Von der Schule zum Kulturhaus

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Interessierte Besucher nutzten die Gelegenheit, das generalsanierte "Alte Rathaus" von Gundelsheim kennenzulernen. Das 1857/58 errichtete Gebäude ist seit 2012 das kulturelle Herz der Gemeinde. Foto: W. Baier
Interessierte Besucher nutzten die Gelegenheit, das generalsanierte "Alte Rathaus" von Gundelsheim kennenzulernen. Das 1857/58 errichtete Gebäude ist seit 2012 das kulturelle Herz der Gemeinde. Foto: W. Baier
Die Klasse von 1928: bis zu 110 Kinder mussten sich in den Schulraum im Obergeschoss zwängen. Repro: Werner Baier
Die Klasse von 1928: bis zu 110 Kinder mussten sich in den Schulraum im Obergeschoss zwängen.  Repro: Werner Baier
 
 
 
 

Gundelsheim zeigte am Sonntag sein ehemaliges Schulhaus, das heute "Kulturrathaus" ist.

Kaum jemand wusste, dass beim Tag des offenen Denkmals in Gundelsheim gratis Weißwürste und Brezen, Weißbier, Kaffee und Krapfen auf die Besucher warteten. Den sonst sicher weit größeren Ansturm musste das "Alte Rathaus", ein steinerner Zeuge fränkischer Dorfschulromantik, deshalb nicht verkraften, was schade war: Wäre mal eine 110-köpfige Besuchergruppe zur Stelle gewesen, hätte jeder Teilnehmer die drangvolle Enge eines Klassenzimmers am eigenen Leib verspüren können, das für genau diese Schülerzahl geplant war: 110! Freilich, es handelte sich um Mädchen und Buben zwischen sechs und 14 Jahren. Die hatten hier von 1858 bis 1963 die Freuden und Leiden einer meist einklassigen Landschule auszukosten, "spanisches Rohr" inklusive.

Ob aus dieser Dorfschule auch mal eine Koryphäe hervorgegangen ist? Maria Köppl, die sich eifrig um die Ortsgeschichte kümmert, muss bei der Führung durchs Haus passen: Aus Gundelsheim, dem ehedem "ärmsten" oder auch angeblich "dreckigsten Dorf Oberfrankens" ging in der vermeintlich guten alten Zeit kaum jemand nach Bamberg an ein Gymnasium. Höchstens die Wirtskinder aus dem Gasthaus "Schimmel" genossen dieses Privileg.


Sanierung nicht ganz einfach

Heute steht die 3500-Einwohner-Gemeinde im Ruf eines bevorzugten, gut strukturierten Wohnortes. Und der konnte es sich leisten, anfangs dieses Jahrzehnts sein altes Schul- oder Rathaus in ein echtes Gemeindezentrum zu verwandeln. 650 000 Euro wurden nach Auskunft von Bürgermeister Jonas Merzbacher (SPD) investiert, davon gut 400 000 Euro aus Mitteln der Städtebauförderung und des Denkmalschutzes, um Raum für Volkshochschule, Musik- und Gesangsunterricht, Bürgerversammlung und gesellige Veranstaltungen zu schaffen. Der Landkreis steuerte auch noch 5000 Euro bei.

Merzbacher und seinem Gemeinderat war es ein Anliegen, das historische Gebäude, in dem etliche Generationen von Dorfbewohnern das Abc und das Einmaleins gepaukt haben, der Nachwelt zu erhalten. Dass es auf einem nur 170 Quadratmeter großen Grundstück errichtet worden war, erwies sich als Problem: Nur mit Mühe konnte für den Anbau mit Toiletten, Aufzug und Teeküche, der im Interesse einer zeitgemäßen Nutzung unverzichtbar war, der Mindestabstand eingehalten werden.

Und noch ein kniffliges Problem war zu lösen: Merzbacher musste einer betagten Nachbarin, die irgendwann den winzigen Schulhof für ihren Hühnerstall und Ziegenhaltung überbaute, davon überzeugen, dass diese landwirtschaftlichen Nebengebäude vom Gemeindegrund zu entfernen waren. "Keine leichte Aufgabe", erinnert sich der Bürgermeister, aber zur Zufriedenheit aller geglückt.


Stockwerk draufgesetzt

An der Fassade des Baudenkmals sind die zwei Bauphasen abzulesen: 1857/58 wurden die oberirdischen Mauern aus Sandsteinquadern gebildet. Das Gebäude enthielt links vom Eingang ein Schulzimmer mit 37,5 Quadratmeter für 65 bis 70 Schüler. Rechts befand sich die aus zwei Räumen (einer davon beheizt) bestehende Lehrerwohnung. Der Schulmeister hatte unverheiratet zu sein, damit er die Gemeinde nicht zu viel Lohn kostete. Für die Notdurft stand ihm und den Schülern eine Außentoilette zur Verfügung (außerdem floss ja nahe dran der Bach vorbei...)

1888 wurde aufgrund der gestiegenen Schülerzahl eine Erweiterung notwendig. Weil die Nachbarn keinen Grund abtraten, wurde ein Stock aufgesetzt. Die Mauern aus Ziegelsteinen und die gediegene Gestalt verraten die Handschrift des Architekten Gustav Haeberle, der in Bamberg unter anderem die Mälzerei Weyermann und die Erneuerung der Altenburg plante. Im Obergeschoss entstand ein gut 100 Quadratmeter großer Klassenraum für bis zu 110 Kinder aller sieben oder später acht Volksschuljahrgänge. Im Erdgeschoss wurde die Lehrerwohnung eingerichtet.

Bis zur Gestaltung in ein Kulturrathaus wurden Räume des Gebäudes für die Sparkasse und die Post, für einen Schreibwarenladen oder auch als Wohnung genutzt. Von 1945 bis 1966 befand sich die Gemeindekanzlei im rechten Raum des Erdgeschosses, später im Obergeschoss. 1969 wurde der große Schulsaal Sitzungsraum des Gemeinderats, Bürgermeister- und Verwaltungszimmer. Bis 1981 blieb die Gemeindeverwaltung in dem Gebäude. Die heutigen Gundelsheimer nennen es ihr "Altes Rathaus". Es sei ihnen ans Herz gewachsen, versichert Bürgermeister Jonas Merzbacher. Er hat zur Feier des Tages den Saxophonisten Oliver Herrmann eingeladen. Der dudelt einen Ohrwurm nach dem anderen - wie es sich halt für ein Kulturrathaus geziemt.