Immer mehr Menschen besorgen sich eine Waffe, weil sie sich nicht mehr sicher fühlen. Das Landratsamt hat in den ersten Wochen des neuen Jahres schon so viele Kleine Waffenscheine erteilt wie im gesamten Jahr 2013.
Die Schlagzeilen der vergangenen Wochen über die Ausschreitungen in der Silvesternacht haben die Menschen landauf, landab verunsichert. Auch die Menschen in Kulmbach. In den ersten Wochen des neuen Jahres wurden schon zwölf "kleine Waffenscheine" erteilt, weitere 35 Anfragen sind in Bearbeitung
(dazu unser Kommentar), gibt Michael Thebus, der im Landratsamt Kulmbach für die Erteilung der Waffenscheine zuständig ist, Auskunft. Solch eine Flut gab es in den letzten Jahren nie. 2013 wurden insgesamt gerade einmal 13 kleine Waffenscheine erteilt.
Auch bei einem großen Versandhändler für "Abenteuerbedarf" im Landkreis herrscht derzeit Hochkonjunktur. Vor allem die Nachfrage nach Selbstschutzausstattung ist immens. Viele greifen zu CS-Gas und Pfefferspray, aber auch frei verkäufliche Waffen gehen buchstäblich im Minutentakt über die Ladentheke.
"Wenn man nur zu Hause eine Schreckschusswaffe haben möchte, braucht man gar keinen Waffenschein", sagt der Experte vom Landratsamt. Im Klartext bedeutet dies: Die Zahl derer, die eine Waffe besitzen ohne kleinen Waffenschein, scheint enorm anzusteigen. Um wie viel, darüber wollen die Inhaber des Versandgeschäftes und des Ladengeschäftes, keine Angaben machen. Auch die Verkäuferinnen dürfen gegenüber der Presse nicht bestätigen, ob derzeit ein Boom zu verzeichnen ist.
Pinke Pistole für die Dame
Doch die Fakten sprechen für sich: Das Geschäft ist voll. Die Verkäuferinnen reichen im Minutentakt täuschend echt aussehende Walthers, Brownings, Colts oder andere frei verkäufliche Waffen über die Ladentheke. Und die Onlineanfragen sind so groß, dass auch telefonisch tagelang kein Durchkommen bei dem großen "Abenteuer-Ausstatter" ist. Es gibt die Waffen in allen Farben und Formen: pinkfarbene Minipistölchen für Damen mit Pfefferspray oder CS-Gas, kleine Pistolen, die eher an die Cowboy-Spielzeugwaffen erinnern, aber auch echte Colts und natürlich jede Menge Revolver der Marken Walther, Browning, Weihrauch oder Heckler und Koch. Die Waffen sehen aus, als ob sie echt wären und direkt aus dem Polizeifundus stammen würden. "Nur vorne sieht man, dass es sich um Schreckschusspistolen handelt", zeigt ein Kunde.
"Ich fühle mich einfach nicht mehr sicher, deshalb kaufe ich mir eine Waffe. Auch wenn es nur eine Schreckschusswaffe ist", sagt der Kunde aus dem Landkreis klipp und klar. Es handelt sich um einen ganz normalen Mann aus dem Landkreis im mittleren Alter. Gut bürgerlich, mit ganz normalem Beruf und kein bisschen rechter Gesinnung. Seinen Namen will er aber lieber nicht nennen. Denn es muss ja niemand wissen, dass sein Revolver nur laut ist.
Der Mann schaut sich verschiedene Revolver an. Seine Wahl fällt dann schließlich auf eine ausgesprochen robuste Waffe. "Fragen Sie mal die Politik, warum die nichts tut. Ich möchte nur gerüstet sein für den Fall des Falles", sagt der Mann, der den kleinen Waffenschein ganz offiziell beantragt hat. Denn er möchte die Waffe nicht nur zu Hause bei sich tragen, sondern auch sonst. "Das habe ich gemacht, um mich abzusichern", sagt der Waffenkäufer.
Schon kommen die nächsten Kunden - jüngere Leute, ebenfalls Männer. Auch sie werden innerhalb weniger Minuten fündig und kaufen zwei Waffen, die aussehen wie Polizeipistolen. Und Pfefferpatronen gehen ebenfalls über den Ladentisch.
"Wir sehen die Entwicklung aus Polizeisicht als äußerst schwierig", sagt Alexander Czech, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberfranken. "Auch mit solchen Waffen muss der Umgang geübt werden. Außerdem sind Missverständnisse vorprogrammiert. Man erkennt nicht auf den ersten Blick, dass es sich um Schreckschusswaffen handelt", sagt Czech. "Wenn sich jemand nicht sicher fühlt, ist es sicher nicht der richtige Weg, sich eine Waffe zuzulegen", sagt Czech klipp und klar. Er empfiehlt, lieber ein Handy einzustecken und im Notfall die Polizei zu rufen. "Wenn jemand in Gefahr ist, sollte man laut um Hilfe rufen, das ist besser", so Czech. Denn das Mitführen einer Waffe kann auch bei der Polizei zu Missverständnissen führen. "Außerdem müssen sich die Menschen in Oberfranken wirklich nicht unsicher fühlen. Wir hatten in Oberfranken keinen Sex-Mob oder ähnliche Vorkommnisse", sagt Czech.
Nicht mit Waffe aufs Bierfest
Doch die Menschen trösten all die offiziellen Versicherungen offenbar nicht. Denn wenn der Boom, der im Januar begonnen hat, so weiter geht, dann würden allein in diesem Jahr 564 kleine Waffenscheine ausgestellt werden. Bislang gibt es in Kulmbach gerade einmal 392 kleine Waffenscheine und insgesamt 2140 Waffenbesitzkarten und 1322 Waffenbesitzer.
"Aber auch wenn man den kleinen Waffenschein besitzt, ist das kein Freibrief. Es empfiehlt sich nicht, mit einer Waffe aufs Bierfest zu gehen", erläutert Michael Thebus vom Landratsamt. Pfefferspray ist nur zur Tierabwehr erlaubt. Und CS-Gast darf nur in Notwehrsituationen eingesetzt werden.
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