Wer waren die ersten Menschen, die mit einem Motorflugzeug in die Lüfte starteten? Der Mittelfranke Gustav Weißkopf oder die Gebrüder Wright aus den USA?
Es ist ein Streit, der sich schon über 100 Jahre hinzieht und der bereits Generationen von Forschern beschäftigt hat: die Frage, wer den ersten Motorflug der Geschichte bewältigt hat. Waren es die US-Brüder Orville und Wilbur Wright, die ihren Flug von 1903 mit Bildern belegen? Oder war es Gustav Weißkopf, der gebürtige Franke aus Leutershausen, für dessen Flüge von 1901 zahlreiche Zeugen eidesstattliche Erklärungen abgaben?
Der Luftfahrt-Experte John Brown hat nun in einem Vortrag zum ersten Motorflug der Welt das Beweisfoto der US-Brüder Wright als Fälschung bezeichnet. Das Foto der Wrights sei von ihnen selbst vordatiert worden - von 1908 auf Dezember 1903.
"Es gibt kein Foto, das gelungene Flüge der Brüder Wright im Dezember 1903 belegt", ist sich Brown sicher.
Ob der Vorwurf stimme, müsse nun geprüft werden, teilte ein Sprecher des Deutschen Museums mit, das ein Symposium zum Thema Erstflug veranstaltet hat. Experten halten den Vorwurf aber für glaubhaft. "Orville Wright war trickreich", meint Udo Jörges, der bereits mehrere Flieger der Wrights von 1908 nachgebaut und sogar geflogen hat.
Brown geht davon aus, dass es Weißkopf war, der als erster Mensch mit einem Motorflieger abhob - und das bereits im Jahr 1901. Dabei stützt er sich auf 17 Zeugen. Kritiker bezweifeln das: Von den Weißkopf-Flügen lägen keine Bilder vor, auch gute Pläne der Flieger gebe es nicht. "Keiner kann auf eine so umfangreiche Dokumentation seiner Flüge verweisen wie die Brüder Wright", ließ Tom Crouch vom Technikmuseum Smithsonian in den USA mitteilen.
Er fügt an: "Die Brüder dokumentierten ihre Forschungen in Notizbüchern, Briefen, Tagebüchern und Fotografien. Kein anderer, der für sich den Anspruch erhebt, als Erster geflogen zu sein, kann das." Brown aber lässt das kalt, er kritisiert offen das Deutsche Museum. Man solle den Erfolgen Weißkopfs in den Ausstellungen mehr Beachtung schenken - und die dokumentarischen Beweise anerkennen.
Das Museum hingegen hält Browns Nachweise für "hochspekulativ". "Von anderen Flugpionieren gibt es Ausstellungsstücke. Von Gustav Weißkopf gibt es nichts", so Museumssprecher Gerrit Faust.
Weißkopf-Flieger hatte Macken
Flug-Experte Peter Hanickel analysierte lange die technischen Details des Weißkopf-Fliegers - und stieß auf viele Widersprüche. "Der Verbrennungsprozess des Weißkopf-Motors ist uns nicht bekannt", so Hanickel.
Auch die Propeller hätten mit der damaligen Antriebsleistung von 20 PS nicht den nötigen Schub für einen Flug erzeugen können. Hanickel stellte auch erhebliche Probleme mit Festigkeit, Antrieb, Startmethode und Steuerung fest. Sein Fazit lautetet: "Die technischen Informationen aus den zur Verfügung stehenden Quellen sind mit einer Flugfähigkeit des Flugapparates Nr. 21 nicht in Einklang zu bringen." Hanickel bezweifelt, dass der Weißkopf-Flieger also fliegen konnte.
Testpilot Horst Philipp erzählt von seinen Erfahrungen mit einem nachgebauten Flugapparat Nr. 21 B. Seine Aufgabe war es, zwischen 1993 und 1998 die Flugfähigkeit zu ermitteln und den angeblichen Motorflugs von 1901 zu wiederholen. Der Testpilot stieß auf vielfältige Probleme und bilanziert: "Aus meiner Sicht ist der Flieger flugfähig.
Allerdings sind einige wesentliche Nachbesserungen notwendig." Die Debatte um den ersten Motorflug der Geschichte wird bereits seit Jahrzehnten erbittert geführt. Das Symposium wurde nun auf Betreiben des bayerischen Innenministeriums veranstaltet - und zeigte erneut die verhärteten Positionen.
Prof. Helmuth Trischler, Bereichsleiter Forschung des Deutschen Museums, legt daher großen Wert auf die Feststellung, dass das Deutsche Museum im Sinne seines Gründers Oskar von Miller "dem Leitgedanken verpflichtet ist, die gesamte internationale Fülle von Wissenschaft und Technik zu zeigen. Wir sind keine Forschungsbürokraten, wir überprüfen Positionen immer wieder im Lichte der neuen Erkenntnisse, um sie in den gesellschaftlichen und auch musealen Kontext einzuordnen." Es wird also noch dauern, bis klar sein wird, wer zuerst in der Luft war - Amis oder ein Franke...