Kommentar zum Waffenbesitz: Was mir wirklich Angst macht

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Foto: Archiv/epd
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Ja, auch ich habe Angst. Gegen meine Angst helfen allerdings weder kleiner Waffenschein noch Pfefferspray. Meine Angst liegt in der Reaktion mancher Mitbürger begründet, auch hier in Oberfranken, in Kulmbach.

Fast 50 von ihnen haben in den wenigen Tagen dieses Jahres schon einen kleinen Waffenschein beantragt - andere rüsten sich mit Schreckschusswaffen oder Pfefferspray aus. Um sich sicher(er) zu fühlen!?

Es bedarf keiner allzu ausgeprägten Fantasie, den Zusammenhang eines Teils der Entwicklung mit der Flüchtlings-Thematik herzustellen. Seit den Vorkommnissen von Köln und anderen Städten in der Silvesternacht glaubt offenbar ein (zugegeben kleiner) Teil der Bevölkerung, seinen Schutz selbst in die Hand nehmen zu müssen.

Aber: Ganz abgesehen davon, dass wir gerade in unserer Region gar keinen objektiven Grund haben, uns weniger sicher als noch vor einem Jahr zu fühlen, muss man sich ernstlich fragen, wohin die private Aufrüstung führen soll?

Für Prävention und Verbrechensbekämpfung ist immer noch die Polizei zuständig. Sie sollte man unverzüglich informieren, wenn man sich unsicher oder gar bedroht fühlt und die 110 wählen.

Waffen aller Art in den Taschen unserer Mitbürger bergen dagegen eine Gefahr, die im völligen Missverhältnis zu ihrer Notwendigkeit steht: Wer sagt uns denn, dass solche Waffen nicht auch plötzlich in alltäglichen Auseinandersetzungen eingesetzt werden - dass solcherart Eskalation in unseren Tagen nicht ausgeschlossen ist, zeigen uns Vorkommnisse wie das um die junge Janina, die in der Silvesternacht aus nichtigem Grund erschossen wurde, oder der Prozess um einen Streit im Straßenverkehr, der zu einer Messerstecherei führte .

Und alle diejenigen, die vorsichtshalber aufrüsten, könnten tatsächlich nicht nur andere, sondern sogar sich selbst gefährden. Auch mit Pfefferspray und Schreckschusswaffen muss man umgehen können. Hat man sie nie genutzt, ehe man sie vermeintlich braucht, birgt das ein hohes Selbstgefährdungspotenzial.

Wir sind keine Schönwetter-Demokratie, die Herausforderungen wie der aktuellen nicht standhalten könnte, und werden mittel- und langfristig hoffentlich nicht zu einer Gesellschaft, die ihr Recht lieber in die eigene Hand nehmen möchte. Wohin das letztlich führen kann, zeigen uns die USA, wo inzwischen die Zahl der Opfer, die durch Schusswaffen ums Leben gekommen sind, mit der der im Straßenverkehr Getöteten nahezu gleichauf liegt.

Ganz ehrlich: Vor einer solchen Entwicklung habe ich Angst. Aber ich hoffe, sie ist ebenso unbegründet wie es die Angst derjenigen ist, die in diesen Tagen nach Waffe und Waffenschein greifen.