"Sie haben noch vier Monate zu leben." Mit solchen Prognosen alleine gelassen, wenden sich immer wieder Patienten an Helmut Metzger. Um sich Trost zu holen, Mitgefühl zu spüren, Widerspruch zu erhoffen. Er hält prinzipiell nichts von solchen Schätzungen. "Einmal erzählte mir ein älterer Herr, dass heute sein prognostizierter Todestag sei. Es ging ihm gut und er lebte noch eine ganze Weile weiter."
Nur selten beim Sterben dabei
Klar gebe es Todesanzeichen: Atemrasseln, verdrehte Augen, nach oben gebeugte Arme. "Man kann den Tod aber nicht versprechen", erklärt Helmut Metzger. Das Sterben sei so individuell wie der Mensch selbst. Fakt ist nur: "Wir gehen alle." Diese Erkenntnis hilft dem 55-Jährigen stets dabei, an den alltäglich erlebten Geschichten nicht zu zerbrechen. Beim Sterben selbst ist er zwar nur selten dabei, gefragt sind da Angehörige oder Hospizbegleiter. Aber es kommt vor. "Beim letzten Atemzug eines Menschen dabei zu sein, lässt die Zeit stillstehen."
Und doch muss der Tod nicht zwangsläufig negativ sein. "Es gibt Menschen, die ein gutes Leben hatten und bereit sind, zu gehen", sagt Chefärztin Brigitte Lotter. Nicht selten sind es eher die Angehörigen, die tröstender Worte und des Zuspruchs bedürfen. Das bestätigt auch Konrad Goller, Vorsitzender des Bamberger Hospizvereins. "Die Tabuisierung des Sterbens ist da, viele kommen erst, wenn jemand tot ist." Was es braucht, sei eine umfassende Betreuung - für Betroffene und Angehörige. Da hilft das, worauf Lotter immer wieder stolz hinweist: die besondere Situation, in Bamberg Palliativstation, Hospizverein und Hospizakadamie unter einem Dach zu wissen.
"Vorreiterrolle" in Oberfranken
In der Domstadt gehört Helmut Metzger zu den Leuten der ersten Stunde. Eingeweiht wurde die Palliativstation am 24. November 1999. Die zur Jubiläums-Feierstunde am Freitag angereiste Gesundheitsministerin Melanie Huml lobte sie als Vorreiterin der Region Oberfranken. "In diesen zwei Jahrzehnten hat die Palliativstation dazu beigetragen, das Leiden von vielen Patienten mit unheilbaren, weit fortgeschrittenen Erkrankungen zu lindern", sagte sie. Solche Stationen gibt es laut Ministerium derzeit an 51 Krankenhäusern (mit insgesamt 478 Palliativbetten) in Bayern. Zudem gibt es im Freistaat 45 Teams zur spezialisierten ambulanten Palliativversorgung für Erwachsene (SAPV) und sechs Teams für Kinder und Jugendliche.
Vor fast zehn Jahren verließ Helmut Metzger den stationären Bereich, ohne dem Palliativgedanken abzuschwören. Er stieß zum hiesigen SAPV-Team. Ähnlich einem ambulanten Pflegedienst besucht er die Menschen zu Hause, spricht mit ihnen, berät sie und sorgt dafür, dass Schwerstkranke so lange wie möglich in ihrer vertrauten Umgebung bleiben können. Bei den Besuchen genießt er es, nicht auf die Uhr schauen zu müssen, sich Zeit nehmen zu können. "Ich könnte mir keine bessere Arbeit vorstellen", sagt Metzger.
Klar könne er hin und wieder schlechter schlafen, etwa wenn ihn ein tragischer Fall nicht loslässt. Auch ihm, dem vor Erfahrung strotzenden Fachmann, kommen dann schon einmal die Tränen. Doch meistens kann er am Feierabend abschalten, das Sterben mit all dem Drumherum ausblenden. In jenen Momenten ist er nur Helmut Metzger, ein 55-jähriger Bamberger. Ein paar Stunden später, wenn er das Namensschildchen wieder anheftet und zu lächeln beginnt, ist er Helmut Metzger, der leidenschaftliche Palliativpfleger.
Palliativpflege - Was ist das überhaupt und an wen kann man sich wenden?
Was ist Palliativpflege?
Palliativmedizin kann und will Symptome nicht mehr heilen. Es geht darum, Schmerzen zu lindern und Angst zu nehmen, um ein würdevolles Leben zu ermöglichen (medikamentöse und nichtmedikamentöse Symptomkontrolle). Profitieren können todkranke Patienten genauso wie Patienten mit degenerativen Krankheiten und einer hohen Schmerzsymptomatik. Weiter gibt es Hospiz, in dem Schwerstkranke mit absehbarem Lebensende bis zu ihrem Tod betreut werden. Welche Formen gibt es?
Die meisten Schwerstkranken werden in der allgemeinen Palliativversorgung betreut. Dazu gehört hauptsächlich die kontinuierliche Versorgung durch Haus- und Fachärzte sowie ambulante Pflegedienste. Auch stationäre Pflegeeinrichtungen und allgemeine Krankenhäuser gehören dazu. Weiterhin empfehlen Experten, die Leistungen von ambulanten Hospizdiensten in Anspruch zu nehmen. Was verbirgt sich hinter speziellen Palliativstationen in Krankenhäusern? Diese Stationen sind eigenständige Einrichtungen zur Versorgung schwerstkranker und sterbender Menschen, die einer Krankenhausbehandlung bedürfen. Ziele der Behandlung sind eine Verbesserung oder Stabilisierung der jeweiligen Krankheit sowie die anschließende Entlassung - soweit möglich - nach Hause.
In Franken gibt es 15 solcher Einrichtungen, etwa in Bamberg, Coburg, Kulmbach und Schweinfurt. Eine Übersichtskarte und weitere Angebote gibt es im Internet unter www.palliativ-portal.de.
Gibt es diese Betreuung auch für zu Hause?
Ja. Zum einen gibt es allgemeine ambulante Palliativversorgung (AAPV), etwa durch einen Hausarzt. Seit 2007 hat jeder Versicherte mit einer nicht "heilbaren, fortschreitenden und weit fortgeschrittenen Erkrankung bei zugleich begrenzter Lebenserwartung" überdies das Recht auf Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung (SAPV). Geschulte Fachkräfte besuchen die Patienten daheim und können diese in ihrer vertrauten Umgebung betreuen - mit einer 24-Stunden-Rufbereitschaft. SAPV wird von einem Hausarzt oder Krankenhausarzt verordnet und muss von der Krankenkasse genehmigt werden. Sogenannte Palliative Care-Teams (Ärzte, Pfleger, Ehrenamtliche) versorgen die Patienten ganzheitlich. Ziel ist es, Krankenhauseinweisungen aufgrund belastender Symptome zu vermeiden
Kommen Kosten auf mich zu? Die Kosten für Palliativpflege, Hospiz- und Palliativversorgung trägt in der Regel die Krankenkasse. Für die ambulante Versorgung können auch Leistungen der Pflegekassen hinzukommen, wenn eine Pflegebedürftigkeit nach Sozialgesetzbuch Elf (SGB XI) besteht. An wen wende ich mich?
Das SAPV-Team der Sozialstiftung Bamberg unterhält Stützpunkte in weiten Teilen Oberfrankens. Infos und Anmeldung unter 0951/50314714 oder im Netz unter www.sozialstiftung-bamberg.de. Grundsätzliche Informationen und eine Postzahlensuche für regionale Angebote gibt es beim Landesverband SAPV Bayern unter www.sapv-bayern.de.
Der etwas andere Cuno...