Ursula Then hat ihre Liebe zu Kindern zum Beruf gemacht. Als Tagesmutter ist sie von frühmorgens bis abends im Einsatz.
"Da, schau": Stolz zeigt Dahlija ihre Puppe, die sie gleich darauf im "Sportwagen" durchs Spielzimmer fährt. Das Schaukelpferd, auf dem Elias thront, hat nur ein PS. Aber der Zweijährige liebt "Hoppa": "Jetzt reitet er wieder nach Texas", sagt Ursula Then, seine Tagesmutter, die Sekunden später zur Tür gerufen wird. Es hat geläutet. Salma kommt mit ihrer Mama, die heute noch eine Zeitlang bleiben kann, bevor sie sich als berufstätige Alleinerziehende von Ursula Then und ihren drei Schützlingen verabschieden muss.
Die Sonne scheint. Raus in den Garten, durch den die Zwerge toben. Schaukeln, rutschen, mit all dem Spielzeug spielen, das im Außenbereich auf die Kids wartet: Da wird gejohlt und manchmal auch gezofft. "Man braucht viel Einfühlungsvermögen, wenn man als Tagesmutter arbeiten möchte", meint Ursula Then, während Elias und Salma im Sandkasten buddeln. "Auch gute Nerven." Wobei sich die 59-Jährige mittlerweile keine schönere Aufgabe mehr vorstellen kann, als ihre "Mini-Kinderkrippe" zu leiten.
Als Quereinsteiger
Erst seit Februar ist Ursula Then von Beruf "Zweit-Mami": Eine Quereinsteigerin, die lange Jahre als Arzthelferin in einer Kinderarztpraxis arbeitete, bevor sie sich selbstständig machte. "Übers Jugendamt hatte ich erfahren, dass Tagesmütter gesucht werden", berichtet die Fränkin. So entschloss sich Then, an einem entsprechenden Qualifizierungskurs des Sozialdienstes Katholischer Frauen teilzunehmen, der über fast ein Jahr lief und sie auf ihre kommende Aufgabe vorbereitete.
Dahlija war das erste Kind, das die Weipelsdorferin gleich nach Abschluss des Kurses betreute: "Meine Enkelin", erklärt Ursula Then, deren Tochter Dani ebenso wie Salmas Mutter berufstätig ist. Für Antonia Anzenhofer bedeutet das Engagement der Tagesmutter eine große Entlastung. "Ich arbeite im Jugendhilfebereich, wo ich Schichtdienst habe", sagt die 26-Jährige, die sich dann auch gleich verabschieden muss. Eine Kinderkrippe, die um 16.30 Uhr schließt, käme für sie nicht in Frage. Bei Ursula Then aber kann die Walsdorferin ihre Kleine bis 18.30 Uhr lassen und morgens schon ab 6.30 Uhr abgeben. Zur Zeit allerdings ist Dahljia meist die erste, die zu ihrer Oma kommt und frühstücken möchte.
Mittagessen. Heute gibt's Erbsengemüse mit Kartoffeln. "Salma verträgt kein Rinderhack. Sonst aber essen alle alles", berichtet Ursula Then, die in ihrem Qualifizierungskurs auch einiges über gesunde Ernährung lernte. Nach dem Mittagessen geht's zum Mittagsschlaf in den Ruheraum. Da wird es heute überraschend schnell ganz ganz leise. "Während die beiden anderen in den Betten liegen, besteht Salma darauf, im Kinderwagen zu schlafen", erzählt ihre Tagesmutter. Zweieinhalb Jahre alt ist die Kleine mittlerweile, die anfangs noch recht schüchtern war. "Aber Salma kann gut erzählen. Und sieht sich gerne Kinderbücher an - vor allem das von den Tieren im Zoo."
Unterwegs mit dem Bollerwagen
Ja, Tiere lieben die Kinder, die Ursula Then betreut. So macht sie mit ihnen nachmittags auch gerne Ausflüge zu den frei laufenden Hühnern, die einige Straßen weiter auf die Zwerge warten. "Auch unser Dorfbrunnen ist ein Anziehungspunkt." Im Herbst geht's zum Kastaniensammeln in den Wald - mit dem Bollerwagen, in dem Ursula Then ihre Schützlinge hin und wieder chauffiert. Neben dem Bollerwagen gehören übrigens Dreiräder und Bobbycars zum Fuhrpark, auf den der Nachwuchs zurückgreifen kann.
Lohnt es sich denn, für Kleinkinder von morgens um 6.30 bis abends um 18.30 Uhr im Einsatz zu sein? "Ich bekomme einen Stundensatz von rund 5 Euro pro Kind. Davon kann ich natürlich nicht leben", sagt Ursula Then, die aber noch über andere Einkünfte verfügt. Gerne würde sie auch zwei weitere Kinder aufnehmen. "Allerdings nur, wenn sie ein bis drei Jahre alt sind. Ich kümmere mich eben am liebsten um die ganz Kleinen."
Große Nachfrage: Tagesmütter und -väter gesucht
Sie sind "Zweit-Mütter" von Beruf: 13 Frauen gibt es derzeit im Landkreis, die diese besondere Tätigkeit ausüben. 28 Frauen arbeiten in Bamberg als Tagesmütter. "Männer, die sich als ,Zweit-Papas' engagieren, sind immer noch Exoten", berichtet Steffen Schützwohl von der Pressestelle der Stadt: "In ganz Bamberg haben sich lediglich zwei für den Job als Tagesvater entschieden." Dabei ist der Bedarf längst nicht gedeckt, so dass die zuständigen Stellen in Stadt und Landkreis derzeit wieder Nachwuchs suchen.
Flexiblere Zeiten
"Tagesmütter haben flexiblere Öffnungszeiten als herkömmliche Krippen und Kitas", sagt Christian Schmitt, der als Diplom-Sozialpädagoge beim Landratsamt zuständig für den Kindertagespflegebereich ist. Das sei einer der Gründe, warum so viele Eltern auf Tagesmütter setzen. Manche Kinder seien auch aufgrund ihres Entwicklungsstandes in einem familiäreren Umfeld besser aufgehoben. Und natürlich führe in mancher Gemeinde der Mangel an Kita- oder Kinderkrippenplätzen dazu, dass sich Eltern an Tagesmütter wenden.
62 Jungen und Mädchen aus Bamberg werden derzeit in einer "Mini-Kita" betreut. Die meisten sind nicht älter als drei Jahre. "Die Kinder kommen an einem oder mehreren Tagen pro Woche zur Tagesmutter. Viele Eltern schaffen es nur so, Kinder und Beruf oder Ausbildung unter einen Hut zu bringen", sagt Barbara Glas-Andersch vom Stadtjugendamt. Immer mehr Eltern entdecken auch ihrer Erfahrung nach die Tagespflege als "ideale Lösung", um den Kleinen frühzeitig Kontakte zu anderen Kindern zu ermöglichen und im Job weiterzumachen. "Wer sich entschließt, zu Hause eine Mini-Kita - mit den eigenen Kindern und den Betreuungskindern - aufzumachen, liegt voll im Trend. Denn die Nachfrage nach Zweitfamilien steigt", so Glas-Andersch. Früher hätten Großeltern oder Nachbarn die Kleinen betreut. Heute seien es "Berufsmütter" und "Job-Papas". So habe sich die Tagespflege zu einer wichtigen Säule der Kinderbetreuung entwickelt.
Genug Platz zum Spielen
In Bamberg liegt das "Tagespflege-Management" beim Stadtjugendamt, wo die Fäden zusammenlaufen und es auch Lizenzen für die Mini-Kitas gibt. "Wir achten darauf, dass die Kinder Platz zum Spielen und Schlafen haben. Vom Bad bis zur Küche - die Räume müssen kindgerecht sein. Und die Hygiene muss natürlich auch stimmen", sagt Glas-Andersch. Das Jugendamt berät Tagesmütter und -väter und bereitet sie auf ihre Aufgabe vor. Erst danach gibt es das Mini-Kita-Siegel - die offizielle Erlaubnis zur Kindertagespflege.
Ein gutes Gespür für die Kleinen und Erfahrung im Umgang mit ihnen seien das A und O, meint Barbara Glas-Andersch. Und wie sieht's mit der Bezahlung aus? "Im Schnitt erhalten Tagespflegepersonen für eine 35- bis 40-stündige wöchentliche Betreuung eines Kindes unter 3 Jahren zwischen 703 und 739 Euro im Monat."
In Zusammenarbeit mit dem Sozialdienst Katholischer Frauen bieten die Jugendämter von Stadt und Landkreis Bamberg kostenlose Qualifizierungskurse an. Der nächste Kurs, der 160 Stunden umfasst, läuft von Januar bis Dezember 2018. "Wer sich für diesen ,schönsten Job der Welt' interessiert und den 7. Sinn für Kinder hat, sollte uns anrufen", sagt Glas-Andersch.
Für alle Bamberger Wer den kostenlosen Kurs besuchen möchte, um selbst Tagesmutter oder - vater zu werden, kann sich bis Ende Oktober mit Barbara Glas-Andersch (Telefon 871564 / barbara.glas-andersch@stadt.bamberg.de) oder Gisela Beck (Tel. 871482, gisela.beck@stadt.bamberg.de) in Verbindung setzen.
Für Landkreis-Bewohner ist Christian.Schmitt@lra-ba.bayern.de per Mail zu erreichen