Jahren hatte Russland die benachbarte Ukraine überfallen, die sich auch mit deutscher Militärhilfe verteidigt.

Die beiden verdächtigen Russlanddeutschen sollen für Moskau mögliche Anschlagsziele ausgekundschaftet haben; ihnen ging es laut Generalbundesanwalt auch um Sabotageaktionen. Ermittler durchsuchten ihre Wohn- und Arbeitsorte. Außenministerin Annalena Baerbock ließ deswegen den russischen Botschafter in Berlin einbestellen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betonte am Donnerstagabend nach dem EU-Gipfel in Brüssel, die Abwehr solcher Aktivitäten müsse hohe Priorität haben. "Wir können niemals hinnehmen, dass solche Spionageaktivitäten in Deutschland stattfinden."

Laut CDU-Politiker viele russische Agenten mit Touristenvisa bei uns

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Johann Wadephul, sagte dem RND, der Vorfall müsse ein Weckruf für die Sicherheitsbehörden sein, vor allem für den Militärischen Abschirmdienst. Denn Einrichtungen der Bundeswehr seien ein Hauptziel. Der stellvertretende Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages, Roderich Kiesewetter (CDU), sagte dem RND: "Man muss auch die Visa-Politik überprüfen. Denn viele russische Agenten sind mit Touristenvisa bei uns." Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber sagte dem Sender Antenne Bayern: "Wir sollten alle Naivität ablegen. (Russlands Präsident Wladimir) Putin ist bereits präsent, er versucht uns jeden Tag zu destabilisieren - auch über Fake News in den digitalen Medien."

Einer der beiden Männer, Dieter S., soll sich mit jemandem, der mit einem russischen Geheimdienst in Verbindung steht, mindestens seit Oktober vergangenen Jahres über mögliche Sabotageaktionen ausgetauscht haben. Er soll sich bereiterklärt haben, Sprengstoff- und Brandanschläge vor allem auf militärisch genutzte Infrastruktur und Industriestandorte in Deutschland zu begehen. Der zweite Beschuldigte, Alexander J., half ihm demnach spätestens seit März. Dieter S. soll in einer Wohnanlage in Heinersreuth gelebt haben, in der 2021 ein totes Baby "entsorgt" worden war. 

Der Innenpolitiker Christoph de Vries (CDU) forderte im Handelsblatt: "Wenn sich im Fall des Beschuldigten Dieter S. der Vorwurf der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung bestätigt, sollte dies unbedingt auch die Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft für diesen mutmaßlichen Terroristen zur Folge haben." 

Festnahme in Polen: Angeblich Attentat auf Selenskyj geplant

Die russische Botschaft in Berlin wies alle Vorwürfe zurück. "Es wurden keine Beweise vorgelegt, die von den Plänen der Festgenommenen und ihren möglichen Beziehungen zu russischen Strukturen zeugen", teilte die Botschaft mit. Die Einbestellung von Botschafter Sergej Netschajew ins Berliner Außenministerium sei eine "offene Provokation, die auf das Befeuern der ohnehin schon überbordenden Spionomanie in der BRD und das Anheizen antirussischer Stimmungen" abziele.

In Polen sorgte ein weiterer Fall für Aufsehen: Der dortige Geheimdienst hat einen Mann festnehmen lassen, der dem russischen Militärgeheimdienst angeblich bei der Planung eines Attentats auf den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj helfen wollte. Der polnische Staatsbürger sei am Mittwoch gefasst worden, teilte die Staatsanwaltschaft in Warschau mit. Demnach soll er Informationen über die Sicherheitsvorkehrungen am Flughafen Rzeszow gesammelt und an die Russen weitergegeben haben. Selenskyjs Auslandsreisen laufen zumeist über diesen polnischen Airport, den er von Kiew aus anfährt. 

Update vom 18.04.2024, um 15.15 Uhr: Baerbock bestellt russischen Botschafter ein

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) lässt nach der Festnahme von zwei Russlanddeutschen wegen Spionageverdachts den russischen Botschafter einbestellen. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes bestätigte am Donnerstag (18. April 2024) einen entsprechenden Bericht der Bild-Zeitung. Unbekannt war zunächst, wann genau der Termin stattfindet.

Die Polizei hatte in Bayern zwei Männer festgenommen, die für Russland spioniert und mögliche Anschlagsziele in Deutschland ausgekundschaftet haben sollen. Den beiden Russlanddeutschen ging es nach Angaben des Generalbundesanwalts um Sabotageaktionen, die insbesondere dazu dienen sollten, "die aus Deutschland der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg geleistete militärische Unterstützung zu unterminieren". Sie seien dringend verdächtig, in einem besonders schweren Fall für einen ausländischen Geheimdienst tätig gewesen zu sein, teilte der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof am Donnerstag mit.

Update vom 18.04.2024, um 14.10 Uhr: Weiterer Haftbefehl für Spionage-Verdächtige erlassen

Nach der Festnahme zweier Männer in Bayern, die für Russland spioniert und mögliche Anschlagsziele in Deutschland ausgekundschaftet haben sollen, müssen beide Verdächtige in Untersuchungshaft

Ein Ermittlungsrichter habe am Donnerstag auch den zweiten Haftbefehl in Vollzug gesetzt, sagte eine Sprecherin des Generalbundesanwalts in Karlsruhe. Den Angaben nach sind die beiden dringend verdächtig, in einem besonders schweren Fall für einen ausländischen Geheimdienst tätig gewesen zu sein. 

Dem Älteren von beiden, Dieter S., wird demnach auch die Verabredung zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion und zur Brandstiftung sowie Agententätigkeit zu Sabotagezwecken und sicherheitsgefährdendes Abbilden militärischer Anlagen vorgeworfen. Dieter S. steht laut Generalbundesanwalt zudem im dringenden Verdacht, sich als Kämpfer einer bewaffneten Einheit der als ausländische terroristische Vereinigung eingestuften "Volksrepublik Donezk" angeschlossen zu haben.

Den beiden Russlanddeutschen ging es nach Angaben des Generalbundesanwalts um Sabotageaktionen, die insbesondere dazu dienen sollten, "die aus Deutschland der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg geleistete militärische Unterstützung zu unterminieren". Die beiden in Russland geborenen Männer, die am Mittwoch in Bayreuth festgenommen wurden, haben den Angaben zufolge beide die deutsche und die russische Staatsbürgerschaft. Ermittler durchsuchten Wohn- und Arbeitsort der beiden in der Region Bayreuth.

Zu den ausgekundschafteten Orten gehören nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur der US-Stützpunkt Grafenwöhr sowie andere militärische Einrichtungen in Bayern. Zuerst hatte der "Spiegel" berichtet. Einige der ins Visier genommenen Objekte soll Dieter S. vor Ort ausgespäht und fotografiert haben, etwa Militärtransporte. Ein Angriff auf eines der Objekte soll aber dem Vernehmen nach nicht unmittelbar bevorgestanden haben.

Originalmeldung vom 18.04.2024, von 10.10 Uhr: Mutmaßliche Agenten mit Verbindung zu Russland in Franken festgenommen

Die Polizei hat in Bayreuth zwei Männer festgenommen, die im Verdacht stehen, für Russland spioniert zu haben. Die beiden deutsch-russischen Staatsangehörigen sind dringend verdächtig, in einem besonders schweren Fall für einen ausländischen Geheimdienst tätig gewesen zu sein, wie der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof am Donnerstag (18. April 2024) mitteilte. Zuerst hatte der Spiegel über die Festnahme am Mittwochvormittag berichtet. 

Einem der beiden Männer, Dieter S., wird auch die Verabredung zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion und zur Brandstiftung sowie Agententätigkeit zu Sabotagezwecken und sicherheitsgefährdendes Abbilden militärischer Anlagen vorgeworfen. Konkret soll er sich seit mindestens Oktober vergangenen Jahres über mögliche Sabotageaktionen in Deutschland ausgetauscht haben. Die Aktionen sollten demnach insbesondere dazu dienen, die der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg geleistete militärische Unterstützung aus Deutschland zu unterminieren.

Dem Generalbundesanwalt zufolge soll sich Dieter S. vor diesem Hintergrund gegenüber seinem Gesprächspartner bereiterklärt haben, Sprengstoff- und Brandanschläge vor allem auf militärisch genutzte Infrastruktur und Industriestandorte in Deutschland zu begehen. Dafür soll der Verdächtige Informationen über potenzielle Anschlagsziele, darunter auch Einrichtungen der US-Streitkräfte, gesammelt haben. Der zweite Beschuldigte, Alexander J., half ihm demnach spätestens ab März 2024. Die Ermittler durchsuchten Wohn- und Arbeitsort der beiden. 

Einige der ins Visier genommenen Objekte, wie Militärtransporte, soll Dieter S. vor Ort ausgekundschaftet, fotografiert und gefilmt haben. Die gesammelten Informationen übermittelte er an seinen Gesprächspartner, hieß es weiter. 

Ein Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs ordnete am Mittwoch für Dieter S. Untersuchungshaft an, J. sollte am Donnerstag dem Ermittlungsrichter vorgeführt werden. In einem weiteren Haftbefehl vom 11. April 2024 werden S. außerdem die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung sowie die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat vorgeworfen. Er soll zwischen Dezember 2014 und September 2016 in der Ostukraine als Kämpfer einer bewaffneten Einheit der pro-russischen Vereinigung "Volksrepublik Donezk" (VRD) tätig gewesen sein. Die Vereinigung beansprucht seit dem Frühjahr 2014 die Kontrolle über den Verwaltungsbezirk Donezk und strebt eine Loslösung von der Ukraine an. Dabei setzt sie nach Angaben des Generalbundesanwalts auch Gewalt gegen die Zivilbevölkerung ein.

Bundesinnenministerin Faeser bekräftigt Unterstützung für die Ukraine

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Wir wissen, dass der russische Machtapparat auch unser Land in den Fokus nimmt." Auf diese Bedrohung müsse Deutschland wehrhaft und entschlossen reagieren. Dem Generalbundesanwalt sei mit der Festnahme der beiden Männer ein "weiterer bedeutsamer Ermittlungserfolg" im Kampf gegen das Sabotage- und Spionagenetzwerks des russischen Präsidenten, Wladimir Putin, gelungen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bekräftigte nach der Festnahme der zwei mutmaßlichen Spionen des russischen Geheimdienstes die deutsche Unterstützung für die Ukraine bekräftigt. "Unsere Sicherheitsbehörden haben mögliche Sprengstoffanschläge, die unsere militärische Hilfe für die Ukraine treffen und unterminieren sollten, verhindert", sagte Faeser. Seit dem Beginn des von Präsident Wladimir Putin begonnenen Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine seien alle Schutzmaßnahmen "gegen hybride Bedrohungen durch das russische Regime" hochgefahren worden. "Wir werden die Ukraine weiter massiv unterstützen und uns nicht einschüchtern lassen", so die Ministerin.

Vorschaubild: © Wolfgang Kumm/dpa/Symbolbild/Alexander Zemlianichenko/AP/dpa/Collage: inFranken.de