Der Tatort will kein Krimi sein, sondern das Porträt einer verunsicherten Gesellschaft zeichnen. Für das große Drama fehlen ihm die erzählerischen Mittel.
Sie suchten in Bamberg ein besseres Leben und fanden doch nur den Tod. Die Afrikanerin erstickt bei einem Brandanschlag, der kaum volljährige Syrer erschossen bei einem Einbruch. Beide sind sie gestorben als Kollateralschaden unbarmherzigen Gewinnstrebens.
Hier hatte ein anderer Flüchtling den jungen Syrer zum Einbruch angestiftet, dort der Immobilienspekulant Sascha Benedikt seinen rechtsradikalen Mieter dazu, eine Bamberger Gemeinschaftsunterkunft abzufackeln.
Ob die Hauptkommissare Voss und Ringelhahn am Ende Benedikt aber überhaupt hinter Schloss und Riegel bringen können, muss der Zuschauer nach dem Abspann mit sich selbst ausmachen. Denn mit der Zeit schien Regisseur Markus Imboden das Interesse am Kriminalfall und dessen Auflösung schlicht verloren zu haben.
Nicht wenigen Zuschauern dürfte es ähnlich gegangen sein, vor allem der comichaften Überzeichnung Benedikts wegen: zu gleichen Teilen unterwürfig und gerissen, feistes Fränkisch brabbelnd und in einen obligatorischen Nadelstreifenanzug gehüllt. Interessant, so stellt man sich bei der ARD also einen Immobilienspekulanten aus Bamberg vor.
Blasse Kommissare
Die Liste der dramaturgischen Mängel ließe sich fortführen: Die selbst für Tatort-Verhältnisse erstaunlich konventionelle, fast biedere Inszenierung ist dabei noch das Geringste. Schon schwerer fällt ins Gewicht, dass die Kommissare auch im dritten Franken-Tatort blass und auf diese Weise dem Zuschauer seltsam gleichgültig bleiben. Dies ist umso erstaunlicher, als mit Dagmar Manzel und Fabian Hinrichs zwei exzellente, mit Charisma und handwerklichem Können gesegnete Schauspieler das Ensemble bereichern.
Entsprechend ungnädig müsste das Urteil ausfallen - legte man denn geltende Tatort-Maßstäbe an. Allerdings tut "Am Ende geht man nackt" selbst alles dafür, um an diesen Maßstäben gerade nicht gemessen zu werden. Dieser Tatort will kein Krimi sein, sondern eine Meditation über die Deutschen und die Frage, was die Flüchtlingskrise mit ihnen anstellt. Da wäre ein mitten im Leben stehender Abteilungsleiter, der sich in eine Afrikanerin verliebt und darüber die sorgsam eingerichtete Existenz über den Haufen werfen will. Da wäre seine hintergangene Ehefrau, der die Arbeit mit Flüchtlingen neuen Lebenssinn stiftet: "Weil es unanständig wäre, nicht zu helfen."
Der Film leidet mit seinem Hauptkommissar Voss, wie er gegenüber dem jungen Syrer Vater-, vielleicht sogar Schuldgefühle entwickelt. Selbst dem habituell eher wurschtigen Kommissar Fleischer nötigt das Schicksal der Flüchtlinge eine Haltung ab: Immerhin ein paar ausrangierte Hemden gibt er in der Kleiderkammer ab. Imboden lässt einen Rechtsradikalen auswendig gelernte Sätze vom "Islam-Krempl" aufsagen. Und er zerrt alteingesessene Bamberger ins Scheinwerferlicht, die ihre Sicherheit lieber selbst in die Hand nehmen: Die einen überwachen ihr Haus mit Kameras, der andere erschießt den jungen Syrer in einem Akt exzessiver Selbstjustiz.
Imboden leuchtet in die Winkel einer überforderten Asylbürokratie, zeigt institutionalisierten Polizeirassismus und legt eine kriminelle Schattenökonomie rund um das Asylbewerberheim frei.
Freilich tippt der Franken-Tatort die vielen Facetten des großen Flüchtlingskomplexes allenfalls oberflächlich an.
In der Summe gelingt "Am Ende geht man nackt" dennoch das Porträt einer verunsicherten und unter moralischen Stress gesetzten Gesellschaft. Was bedeutet die Ankunft der Flüchtlinge für das eigene Leben, für die Pläne, Einstellungen und Lebenslügen? - Keiner der Figuren kann sich diesen Fragen entziehen, jede muss Antworten darauf finden.
Unter einem Brennglas
Es gibt diese so herausgeforderten Menschen auch im wahren Leben: keineswegs nur in Bamberg. Aber es gibt sie zweifellos auch dort.
Deshalb war es weder pietätlos noch effekthascherisch, den Film in einer Stadt zu drehen, die wie Bamberg ein sogenanntes Rückführungszentrum, gewaltbereite Rechtsradikale, aber auch eine bemerkenswert engagierte Bürgerschaft beherbergt. Wie unter einem Brennglas bündelt das echte und das im Tatort stilisierte Bamberg vieles von dem, was gut ist und was schlecht im Umgang mit Flüchtlingen.
Im Porträt einer herausgeforderten Stadt entwickelt der offensiv als "fränkisch" ausgeflaggte Tatort endlich auch einmal ein Gespür für die Region, die Franken und die Themen, die sie bewegen. So ist "Am Ende geht man nackt" ein Krimi, der kein klassischer Krimi sein mag, dem für das beabsichtigte große Gesellschaftsdrama aber die erzählerischen Mittel fehlen.
Der Franken-Tatort sucht weiter nach seiner Identität. Einer Antwort ist er am Sonntag immerhin ein kleines Stückchen näher gekommen.
Ich habe mir diesen Tatort zweimal angeschaut und komme zu dem Ergebnis: Er hat mir sehr gut gefallen. Bin ich damit der einzige? Nein, das hat vorher schon einer anderer behauptet: Kein geringerer als Udo Skrzypczak, Polizeivizepräsident von Oberfranken, zuvor Chef der Polizei Bamberg-Stadt. Er sagte dem FT: "Der Tatort hat mir sehr gut gefallen, insbesondere dass Schicksale aufgezeigt werden und die menschliche Seite beleuchtet wird. Es ist ein Konzentrat von Problemstellungen, die tatsächlich in diesen Sammelunterkünften vorhanden sind..." (Zitat Ende)
Doch was ich aus eigener Anschauung bzw. Kenntnis der Polizei zurufen möchte: Schlagen Sie sich im Umgang mit Ausländern, Einheimischen, Dummen, Gescheiten, Armen, Reichen, Attraktiven oder vom Schöpfer etwas Benachteiligten nur auf die Seite von Recht und Ordnung. Bis vor wenigen Jahren hätte ich es nicht geglaubt, dass sich Polizeibeamte verhalten wie in der Szene nach der Schlägerei zwischen den Flüchtlingen und den Radikalen dargestellt. Nach zwei merkwürdigen Begebenheiten halte ich solches aber für nicht ausgeschlossen. Freilich habe ich die Polizei auch schon als Freund und Helfer kennengelernt.
Und noch eine allgemeine Bemerkung möchte ich mir erlauben: Auch mit Hilfe der Polizei herrschen in unserem wunderschönen, lebens- und liebenswerten Land keine solchen Verhältnisse, wie man aufgrund der Flut von Mord und Totschlag im Fernsehen vermuten könnte. Mir tun neben den Münsteranern z. B. die Rosenheimer leid, die sich im Vorabendprogramm des ZDF allwöchentlich als Mördergrube wiederfinden. Bamberg hat mit diesem Krimi hoffentlich für längere Zeit letztmals seine dunkle Seite vorführen "dürfen". Machen wir es im täglichen Umgang mit Fremden besser als in jenem Krimi beschrieben. Es muss ja nicht gleich jeder einen Flüchtling adoptieren...
Als Franke muß ich leider sagen: der beste Tatort ist imer noch der Münsteraner mit Kommissar Thiel und Professor Börne. Schlagfertig, spannend mit einer gehörigen Portion Humor. Beim Franken-Tatort wirkt meiner Meinung nach alles viel zu Steif, zu langsam, der Dialekt wird viel zu viel "geschwolln" daher geredet, was insbesondere bei Rechtsmediziner Schatz ( Matthias Eggersdörfer) und bei Herrn Fleischer auffällt. Wirkt alles zu ruhig und gekünstelt. Für alle Tatorte gilt aber meiner Meinung nach, daß sie das Flüchtlings- und Asylproblem in Verbindung mit Rechtsradikalen besser bleiben lassen sollten. Wenn so etwas nicht detailgenau dargestellt wird, wird es immer wieder bitterböse Kritik geben.
"Für alle Tatorte gilt aber meiner Meinung nach, daß sie das Flüchtlings- und Asylproblem in Verbindung mit Rechtsradikalen besser bleiben lassen sollten" ---Zitat Oskarchen.
Ja. Das hättest du gerne. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Bfui Deifel.
Oje newsticker, weil in Bamberg ja ständig Flüchtlinge von Neonazis verprügelt werden. Man stelle sich jeden Sonntag einen Tatort vor, in dem Flüchtlinge nur stehlen und Frauen vergewaltigen. Das wäre genauso hanebüchen wie die Variante des bösen Deutschen mit den sogenannten Springerstiefeln (das Wort kann nur ein Ungedienter erfunden haben), der ständig Flüchtlinge verprügelt.... Auch bei Ihnen gilt: "Weil nicht sein kann, was nicht sein darf." oder nach den Boggensaggs auf fränggisch: "Wo issn des Hirrrn?"
@newsticker: ich nehme mal an, daß Sie den Tatort nicht gesehen haben, sonst wüden Sie nicht so geschwollen daher reden!