Waffen in privater Hand - Zahlen und Fakten für Franken

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Screenshot: inFranken/CartoDB
Screenshot: inFranken/CartoDB

Seit den Vorkommnissen in der Silvesternacht am Kölner Bahnhof steigen die Verkaufszahlen von Pfefferspray, Tränengas und Schreckschusspistolen - auch in Franken. Wir haben Zahlen und Fakten dazu gesammelt.

Der Trend zur Bewaffnung ist nicht neu: In den letzten Jahren ist die Zahl der kleinen Waffenscheine in den fränkischen Landkreisen teilweise angestiegen. Nach den Vorfällen in Köln und nach den vorangegangenen Monaten der Verunsicherung macht sich bei vielen ein diffuses Gefühl der Angst breit.

Dies wirkt sich auch im schwindenden Sicherheitsgefühl und dem mangelnden Vertrauen in das staatliche Gewaltmonopol aus. Teilweise sprunghaft steigen die Anträge auf kleine Waffenscheine und die Verkäufe von Pfefferspray an.


Bewaffnen sich die Menschen?

Die Menschen haben und Angst und suchen nach Wegen, sich im Fall der Fälle selbst verteidigen zu können. Ein Indiz dafür ist die Zahl der Kleinen Waffenscheine. Der Kleine Waffenschein berechtigt zum Führen von Signal-, Reizstoff- und Schreckschusswaffen. Diese müssen allerdings mit dem PTB-Prüfzeichen versehen sein.

Nachdem der Kleine Waffenschein im Oktober 2002 eingeführt wurde, sind die eingehenden Anträge in den Landratsämtern in die Höhe geschossen - um sich dann auf niedrigen Niveau zu stabilisieren. Erst im letzten Jahr sind die Zahlen in fast allen von uns untersuchten Städten und Landkreisen stark angestiegen:



Die Zahlen geben die Realität allerdings nur sehr unzulänglich wieder. Denn zum bloßen Erwerb einer Waffe mit PTB-Zeichen genügt in Deutschland die Volljährigkeit - und auch der Besitz ist erlaubnisfrei. Es steht also zu vermuten, dass es wesentlich mehr Menschen gibt, die solche Waffen besitzen, als es kleine Waffenscheine gibt.

Ein weiteres Indiz: Bei Amazon waren zeitweise acht der 20 meist verkauften Artikel im Bereich "Sport und Freizeit" Pfeffersprays und Tränengas. Der Nachschub an Pfefferspray und Tränengas wird knapp.Das berichtet auch Gabriele Melber, die zusammen mit ihrem Mann in Kitzingen einen Waffenladen betreibt. " So etwas habe ich in 26 Jahren noch nicht erlebt", sagt Melber.

Noch deutlicher wird die Entwicklung, wenn man die Zahl Kleiner Waffenscheine aus dem Jahr 2015 mit den Anträgen im Januar 2016 vergleicht. Teilweise sind in den ersten drei Wochen des neuen Jahres mehr Anträge eingegangen als im gesamten Vorjahr.

Schreibt man die bisherigen Zahlen für das Gesamtjahr fort, ergibt sich ein erschreckendes Bild: Im Landkreis Bamberg würden dann im Jahr 2016 etwa 1700 Kleine Waffenscheine beantragt. Die Gesamtzahl aller seit 2003 ausgestellter Scheine beträgt hingegen nur 788. Binnen einen Jahres würde sich die Zahl verdreifachen.

Auch wenn diese Entwicklung unwahrscheinlich ist, und die Zahl der Anträge wohl auch wieder sinken wird, so ist die Entwicklung doch besorgniserregend. So sieht es zumindest die Polizei: "Offenbar gibt es in der Bevölkerung ein gesunkenes Sicherheitsgefühl und den Eindruck, man müsse seinen Schutz selbst in die Hand nehmen. Das kann schnell Züge von Selbstjustiz annehmen. Ich halte das für gefährlich", erklärt der stellvertretende Chef der Gewerkschaft der Polizei, Jörg Radek.



Kleine Waffenscheine in den Landkreisen

Die Verteilung der kleinen Waffenscheine in den einzelnen Landkreisen ist recht unterschiedlich. Spitzenreiter waren 2015 Forchheim (6,5 kleine Waffenscheine pro 1000 Einwohner) und Kitzingen (6,4 kleine Waffenscheine pro 1000 Einwohner). Gerade in Forchheim scheint sich dieser Trend fortzusetzen. Im Landratsamt Forchheim wurden in den ersten Wochen des neuen Jahres fast genauso viele kleine Waffenscheine beantragt wie im gesamten vergangenen Jahr. (Link zum Artikel "Die Forchheimer rüsten auf")

In Kitzingenist der zu erwartende Anstieg nicht ganz so steil wie in Forchheim oder etwa im Bamberger Landkreis, doch auch hier spürt man den Trend zur Aufrüstung. Die Bürger verspüren offenbar ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis.

Auch in anderen Landkreisen wird sich das hohe Niveau von kleinen Waffenscheinen wohl halten beziehungsweise noch steigen: In Kulmbach(5,8 kleine Waffenscheine pro 1000 Einwohner) wurden schon so viele Kleine Waffenscheine erteilt wie im gesamten Jahr 2013.

In anderen fränkischen Landkreisen ist vom großen Waffenboom derweil nichts zu spüren.In Coburg etwa gebe es für die Wochen nach den Vorfällen in Köln laut Pressesprecher Michael Selzer keine merkliche Erhöhung der Anträge auf einen kleinen Waffenschein.

Im Landkreis Lichtenfelsist momentan nicht nur teilweise Pfefferspray ausverkauft, auch die Zahl der Anträge auf einen kleinen Waffenschein ist gestiegen.



Die Polizei warnt die Bevölkerung davor, sich im großen Stil mit den frei erhältlichen Waffen einzudecken: Einerseits bestehe das Risiko, dass die mitgeführte Waffe bei fehlender Schulung gegen einen selbst eingesetzt wird. Andererseits mache man sich bei leichtfertigem Einsatz der Waffen selbst strafbar.

Nochmal gefährlicher sind scharfe Waffen. Auf tragische Weise wurde dies in der Silvesternacht in Unterschleichach vor Augen geführt, als ein Kraftfahrer einer Justizvollzugsanstalt die elfjährige Janina erschoss.

Vor allem Jäger und Sportschützen haben Zugang zu scharfen Waffen - allerdings dürfen nur Besitzer eines Großen Waffenscheins scharfe Waffen in der Öffentlichkeit tragen. Ein solcher Schein ist sehr selten - meist haben weniger als fünf Menschen pro Landkreis einen solchen Schein.

Die Zahl der scharfen Waffen ist hingegen sehr hoch: Im Landkreis Hassberge gibt es etwa 12.000 scharfe Waffen - rein statistisch hat also hier fast jeder Siebte eine Waffe. Allerdings muss man bedenken, dass Waffenbesitzer meist mehrere Waffen besitzen: So liegt die Zahl der persönlichen Waffenbesitzkarten nur bei 2730. Die Zahl der scharfen Waffen schwankt in den Landkreisen zwischen einer Waffe pro sieben bis zu 20 Menschen. Die meisten Waffen gibt es im Landkreis Bamberg mit über 14.000 registrierten Waffen. Allerdings leben hier auch die meisten Menschen (144.000)

Kommentar: In den falschen Händen

Von Robert Wagner

Irgendwie klingt es wie Ironie der Geschichte. In den USA will der scheidende Präsident Barack Obama die Waffengesetze verschärfen. Bei einer emotionalen Rede zum Thema schießen ihm Anfang Januar mehrmals die Tränen in die Augen. In Deutschland hingegen werden nach den Übergriffen in Köln fleißig Pfefferspray und Tränengas, Gaspistolen und Elektroschocker gekauft. Von bewaffneten Bürgerwehren und einem Recht auf Selbstverteidigung ist die Rede.

Natürlich sollte man nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Ein Pfefferspray ist sicher keine Kalaschnikow. Und von den freizügigen Waffengesetzen in den USA sind wir in Deutschland meilenweit entfernt. Dennoch: Der Blick über den Atlantik kann uns lehren, was Waffen in privaten Händen für die Sicherheit bedeuten: Nichts Gutes.

"Sicherheit durch Waffen" gehört zu jener Liste der Widersinnigkeiten, zu denen auch der "Kampf für den Frieden" gehört. Es gibt nicht ohne Grund ein Gewaltmonopol des Staates - und nicht ohne Grund ist das Fehlen dieses Monopols ein Zeichen eines "gescheiterten Staates".

Es ist und bleibt gefährlich, wenn berechtigte Sorgen in übertriebene Ängste oder gar Hysterie übergehen. Der Grad zwischen diesen scheint manchmal sehr schmal zu sein. Und schon allein deshalb gehören Waffen jeglicher Art nicht in Privathände.



Quellen- und Datenerklärung

Die Daten wurden in der dritten Woche des Januars 2016 bei Landratsämtern in Franken abgefragt. Der aktuelle Stand der Daten ist der 22. Januar 2016.