Inmitten der Natur machen die Drei- bis Sechsjährigen spielend große Fortschritte. Seit neun Jahren hält die Hirschaider Frühförderstelle der Lebenshilfe im Wald bei Rothensand Workshops ab.
Die Konturen eines riesigen Nestes zeichnen sich ab. Daneben lodert ein Feuer, der Ton-Brennofen kommt so langsam auf Betriebstemperatur. Dafür sorgen die Knirpse, die emsig durch den Wald wuseln. Heidi Pfeffermanns Blick ruht zufrieden auf der kleinen Schar, die sich da zu schaffen macht.
Die von Vogelgezwitscher unterlegte Geräuschkulisse kündet von fröhlichem Treiben. Die Kinder hier sind offenkundig ganz in ihrem Element. Dabei handelt es sich doch um einen Workshop. Einen der Lebenshilfe Bamberg und deren Außenstelle Hirschaid.
Bunker vermietet
Vor etlichen Jahren hat die Lebenshilfe Bamberg das einstige Muna-Areal bei Rothensand erworben. Vermietet ist ein Großteil der imposanten Bunker. Bunker Nummer 11 hat die Hirschaider Frühförderstelle für ihre Zwecke rekrutiert: besagte Workshops.
Die finden seit nunmehr neun Jahren dreimal jährlich während der Ferien (Ostern, Pfingsten, Sommer) statt.
"Sie sind immer ausgebucht", freut sich Heilpädagogin Pfeffermann. Es handelt sich um ein gern genutztes Zusatzangebot, für das nur Essenskosten anfallen, und das so gar nicht den Eindruck einer therapeutischen Maßnahme hat. Aber laut der Erfahrung von Heidi Pfeffermann und ihre Kollegin, der Sozialpädagogin Sabrina Barth, tut sich gerade in dieser entspannten Atmosphäre sehr viel. Allein der Seminarort dürfte für Entspannung sorgen: Mitten im Wald, mit einer absolut unbefahrenen, gut 200 Meter langen Rundstraße. Für Verkehr sorgen nur die Kinder, weil sie ihre Fahrzeuge (Roller und Räder) mitbringen dürfen.
Das Essen bestimmen sie ebenso wie das Programm. Wichtig: Alle bringen sich bei den Arbeiten - wie etwa Nestbau, Feuer machen oder Kochen - nach ihren Möglichkeiten ein.
Ansonsten findet hier jeder sein individuelles Betätigungsfeld. Der eine Leon bearbeitet einen Stein mit der Feile, der andere transportiert Brennholz, Michelle bemalt den Bunkerboden, Marina hämmert Nägel in ein Brett. Abenteuer pur. "Für die Kinder ist das echt ein Traum!", schwärmt Sabrina Barth: "Die Ruhe, und sie können spielen, in den Bunker rein und wieder raus, dann zu dem mit den Fledermäusen." Ein bisschen Wildnis, ein bisschen Freiheit, ein paar Spielsachen, das genüge, um sie glücklich zu machen. Und saisonbedingt noch ein paar versteckte Ostereier.
Das kleine Paradies wirkt sich auf die im Schnitt 40 Kinder, die jeden Tag hierher kommen, positiv aus. Der Besucher erlebt sie als meist muntere, fröhliche Kinder. Außerhalb dieses Areals handelt es sich im Kinder, die mehr oder weniger große Probleme haben: motorische oder sprachliche, sie sind verhaltensauffällig oder haben Konzentrationsprobleme.
Hier fallen einem keine auf. Die Fortschritte hingegen, die sie hier beobachten kann, nennt Heilpädagogin Pfeffermann erstaunlich. Fördern wirkt sich dabei aus, dass die Drei- bis Sechsjährigen hier einfach einmal Kind sein dürfen.
Die Mischung macht's
Neben den derzeit 73 Kindern aus der Hirschaider Frühförderung können auch die Ehemaligen den Workshop besuchen und es dürfen Geschwisterkinder mitkommen. Die Mischung macht's wohl. Die Freiheit hier wird möglich durch die abgesicherte Umgebung, die unbeschwertes Austoben möglich macht. Hohe Tore, feste Zäune, massive Schlösser des früher militärisch genutzten Areals sichern das Paradies ab.
Irgendwie haben sie wohl auch einen Großteil ihrer Defizite draußen vor dem Zaun zurückgelassen, die beiden Leons, Daniel, Philipp, Anna, Michelle, Marena und wie sie sonst noch alle heißen.
Bisher waren es gut und gerne 2000 Kinder, die in Hirschaid die Frühförderung besuchten und ein großer Teil hat auch die Workshops auf dem Munagelände genutzt. "Unglaublich, welche Fortschritte sie hier machen," stellt Heidi Pfeffermann immer wieder fest und: "Ich erlebe sie hier ganz neu." Dabei ist sie weniger gefordert, als bei der regulären Förderarbeit: "Es genügt, dass wir hier sind und dass wir Fragen beantworten."
Bei all der Freiheit und dem Toben, besteht da nicht ein erhöhtes Gefahren- und Verletzungspotenzial? "Überhaupt nicht," erklärt die Heilpädagogn dazu. "Wir haben noch nicht mal ein Pflaster gebraucht in den neun Jahren.
Das verwundert den Laien, sieht er doch Drei- bis Sechsjährige nageln, hämmern, feilen, sägen und Feuer schüren. Freilich haben Heidi Pfeffermann und ihre Kollegin ein Auge auf die Kinder und greifen korrigierend ein, wenn sich mögliches Ungemach ankündigt. Als der eine Leon etwa Stecken mit Papier ins Feuer hält und dann umherläuft. Dann eben anders. Frau Pfeffermann wird respektiert. Und sie genießt die wuselnden Wald-Wichtel ganz offenkundig.
Unbeschwerte Atmosphäre
"Hier haben die Kinder den Freiraum, den sie brauchen", stellt sie fest und strahlt. "Hier können sie Kind sein", ergänzt die junge Kollegin. Und in der neutralen Anlaufstelle mit Oma-Funktion steht als Ehrenamtliche Almut Kickel parat. "Für die Kinder echt ein Traum," schwärmt Soialpädagogin Barth.
Was sonst in etlichen Sitzungen in den Räumen der Frühförderstelle mühsam erarbeitet werden muss, um die jeweiligen Defizite im Rahmen einer frühzeitigen Förderung aufzuarbeiten, ergibt sich hier fast nebenbei. Die unbeschwerte Atmosphäre, die traumhafte Natur und die verlockenden Spielmöglichkeiten scheinen hier ideale Voraussetzungen zu geben.
Keine Frage: Auch Heidi Pfeffermann und Kollegin Barth freuen sich schon auf die nächsten Workshop-Tage.