Wigald Boning erzählt in Hallstadt über sein Leben im Zelt

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Im Hallstadter Kulturboden las Wigald Boning am Freitagabend aus "Im Zelt". Fotos: Matthias Hoch
Im Hallstadter Kulturboden las Wigald Boning am Freitagabend aus "Im Zelt". Fotos: Matthias Hoch
 
 
 

Weil Boning ein ungebundener Mensch ist, hat er 204 Nächte in einem Zelt übernachtet. Was er erlebt und erlitten hat, erzählte er in Hallstadt.

Man darf sich Wigald Boning als einen freien Menschen vorstellen. Kein lästiges Stilempfinden hindert ihn daran, eine öffentliche Bühne wie den Hallstadter Kulturboden mit alberner Schlumpfmütze und dunkelgrünem Totenkopf-T-Shirt zu betreten.

Kein Dünkel und kein Ehrgeiz verleiden es ihm, sein beträchtliches Talent in TV-Dutzendware vom Schlage des "ARD-Quizduells" zu verschleudern. Und weder ein überspannter Begriff von Besitz noch familiäre Rechenschaftspflichten schließlich hielten ihn davon ab, ein gutes Jahr ausschließlich in einem Zelt zu übernachten.


Gespreizte Formulierungen

Zu seinem großen Glück verbannt diese innere Unabhängigkeit Boning keineswegs ins soziale Abseits, sondern ist im Gegenteil erst die Quelle seines Erfolgs und Wohlstands. Eine gut gefüllter Kulturboden legte am Freitagabend Zeugnis von der Popularität des 50-Jährigen ab.

Dort las Boning eine gute Stunde lang unter dem Dach des Bamberger Literaturfestivals aus seinem Buch "Im Zelt". Handgezählte 204 aufeinander folgende Nächte hat Boning bis ins Frühjahr 2016 in einem Zelt geschlafen. Was er dabei erlebt, manchmal auch erlitten hat, bilanziert er in einem 250 Seiten starken Taschenbuch. Boning hat einen guten Humor, einen wachen Blick sowie eine Vorliebe für Alliterationen und ironisch gespreizte Formulierungen. Statt "schwitzen" schreibt Boning dann zum Beispiel "maladiös überhitzt".

Von derlei Schrulligkeiten einmal abgesehen beherrscht er die deutsche Sprache ganz tadellos. Mehr muss man über "Im Zelt" im Grunde gar nicht wissen. Die wenigsten der Hallstadter Besucher werden wegen des Buches gekommen sein, die meisten wegen ihm: Wigald Boning, den Freigeist.


Die Vielfalt des Lebens

Boning zählt zum Typus des milden Anarchisten, den sich eine aufgeklärte Gesellschaft gern gönnt. Udo Lindenberg oder Hape Kerkeling sind Brüder im Geiste und Lieblinge des Publikums wie er.
Alle drei fordern die Gesellschaft und deren Übereinkünfte mitnichten heraus. Sie nehmen sich allenfalls die Freiheit, lieber nach ihrer eigenen Facon glücklich zu werden. Dass Boning die Konsequenzen seines freiheitlichen Lebensstils in Gestalt von Büchern und TV-Auftritten unmittelbar in den medialen Verwertungskreislauf einspeist, ist nur konsequent. Wie die Marktwirtschaft so bemisst auch Boning die Dinge allein daran, ob sie interessant, ungewöhnlich und aufregend sind.

Boning besitzt die beneidenswerte Gabe, selbst Widrigkeiten nicht als Anschlag auf die eigene Existenz zu begreifen, sondern sie als Bereicherung des Lebens zu feiern. In Hallstadt zum Beispiel kultivierte er seinen lästigen Husten zu fantasievollen Überlegungen über Hustenbonbons, deren klebrige Beschaffenheit und sich daraus ableitbare Geschäftsideen. Das Publikum attestierte selbstverständlich ausnehmend gern: mit Bonbons, Taschentüchern und spinnerten Ideen.


Neue Reize gesucht

So liebevoll der 50-Jährige in die Welt hineinblickt, so liebevoll blickt diese zurück. Es gab wohl keinen im Hallstadter Publikum, der Boning nicht umstandslos seinen Garten oder Hinterhof zur Verfügung gestellt hätte. Allein, der 50-Jährige zieht es inzwischen wieder vor, in einem Hotel zu schlafen.

Die Zeiten, in der er selbst bei Wind, Wetter und fiebriger Erkältung den Schlaf ausschließlich im Zelt suchte und dort in der Regel auch fand, sind passé. Die kindliche Begeisterungsbereitschaft Bonings bedarf inzwischen wieder neuer Reize. "Mit dem Pferd durch Deutschland reiten. Das müsste man mal machen", sagte Boning, bevor er die Bühne des Kulturbodens verließ.

Niemand sollte sich deshalb wundern, demnächst hoch zu Roß einem kleingewachsenen Mann in fragwürdiger Kleidung zu begegnen. Es könnte sich um Wigald Boning handeln.