Ein Jahr ist seit den Kommunalwahlen vergangen. 15 von 36 Bürgermeistern haben ihre Stühle geräumt. Und jetzt? Fällt ihnen die Decke auf den Kopf? Trauern sie ihren Ämtern nach? Oder gehen sie in ganz neuen Tätigkeiten auf. Wir haben uns umgehört.
Es ist gar nicht so einfach sie zu erreichen. Nicht, weil es nun kein Vorzimmer mehr gibt, das ihre Termine managt und weiß, was sie wo wann und meistens auch wie lange machen. Sondern weil Ex-Bürgermeister zwischenzeitlich neue Betätigungsfelder gefunden haben: Bauvorhaben, Gartenmanagement, Enkel- und Tierbetreuung. Jede Menge Projekte also, denen sich die 15 (von 36) Bürgermeister seit den Kommunalwahlen im März vergangenen Jahres nun widmen.
"Ich bin ausgebucht bis zum Geht-nicht-mehr", stellt Johann Bäuerlein (68) fest, der 17 Jahre lang die Geschicke Memmelsdorfs leitete. Er habe begonnen, das nachzuholen, was in den Bürgermeisterjahren liegen geblieben war. Sein handwerkerisches Talent hat er da mittlerweile als Ein-Mann-Firma perfektioniert. "Ich habe sehr viel zu tun", erklärt er. Nur: Jetzt teile er sich alles nach seinen Vorstellungen ein, auch die Freizeit.
Abende und Wochenenden frei
Als besonders positiv empfinde er, dass Abend- und Wochenend-Termine wegfallen. Die Bürgermeisterjahre seien im Rückblick eine "schöne Zeit, aber nie mein Wunschtraum" gewesen. Nun jedenfalls fühle er sich wirklich wohl. "Ich bin ja jeden Tag zuhause und nicht wie früher von 8 bis 22 Uhr weg."
Auch mal an sich denken
Zumindest eine Stunde länger kann Josef Martin nun schlafen und muss nicht mehr schon um 5 Uhr aus dem Bett. Auch der Zapfendorfer-Ex-Bürgermeister genießt es, seine Zeit lockerer einteilen zu können und mehr davon für seine Eltern sowie die eigene Familie zu haben. Martin ist übrigens gemeinsam mit seinem (ehrenamtlich tätigen) Bürgermeister-Kollegen Rudolf Krapp aus Wattendorf Spitzenreiter bei der Amtszeit: 36 Jahre.
"Die Arbeit hat mir unheimlich Spaß gemacht, aber irgendwann muss man auch an sich denken."
Ganz ohne Kommunalpolitik kommt er jedoch noch nicht aus. So engagiert sich der 63-Jährige weiter als Kreisrat. Zusätzlich zu weiteren Ehrenämtern. Eigentlich wollte er im Ruhestand viel mehr Zeit mit seinem Hund Beringo verbringen und mehr Klavier spielen. "Ich werde mein Leben genießen", hat er sich jedenfalls fest vorgenommen.
"Mir geht es gut", sagt auch der Ex-Bürgermeister, der 24 Jahre Hirschaids Geschicke lenkte. 13 Kilo hat Andreas Schlund zwischenzeitlich verloren. Absichtlich, aber auch auf einfache Weise: "Weil ich mich jetzt bewusster ernähre." Im Amt kam er oft nachts mit Heißhunger heim, dann wurde gekocht "und das schlägt an." Außerdem ist er mit seiner Frau sportlich unterwegs: Mehrmals die Woche wird gelaufen - "aus gesundheitlichen Gründen". Überdies kann sich Schlund endlich dem
großen Garten widmen, hier gab es gleich nach dem Ausscheiden aus dem Amt ordentlich zu tun.
Fast ein nahtloser Übergang. Denn der Rosenliebhaber hatte über die Jahre vieles liegen lassen müssen. Überdies besucht das Ehepaar Schlund VHS-Kurse und Vorträge "was wir bis dahin nicht konnten". Und man unternimmt Städte- und Kulturreisen. Andreas Schlund engagiert sich weiterhin im Hirschaider Kulturverein. Die politische Arbeit habe der 67-Jährige zwischenzeitlich fast ganz vergessen.
Einer, der seinem Amt ein wenig nachtrauert, das ist Lisbergs ehemaliger Gemeindechef Peter Deusel. "Ein bisschen fehlt das schon, der Tag war strukturierter." Erst allmählich gewinne er Abstand, sagt der 71-Jährige.
Freilich stehe er dem neuen Bürgermeister mit Rat zur Seite und auch seine privaten Pläne haben mit der Gemeinde zu tun: Deusel möchte das Gemeindearchiv strukturieren, sich bei der Konzipierung neuer Wanderwege einbringen und Führungen machen. 24 Jahre war Deusel (vor acht Jahren pensionierter Lehrer) ehrenamtlicher Bürgermeister.
Ehrenämter "mitgenommen"
"Ich kann erzählen, warum Rentner keine Zeit haben", bietet der Schlüsselfelder Ex-Bürgermeister Georg Zipfel an. Der 62-Jährige absolviert gerade eine Ausbildung zum Kulturlandschaftspfleger. Ein Pilotprojekt in drei Modulen, das sich über ein Jahr erstreckt. Wahrscheinlich wird Zipfel nach dem Abschluss ehrenamtlich für den Landkreis tätig sein. Aber auch schon jetzt hat er viele Ehrenämter "mitgenommen", wie er sagt. Jeder solle schließlich das machen, was er gut kann.
Kaufmann und Verwaltung seien seine Fachgebiete. Somit ist er weiterhin viel aus dem Haus, was die Ehefrau schließlich gewohnt sei. "So lange ich brav ihre Aufgaben wie etwa das Anlegen des Garten erledige", sei das für sie wohl in Ordnung. Die Wochenenden freilich könne er nun im Museum oder mit Verwandtschaftspflege verbringen. Selbstredend, dass er nach dem Bürgermeisteramt in kein Loch gefallen ist. Seinen erwachsenen Sohn sehe er jetzt übrigens öfter als früher, merkt Zipfel an, bevor er sich zu seinem, nächsten Termin verabschiedet.
Vieles aufgearbeitet
Von gemeinsamen Projekten mit Enkel Johann schwärmt Burgebrachs langjähriger Bürgermeister Georg Bogensperger - .unter anderem haben die Zwei ein Baumhaus gebaut. "Mir geht es sehr gut und ich möchte es so, wie es ist", gibt sich der 63-Jährige philosophisch.
Drei Enkel halten ihn beschäftigt, zudem habe er vieles aufgearbeitet und jetzt endlich Zeit, sein Bild- und Film-Archiv zu ordnen. Zum Lesen sei er allerdings noch nicht so gekommen wie geplant. Dafür konnte er im Fitnessstudio etwas für seine Gesundheit tun und demnächst sind längere Radtouren mit dem E-Bike geplant. Bogensperger hat jetzt wieder Zeit, beim Orgelspielen in der Kirche auszuhelfen und im Haushalt (seine Frau ist noch berufstätig) beherrscht er mittlerweile kleinere Gerichte. Zu seiner eigenen Verwunderung sei er in kein Loch gefallen. Die 24 Jahre Bürgermeister waren die eine Zeit, "jetzt kommt die andere" und "ich wünsche allen, dass sie es auch einmal so schön haben."