Und dann soll man noch motivieren...

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Die Blasbälger des Musikvereins Stadt Hallstadt sind froh, dass sie wieder proben dürfen. Foto: Anette Schreiber
Die Blasbälger des Musikvereins Stadt Hallstadt sind froh, dass sie wieder proben dürfen. Foto: Anette Schreiber
Jeder bringt seine Sachen mit und nimmt sie wieder mit.Foto: Anette Schreiber
Jeder bringt seine Sachen mit und nimmt sie wieder mit.Foto: Anette Schreiber
 
Mundschutz im HausFoto: Anette Schreiber
Mundschutz im HausFoto: Anette Schreiber
 
Dirigent mit MundschutzFoto: Anette Schreiber
Dirigent mit MundschutzFoto: Anette Schreiber
 
Nur da hinsetzen, wo ein Kreuz ist.Foto: Anette Schreiber
Nur da hinsetzen, wo ein Kreuz ist.Foto: Anette Schreiber
 

Wie soll es weitergehen? Den Musikvereinen brechen Konzerte und damit Einnahmequellen weg und für Proben gibt es große Auflagen.

Es hätte ein so schönes und ereignisreiches Jahr werden können für den Musikverein Stadt Hallstadt. Diesen gibt es nun schon seit vier Jahrzehnten und deswegen waren einige besondere Veranstaltungen geplant, darunter das Frühlings- als Jubiläumskonzert im März. Die Programme waren gedruckt, dessen Bestandteile bestens geprobt. Dann, gleich nach dem Kommunalwahl-Wochenende der Corona-Lockdown und damit natürlich auch kein Konzert.

"Die 700 Programme sind eingestampft", sagt Vereinsvorsitzender Thomas Müller. Mit rund 500 Mitgliedern zählt der Hallstadter Verein nicht nur zu den größten derartigen Zusammenschlüssen. Er gehört zudem im musikalischen Bereich wohl zu den Besten: "Wir spielen im Amateurbereich auf Höchstniveau", stellt Müller dazu fest.

Das kommt nicht von ungefähr, sondern ist Resultat intensiver Förderung und Ausbildung. Damit Eltern monatlich nicht mehr als 30 Euro für den wöchentlichen Einzelunterricht und die Orchesterproben ihrer Sprösslinge berappen müssen, finanziert der Verein dies alles quer, wie Müller erläutert. Das heißt, bei Veranstaltungen wie eben dem Frühlingskonzert erwirtschaftete Einnahmen decken den Großteil der Kosten, die nicht durch Beiträge gedeckt sind.

Zwischen acht und 15 Euro kostet jede der halbstündigen Unterrichtseinheiten den Verein. Bei rund 60 Wochenstunden kommt da schon einiges zusammen.

Zum Glück müssen nur fünf der 20 im Verein tätigen Ausbilder ihren Lebensunterhalt aus dem Unterricht bestreiten, so Müller auf Nachfrage. Denn mit dem Lockdown ging musikalisch auch in Hallstadt erst einmal gar nichts mehr. In einigen Fällen konnte Unterricht über Home-Schooling erteilt werden. "Aber das ist nicht das Gleiche und auch nicht für jeden das Richtige." So war in Hallstadt wie auch in den anderen Musikvereinen im Landkreis Bamberg musikalisch erst einmal Sendepause.

Nicht nur das. Auch die vielen anderen Vereins-Veranstaltungen fielen der Pandemie zum Opfer.

Erst kurz vor Pfingsten konnte nach diversen Lockerungen der Probenbetrieb, der beim Musikverein im Bürgerhaus (Orchester) und Schule (Einzelunterricht) stattfindet, langsam und auf Basis des eigens erarbeiteten Hygienekonzepts wieder aufgenommen werden. Dazu gehört etwa, dass jeder seinen eigenen Notenständer mitbringt, der Dirigent nach jeder Gruppe gründlich desinfiziert, nach 20 Minuten gelüftet werden muss und das Kondenswasser der Blasinstrumente ins eigene Spuktuch zu geben ist. Und setzen dürfen sich die Musiker nur an die markierten Plätze.

Beim Probenbesuch der "Blasbälger" zeigt sich, dass sie die Vorgaben verinnerlicht haben. Froh sind die 14 Blasbälger im Grundschulalter darüber, überhaupt wieder proben zu können. "Zusammen zu spielen ist besser", steht für die zehnjährige Elvina fest. Man treffe Freunde und es mache mehr Spaß. Der ein Jahr ältere Marc nickt zustimmend. Alleine wisse man nicht so, "wie der Takt geht". Dem zwölfjährigen Lukas am Waldhorn "hat einfach was gefehlt." Dirigent Petr Horejsi vernimmt es zufrieden, während er unter seiner Maske schwer atmet. Weil er mehrere Orchester leitet, tut er das für den Schutz seiner Schützlinge. "Wenn das der Preis dafür ist, wieder proben zu dürfen, gerne."

Freilich ist bei einem Abstand von anfangs drei und nun zwei Metern zwischen den Musikern der Raum im Bürgerhaus für die größeren Orchester (ab 20 Musikern) zu klein. So ist die Stadtkapelle ins Freie ausgewichen. In den Pfarrgarten, oder auch mal vors Seniorenzentrum. "Da haben wir anderen auch eine Freude gemacht", steht für den Vorsitzenden fest. "Richtige Proben sind das aber nicht."

Man könne einander nicht richtig hören, der Klang verschwindet, wird verfälscht. Aber besser als keine Probe, findet auch Müller. Am Freitag probt die Stadtkapelle von 19 bis 21 Uhr auf dem Marktplatz, letztmals vor den Ferien. Und für Nachwuchs konnte man diesmal in den Schulen nicht werben. Ein weiteres Problem. Jetzt geht es nur über die Homepage und direkte Anfragen, sagt er.

Die Situation macht auch Angelika Becher, Kreisvorsitzende des Nordbayerischen Musikbundes (NBMB) zu schaffen. Nicht nur Hallstadt hätte heuer ein großes Jubiläum zu feiern, auch Bischberg, Oberhaid und Trunstadt, weiß sie. "Zum Glück hatte keiner davon ein Kreismusikfest geplant", sagt sie. Denn dann wäre man an den hohen Kosten für Festzelt und Gastorchester hängen geblieben, ohne irgendwelche Einnahmen zu haben. Freilich büßen gerade die kleinen Vereine enorm ein. Sie erwirtschaften Geld für Noten und ähnliches bei kleineren Feiern und Kirchweihen. Und da fällt corona-bedingt ja alles aus.

Beim NBMB und beim Musikrat könne man Anträge stellen und Kosten geltend machen, sagt sie. Im Kreis Bamberg zählt der NBMB rund 3500 Musiker, einsame Spitze in Oberfranken. Da nun keine Auftritte mehr anfallen, fehle für viele die Motivation: "Für was sollen sie proben?" Angelika Becher hofft, dass es im Herbst "zumindest im kleinen Rahmen weitergeht."

Das tut auch Thomas Müller. Die Jubiläumsveranstaltungen verschiebe man auf 2021.

KOMMENTAR:

Ein wertvolles Gut

Wer die Musik sich erkiest...heißt es in einem Chorsatz, den ich vor Jahrzehnten am Gymnasium mitsingen durfte. Damals war mir der tiefere Sinn verborgen geblieben. Gerade in Corona-Zeiten zeigt sich aber, dass der Mensch mehr als Nahrung zum Leben benötigt. Kultur hat einen entscheidenden Anteil am Wohlbefinden, am Menschsein. Und wer singt, oder ein Instrument beherrscht, verfügt über eine weitere Möglichkeit, sich auszudrücken und auszuleben.

Somit leisten Musikvereine einen unschätzbaren Beitrag. Insbesondere für die Entwicklung der Kinder. Speziell, wenn sie im Chor sind oder in einem Orchester spielen und lernen: Sie müssen sich konzentrieren, sie müssen auf einander eingehen, kooperieren, harmonieren. Konzerte sind Ansporn und gemeinschaftsbildend zugleich.

Neben einer Vielzahl anderer Vereine leiden ganz besonders auch die Musik- und Gesangvereine unter den Corona-Einschränkungen. Und die Eltern gleich mit. Denn wenn der Nachwuchs übt, geht er einer ebenso sinnvollen wie schönen Beschäftigung nach. Wie beschwerlich Proben unter Corona-Vorgaben derzeit auch sein mögen - Masken, Abstand, Desinfektion, Lüften - jede abgehaltene ist für Vereine und Musiker besser, als keine. Selbst für einen Dirigenten, der unter seiner FFP2-Maske stets um Luft ringt.

Denn , "wer die Musik sich erkiest", der hat in der Tat ein besonderes Gut.