Im Irak ist die religiöse Minderheit der Yeziden durch die Dschihadisten "Islamischer Staat " brutalem Terror ausgesetzt. Eine in Bamberg lebende yezidische Familie hört die furchtbaren Nachrichten aus ihrer Heimat mit Ohnmacht - und will doch handeln.
In einem Gebet der Yeziden heißt es: "Lieber Gott, schütze erst die 72 Völker und dann uns." Viele Male hat Ali Husain (Name von der Redaktion geändert) mit diesen Worten den Himmel bestürmt. Doch in diesen Tagen hat der 46-Jährige weniger die 72 Völker im Sinn. "Wir brauchen Hilfe!" betont der Yezide, der schon seit etlichen Jahren in Bamberg lebt. "Wir brauchen Lebensmittel, Wasser, Kleidung, Medikamente."
Am besten wäre jedoch, die Yeziden mit Waffen auszustatten: "Ich würde sofort im Irak kämpfen", erklärt Ali Husain. Kämpfen für seine verfolgten Glaubensbrüder und -schwestern, die dem Terror der Dschihadisten "Islamischer Staat (IS)" schutzlos ausgeliefert sind. Diese Kampfbereitschaft hätten auch viele Yeziden in Deutschland. "Aber wenn wir dann aus dem Irak hierher zurückkämen, würden wir als Terroristen gelten", beklagt der Mann.
Ali, der einst aus politischen Gründen aus der Diktatur Saddam Husseins geflohen und in Deutschland Asyl erhalten hat, wird in diesen Tagen mit den furchtbaren Nachrichten aus der Heimat von Angst beherrscht. Geradezu panische Angst um seine Familienangehörigen, die im Irak ausharren müssen. "Ich telefoniere jeden Tag fünf Stunden mit ihnen", berichtet er.
Freunde und Nachbarn sind in Not Ohnmächtig, hilflos muss er hören, wie Freunde und ehemalige Nachbarn auf der Flucht sind, ermordet, gefoltert, vergewaltigt oder verschleppt werden. Unermessliche Trauer, Schmerz und Furcht streiten in Ali mit dem Willen, handeln zu können. Dieses Interview ist für ihn ein erster Schritt. Denn die Welt solle erfahren, dass "der Irak auch nach Bamberg kommen kann".
So befürchtet der Familienvater, dass fanatische Islamisten ihn ausfindig machen, sich seine Frau und Kinder schnappen. Und obwohl er wie jeder andere Yezide von der Volkszugehörigkeit her Kurde ist, macht die Angst auch vor muslimischen Kurden nicht halt: "Für die sind wir Ungläubige", weiß Ali, Ungläubige, die keinerlei Hilfe selbst vor den marodierenden IS-Banden erwarten könnten. "Wenn die Amerikaner uns nicht geholfen hätten, hätten das die Peshmerga nicht getan", sagt Ali Husain bitter. Er hält es nicht für abwegig, dass islamische Kurden auch in Deutschland, in Bamberg gegen hierzulande lebende Yeziden vorgehen. Jedenfalls gebe es konkrete Drohungen aus Kurdistan gegen Yeziden in Deutschland. Ja, das Misstrauen sitzt tief: "Yeziden nehmen von islamischen Kurden nicht einmal Wasser an, weil Gift darin sein könnte."
Er möchte in Bamberg, wo er Wohnung und Arbeit hat, bleiben. Zumal er für die
Yezidenim Irak keine Zukunft sieht. Ähnlich würde es den irakischen Christen ergehen, die als weitere religiöse Minderheit von den Islamisten ausgelöscht werden: "Yeziden und Christen erleben eine Tragödie". Er knirscht mit den Zähnen, presst wieder hervor: "Ich würde kämpfen."
Interview Derzeit leben 5063 Iraker mit Aufenthaltsgestattung in Deutschland - diese Menschen befinden sich in einem laufenden Asylverfahren. Unter ihnen sind auch Yeziden, weiß Sindy Hoppe, Pressereferentin vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg.
Sind in den letzten Tagen Asylbewerber aus dem Irak in Deutschland eingetroffen? Wenn ja, wie viele?
Sindy Hoppe: Eine aktuelle Statistik, wie viele Iraker in den letzten Tagen nach Deutschland gekommen sind, liegt nicht vor; die Zahlen der Asylantragsteller werden jeweils monatlich erfasst. Derzeit leben 5063 Iraker mit Aufenthaltsgestattung in Deutschland - also Personen, die sich in einem Asylverfahren befinden. Im letzten Jahr wurden 4196 und von Januar bis Ende Juli 2014 insgesamt 4356, Asyl-Erst- und Asylfolgeanträge gestellt.
Befinden sich Yeziden darunter?
Unter den 4196 Antragstellern aus dem Irak im Jahr 2013 waren 2281 Yeziden. Für das laufende Jahr liegen diese Daten noch nicht vor.
Wie wird der Schutzbedarf für religiöse Minderheiten aus dem Irak eingestuft?
Jeder Asylantrag stellt ein individuelles Verfahren dar. Das heißt, dass bei jedem Antragsteller, die im Sachvortrag (etwa der Anhörung, Anm. d. Red.) vorgebrachten individuellen Gründe berücksichtigt werden. Bringt der Antragsteller Gründe vor, die unter die Genfer Flüchtlingskonvention fallen, beispielsweise das Merkmal der Religionszugehörigkeit, und werden diese im Herkunftsland des Antragstellers verfolgt, muss ein Schutz gewährt werden.
Das Bundesamt beobachtet die aktuelle Lage vor Ort sehr genau und zieht hierzu auch Berichte anderer Organisationen wie beispielsweise Human Rights Watch und Amnesty International zu Rate. Auf Grund der aktuellen Entwicklungen im Irak wird im Rahmen der Asylverfahren geprüft, ob aufgrund der Zugehörigkeit zur Gruppe der Yeziden ein Schutzgrund für Antragsteller aus dem Irak besteht.
Werden derzeit negative Asylentscheidungen für Iraker getroffen?
Es werden derzeit keine negativen Asylentscheidungen für Iraker getroffen. Diese werden zunächst zurückgestellt.
Die Fragen stellte Marion Krüger-Hundrup
Caritas ruft zu Spenden für Flüchtlinge auf Der Caritasverband für die Erzdiözese Bamberg ruft zu Spenden für die Menschen im Nordirak auf, die vor den Kämpfern der IS fliehen. Wie der Verband mitteilt, leistet die Caritas bereits seit 20 Jahren im Irak Hilfe. Die Mitarbeiter der Caritas hätten teils in Zusammenarbeit mit dem Roten Halbmond, in mehreren Landesteilen Flüchtlings- und Sozialzentren errichtet, heißt es in der Mitteilung weiter. Die Helfer versorgen die Flüchtlinge mit Medikamenten, Lebensmitteln, Trinkwasser, Hygieneartikeln, Matratzen und Decken. Die Mitarbeiter tun dies auch unter Einsatz ihres Lebens und in ständiger Angst vor Verfolgung und Vertreibung.
Angesichts der täglich wachsenden Flüchtlingsströme müssten diese Anstrengungen noch verstärkt werden. Daher ruft der Caritasverband für die Erzdiözese Bamberg zu Spenden auf. Das Erzbistum Bamberg hat aus seinem Katastrophenfonds bereits 30 000 Euro für die Flüchtlinge zur Verfügung gestellt.
Stichwort "Irak" Spenden können unter dem Stichwort "Irak" auf das Konto des Diözesan-Caritasverbands Bamberg eingezahlt werden: IBAN DE26 7509 0300 0009 0030 02 bei der Liga Bank Bamberg (BIC: GENODEF1M05).