Genuss wird groß geschrieben. Sich lecker und dabei gesund zu ernähren, liegt im Trend. Rund ums Thema sprachen wir mit einer Fachfrau: Theresa Eisele
"Ich esse was, was du nicht isst": Vorbei ist's mit dem Einerlei auf deutschen Tellern. Extravaganz ist angesagt, zumal sich Menschen in unserer Genussgesellschaft über ihre Ernährung definieren und in den sozialen Netzwerken inszenieren. Veganer, Fleischesser, Gourmet? Nie zuvor gab es wohl so viele Trends und Bewegungen, die um die Nahrungsaufnahme kreisten. "Food Pairing", "Detox", "Skin Food", "Superfood" - wer kennt sich da noch aus? Theresa Eisele berät Interessenten als Diätassistentin der Sozialstiftung. Zum 20. "Tag der gesunden Ernährung" am 7. März befragten wir die Fränkin gerade auch angesichts der steigenden Zahl übergewichtiger Zeitgenossen.
Wer gesund leben will, sieht sich mit immer neuen Hypes konfrontiert. Beispielsweise Superfoods. Wie sehen Sie den Boom solcher Lebensmittel? Theresa Eisele: Tatsächlich erkundigen sich auch bei mir mehr und mehr Patienten nach Superfoods, die angeblich sogar vor Krebs schützen sollen. Vor allem aber sind die exotischen Beeren und Samen teuer. So rate ich Menschen stattdessen zu einer gesunden Vollwerternährung, die nach wie vor die beste Alternative ist.
Immer dicker
Wie man sich gesund ernährt, weiß heute im Grunde jedes Kind. Warum sind weit über 50 Prozent der Deutschen dann noch immer übergewichtig - Tendenz steigend? Hauptursache sind die mangelnden körperlichen Aktivitäten. Wir sitzen vor dem Computer, statt uns zu bewegen. Parallel dazu gibt's eine verführerische Ernährungsvielfalt. Fast Food, Süßigkeiten und andere ungesunde Leckereien locken an jeder Ecke. So wissen die meisten - rein theoretisch - wohl genug über gesunde Ernährung. An der praktischen Umsetzung aber scheitern sie.
Rund 180 Kilos
Gibt es einen Fall von krankhaftem Übergewicht, den Sie wohl nie vergessen werden? Ich habe mit vielen adipösen Patienten zu tun. Vor allem aber blieb mir ein Mann in Erinnerung, der mit Mitte 30 rund 180 Kilo wog. Seine Ernährung bestand aus Fertigprodukten, Cola und Limo. Als Jugendlicher war mein Patient wohl noch schlank, später aber wurde er zum Frustesser und bewegte sich kaum mehr. Der Mann sagte zu mir, er wüsste nicht, wann er satt sei. Ob er Hunger hatte oder nicht - mein Gesprächspartner aß vor sich hin, bis er frühverrentet wurde.
Auch der Nachwuchs hat so zugelegt, dass man von der Generation XXL spricht. Betrifft das Problem inzwischen alle sozialen Schichten? Ja, zumindest meiner Erfahrung nach. Wobei Kinder aus ärmeren Familien Studien zufolge eher zu Übergewicht neigen. - Eine positive Entwicklung sehe ich aber bei jungen Leuten, die sich wieder mehr Gedanken über gesunde Ernährung machen als vielleicht noch die Elterngeneration. Sie essen vollwertig, kaufen in Biomärkten ein, legen Wert auf regionales Obst und Gemüse.
Zu kostspielig?
Man muss sich Obst, Gemüse und Vollkornprodukte aber auch leisten können. Süßigkeiten, Nudeln und alles andere, was dick macht, ist dagegen zu Spottpreisen erhältlich.
Eine abwechslungsreiche Ernährung muss nicht unbedingt teuer sein. Obst und Gemüse aus der Tiefkühltruhe sind beispielsweise verhältnismäßig günstig und zum Teil sogar vitaminreicher als Importe aus dem Ausland. In Discountern kann man gesunde Lebensmittel zu erschwinglichen Preisen kaufen. Auch empfiehlt es sich, abends in die Läden zu gehen, wenn viele Produkte schon reduziert sind.
Was würden Sie Menschen empfehlen, die ihr Gewicht verringern möchten? Versteckte Fette zu reduzieren. Das ist meiner Meinung nach der beste und einfachste Weg, um abzunehmen. Natürlich empfiehlt sich dabei eine längerfristige Ernährungsumstellung. - Ein Trend, von dem ich weniger halte, ist "Low Carb": Gerade in der ersten Zeit kämpft man mit Müdigkeit und Abgeschlagenheit. Eine Folge der kohlenhydratearmen Kost.
Vegan gesund leben
Über nichts wird in Deutschland wohl mehr diskutiert als die vegane Ernährung. Welche Vorteile sehen Sie, welche Risiken? Ein entscheidender Vorteil der veganen Ernährung ist, dass sie Wohlstandskrankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck und Gicht entgegenwirkt. Risiken sehe ich keine, nur während der Schwangerschaft würde ich von einer rein veganen Ernährung abraten. Davon mal abgesehen, kann man problemlos ein Leben lang auf tierische Produkte verzichten. Natürlich sollten Veganer dabei den Vitamin-B12-Mangel über Nahrungsergänzungsmittel ausgleichen und einem Eiweißmangel über Hülsenfrüchte, Tofu, Sojaprodukte, Getreide, Nüsse, Ölsamen und Gemüse entgegenwirken.
Krankhaft fixiert auf die gesunde Ernährung
Der Drang, sich möglichst gesund zu ernähren, kann Menschen auch krank machen. Wo aber sind die Grenzen? Man spricht von Orthorexie, wenn Menschen auf gesundes Essen krankhaft fixiert sind. Erschreckend viele junge Frauen sind davon betroffen. Sobald derartige Gedanken den Alltag bestimmen, ist für mich der Punkt erreicht, an dem man sich Hilfe suchen sollte. Um nicht ungesund zu leben, meiden diese Menschen ja Zucker und Fette aller Art, die der Körper in gesunden Maßen benötigt. Mangelerscheinungen sind die Folge, Hautprobleme, Haarausfall. In krassen Fällen bleibt bei Frauen die Regelblutung aus, sie können nicht mehr schwanger werden.