Zwei Tage nach dem furchtbaren Unfall auf der A73 bei Strullendorf starb auch das zweite Kind der Unfallverursacherin, die drei Menschen mit sich in den Tod riss. Die Polizei rätselt über die Hintergründe der Amokfahrt.
Für viele Zeitungen in Deutschland ist sie nur "die nackte Geisterfahrerin", - eine Frau, die nicht bei Sinnen war und ihre beiden Kinder und einen anderen Autofahrer mit in den Tod gerissen hat. "Sie ist selber mehr Opfer als Täter, das muss man auch mal schreiben", sagt ein Bekannter der Familie aus Coburg, der bei aller Trauer über den Tod der Mutter und ihrer beiden Töchter auch wütend ist, wütend über die Vorverurteilung.
Es wird schwer sein, die Geschichte hinter der Geschichte zu erfahren, die am Dienstagmorgen auf der A73 bei Strullendorf so grausam endete: Die 31-jährige Frau aus Coburg war auf der falschen Fahrspur in den Gegenverkehr gerast. Der 25 Jahre alte Fahrer des entgegenkommenden Wagens, die Fahrerin im Twingo und ihre sieben Jahre alte Tochter waren auf der Stelle tot. Die zweite Tochter, vier Jahre alt, wurde aus dem Wagen geschleudert. Sie erlag am Donnerstag ihren schweren Kopfverletzungen.
Schwer verletzt liegt der Beifahrer aus dem Oktavia im Krankenhaus, der 54 Jahre alte Vater des Fahrers. Er stammt aus dem Kreis Bamberg und ist außer Lebensgefahr.
Das sind die Fakten, man weiß in etwa, was geschehen ist. Weiteren Aufschluss erhofft sich die Polizei von der Untersuchung der Autowracks, aber mehr interessiert das Warum. "Wir können noch keine Angaben dazu machen, ob die Frau und ihre Töchter im Wagen angeschnallt waren und ob die 31-Jährige mit oder ohne Licht fuhr", sagt der Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberfranken, Alexander Czech.
Gutachter suchen Spuren "Der Twingo wurde bei dem Frontalzusammenstoß so stark zerstört, dass der Gutachter noch nichts Definitives sagen kann." Czech geht davon aus, dass es mindestens einige Tage dauert, bis die Experten in der Lage sein werden, den Unfall zu rekonstruieren.
Aus den Trümmern können die Fachleute unter anderem ablesen, ob bei der Fahrt in den frühen Morgenstunden die Schweinwerfer des Twingo an oder aus waren.
Wissen wollen die Ermittler auch, ob die 31-Jährige über ihre "psychische Ausnahmesituation", so die Sprachregelung der Polizei, hinaus in ihrer Steuerungsfähigkeit eingeschränkt war, sprich ob sie Drogen, Medikamente oder Alkohol zu sich genommen hatte.
"Dafür haben wir derzeit keine Anhaltspunkte", sagt Czech. Die gerichtsmedizinischen Untersuchungen laufen.
Obwohl nicht gegen einen Tatverdächtigen ermittelt wird, da die Unfallverursacherin ums Leben kam, will die Polizei laut Czech "nichts unversucht lassen", um den Unfall und seine Hintergründe aufzuklären.
"Es gibt da noch so viele offene Fragen."
Nach den Ermittlungen im persönlichen Umfeld der Geisterfahrerin steht für die Polizei fest, dass die Horrorfahrt eine Vorgeschichte hatte. Am Montagabend hatte die 31-Jährige einen Streit mit ihrer Mutter, bestätigt Czech. Die Mutter rief die Polizei, die nicht eingreifen musste. "Es hatte sich allem Anschein nach um einen gewöhnlichen Familienstreit gehandelt." Nach Hinweisen der Mutter unterzogen die Beamten die 31-Jährige einem Drogen-Schnelltest. Das Ergebnis war negativ.
Nackt an der Tankstelle Knapp eine Stunde vor dem Unfall war die Falschfahrerin in Coburg aufgefallen. Sie sei schreiend mit ihren Kindern aus dem Haus gelaufen - nackt. "Lauter Monster", habe sie gerufen, berichten Augenzeugen.
Wenig später hielt die Frau, immer noch unbekleidet, an einer Tankstelle am Stadtrand, tankte und ließ mehrere Flaschen Mineralwasser mitgehen, ohne zu bezahlen. "Ich bin von Gott", hat sie laut Zeugen gerufen. Die Pächterin verständigte die Polizei, doch beim Eintreffen des Streifenwagens war die Frau mit ihrem Twingo bereits verschwunden. Wo sie auf die Autobahn fuhr und ob sie absichtlich, möglicherweise in Selbstmordabsicht, die falsche Spur benutzte, ist offen. Viele Fragen werden wohl unbeantwortet bleiben.
In den Kommentaren auf der Facebook-Seite von infran-ken.de überwiegen die Trauer und das Entsetzen über das Geschehen, aber es gibt auch Vorverurteilungen, wie sie auch aus Schlagzeilen wie "Die nackte Geisterfahrerin" sprechen.
Niemand hat geholfen Die Recherche im Umfeld der Toten ergibt ein anderes Bild: vom Ehemann getrennt, alleine mit zwei kleinen Kindern, psychisch labil und hilflos auch im Sinne von ohne Hilfe. All dies ist auch für den Bekannten der 31-Jährigen, der unerkannt bleiben will, keine Entschuldigung für den "Wahnsinn", mit den zwei Kindern in den Tod zu fahren.
"Aber wenn man überlegt, wie man das hätte verhindern können, muss man nicht bei der Autobahnauffahrt anfangen. Man muss Menschen helfen, die am Leben verzweifeln, man darf sie nicht alleine lassen."