Wahlkampf in Afghanistan: Interview mit Verwandten des Kandidaten Prinz Nadir

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WahlkampfveranstaltungFoto: Jalil Rezayee
WahlkampfveranstaltungFoto: Jalil Rezayee
Nadir Naim
Nadir Naim
 
 

In Afghanistan wird morgen ein neuer Präsident gewählt. Unter den Kandidaten ist auch ein Spross des früheren Königshauses, Prinz Nadir. Sein Vetter Nasser Waziri lebt in Deutschland und wirbt für die Ziele des Prinzen: Das Ende von Korruption, Drogen und Gewalt.

Sommer 1968 in Afghanistan: Ein Fotograf des "National Geographic " lichtet auf einer Farm nahe Kabul einen kleinen Jungen mit seinem Großvater ab: Mohammed Zahir Shah, der letzte König von Afghanistan mit dem kleinen Prinzen Nadir Naim. Er ist drei Jahre alt.


Fünf Jahre später wird der König gestürzt. Weitere fünf Jahre später putschen die Kommunisten. Der Westen unterstützt kriegerische Gruppen im Kampf gegen die Sowjets, die Radikalisierung des Landes schreitet voran. Nadir Naim verlässt seine Heimat. Erst nach dem Sturz der Taliban kehrt er 2003 zurück, nach über 20 Jahren im britischen Exil. Dass er jetzt fürs Präsidentenamt kandidiert, erklärt der arabische Nachrichtensender Al Jazeera mit dem Foto, das Nadir Naim 1968 mit seinem Opa zeigt: Die Farm sei Symbol eines verlorenen Paradieses.
"Eines Paradieses, das wiedererlangt werden kann."

400 Jahre Politik in der Familie
Amtsinhaber Hamid Karsai darf nach der Verfassung bei der Wahl am Samstag nicht noch einmal antreten. Paradiesische Zustände hat er in Afghanistan nicht geschaffen. Was der Spross des alten Königshauses besser machen möchte, will er gleich selbst erzählen. "Ich versuche, nach Kabul zu verbinden", sagt Nasser Waziri, der Vetter des Prinzen. Der 35-Jährige ist in Deutschland aufgewachsen, lebt als Unternehmer in der Nähe von Frankfurt und unterstützt von hier aus den Wahlkampf Nadir Naims.

"Die Familie war über 400 Jahre in der Politik tätig", sagt er. Gewalt, Drogenhandel und Korruption sollen bekämpft werden. "Wir möchten in der Regierung mehr mit Elektronik arbeiten, so dass zum Beispiel genau erfasst wird, wofür Geld ausgegeben wird, das die Bundesrepublik uns zur Verfügung stellt. Das ist ja momentan nicht der Fall." Von oben angefangen bediene sich jede Schicht. "In der untersten Schicht, für die das Geld gedacht ist, kommen nur zirka acht Prozent an."

Eine gebildete Elite rund um den Prinzen soll die Zukunftspläne umsetzen. "D.P.A.F." steht für "Gegen politische Korruption". "In unserem Team sind 50 Prozent Universitätsabsolventen aus Bereichen wie Politik oder Recht. Junge Leute. Und 30 Prozent davon Frauen", erklärt Waziri. Auch der 35-Jährige ist gut vernetzt: Dieses Interview wurde über einen Marketingspezialisten vermittelt, mit dem Waziri befreundet ist. Der Vetter des Präsidentschaftskandidaten soll als ehemaliger Übersetzer in den Diensten der Bundeswehr vor allem erklären, welche Rolle Deutschland in Afghanistan spielt. Von einem Telefonat mit Prinz Nadir selbst war ursprünglich gar nicht die Rede. Aber ihn erreicht Waziri heute ohnehin nicht: "Wahrscheinlich hat er in Kabul gerade keinen Empfang", vermutet er.

Deutschland solle eigentlich die Rolle der Helfer spielen, findet er. "Und das machen sie ja auch." Aber was wird sein, wenn die internationalen Truppen weg sind? "Die Nato wird nicht abziehen", sagt Waziri in festem Ton - obwohl dies durchaus zur Diskussion steht. Aber wenn der Kampfeinsatz Ende des Jahres vorbei ist, kann er auch in eine Trainings- und Beratungsmission umgewandelt werden. Die Nato verlangt dazu allerdings, dass Kabul und Washington sich auf ein Sicherheitsabkommen einigen. Unter Präsident Karsai war das nicht möglich.

Gerade jetzt, vor der Wahl, ist die Sicherheitslage katastrophal. Die Attentate häufen sich und die Taliban drohen, den Wahltag zum Bluttag zu machen. "Die Stimmung ist sehr schlimm." Sein Vetter fordere eine bessere Bezahlung der Sicherheitskräfte, um zu verhindern, dass Bestechungsgelder angenommen werden. Ausstattung und Ausbildung seien inzwischen gut. Aber das Land ist immer noch auf internationale Hilfe ange wiesen. Und auf die Truppen. "Wir wollen die Beziehungen mit der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika ausbauen", sagt Wazi ri.

Prinz Nadir gegen die Favoriten
Sein Vetter wird allerdings nicht als einer der Favoriten angesehen. Über die drei favorisierten Kandidaten sagt Waziri, sie würden nur von den Medien gepusht, besonders Aschraf Ghani. "Und sein Vize ist ein Massenmörder!" Abdul Raschid Dostum, während der sowjetischen Besatzungszeit als General in der Armee und später Milizenführer, gilt als eine der umstrittensten Personen der jüngeren afghanischen Geschichte. Menschenrechtsorganisationen werfen ihm zahlreiche Kriegsverbrechen zur Last. "Wieso sollten die Menschen jemanden wählen, der sich mit solchen Verbrechern zusammentut?"

Aber wichtiger als das Wahlergebnis scheint ohnehin der Ablauf: Wenn es ohne Wahlbetrug zugeht und kein Blutbad gibt, dann kann dem Land die erste demokratische Machtübergabe in seiner Geschichte gelingen.